Bislang hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den designierten US-Präsidenten kaum direkt kritisiert. Nach dessen Aussagen zur territorialen Expansion der USA ist diese Zurückhaltung vorbei.
Nur zwei Wochen vor der Amtseinführung Donald Trumps hat Bundeskanzler Scholz erstmals eine klare Gegenposition zum Republikaner eingenommen. Angesichts von Trumps Gedankenspielen zur territorialen Ausdehnung der USA betonte Scholz öffentlich die Bedeutung der Unverletzlichkeit von Grenzen. "Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden", erklärte Scholz, ohne Trump dabei direkt zu nennen. Dieses Prinzip sei universell und gelte für alle Länder, unabhängig von ihrer geografischen Lage.
Trump hatte zuvor mehrfach Interesse an Grönland, das zum Königreich Dänemark gehört, gezeigt. Auch über Kanada hatte er laut Äußerungen nachgedacht und das Land als potenziellen "51. Bundesstaat" der USA bezeichnet.
Gespräche zu Grönland: Scholz spricht mit europäischen Partnern
Am Dienstag sorgte Trump bei einer Pressekonferenz in Florida mit Äußerungen über Grönland für Aufsehen. Dabei schloss er auch militärische Mittel nicht aus. Daraufhin führte Bundeskanzler Scholz am Mittwoch Telefonate mit mehreren politischen Führungspersönlichkeiten, darunter EU-Ratspräsident António Costa, Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und Polens Ministerpräsident Donald Tusk. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wurden kontaktiert. Grönland, eine autonom verwaltete Region Dänemarks, ist Teil eines Nato-Mitgliedsstaates und somit strategisch relevant.
Irritation über Trumps Aussagen
Scholz zeigte sich in einem kurzfristigen Presse-Statement erstaunt über die Reaktionen aus den USA. "Es gibt ein gewisses Unverständnis über solche Äußerungen," sagte er, ohne Trump beim Namen zu nennen. Die Unverletzlichkeit von Grenzen sei ein zentraler Bestandteil westlicher Werte, betonte der Bundeskanzler: "Dieses Prinzip darf nicht infrage gestellt werden."
Seit der US-Wahl am 5. November hatte Scholz betont, konstruktiv mit Trump zusammenarbeiten zu wollen. Nach zwei Telefonaten mit dem künftigen US-Präsidenten hob Scholz insbesondere gemeinsame Ansätze in der Ukraine-Politik hervor. Doch nun ist es zum ersten Öffentlichkeitsstreit zwischen beiden gekommen. Auch aus Frankreich kam Kritik an den USA. Regierungssprecherin Sophie Primas sprach von "einer Form des Imperialismus". Sie forderte, Europa müsse aufwachen, sich schützen und militärisch stärker rüsten.
Trumps Forderung nach höheren Nato-Ausgaben
Ein weiteres kontroverses Thema war Trumps Forderung, die Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. "Das können sich alle leisten", sagte Trump in Mar-a-Lago. Scholz äußerte sich dazu nicht direkt.
Die Nato hatte sich 2014 darauf geeinigt, zwei Prozent des BIP für Verteidigung einzuplanen. Angesichts der russischen Bedrohung wird jedoch über eine Erhöhung auf Werte zwischen 2,5 und 3,5 Prozent diskutiert.
Bundesregierung verweist auf Nato-Prozesse
Deutschland erreichte 2023 erstmals die Zwei-Prozent-Marke und liegt aktuell bei 2,12 Prozent, wie die Nato-Statistik vom Juni zeigt. Regierungssprecher Steffen Hebestreit reagierte zurückhaltend auf Trumps Forderung nach fünf Prozent. "Es gibt hierfür etablierte Prozesse innerhalb der Nato," erklärte er. Sobald Ergebnisse vorliegen, werde darüber politisch entschieden.
Dabei geht es um die kontinuierliche Verteidigungsplanung der Nato, bei der ermittelt wird, welche Mittel notwendig sind, um die Verteidigungsfähigkeit zu gewährleisten. Hebestreit betonte, Deutschland werde auch unter Trump eng mit seinen Verbündeten zusammenarbeiten.