Panorama

Selbsttests für die Gesundheit - nützlich oder riskant?

Blut, Speichel oder Stuhl geben wertvolle Hinweise auf die Gesundheit eines Menschen. Selbsttests versprechen eine einfache Anwendung für zu Hause. Doch Experten erklären, warum diese nicht immer die beste Wahl sind.
15.02.2025 07:24
Aktualisiert: 15.02.2025 07:44
Lesezeit: 2 min

Wer sich oft müde und energielos fühlt, stößt bei einer Internetrecherche auf zahlreiche Erklärungen. Liegt ein Vitamin-B12-Mangel vor, ist die Darmflora aus dem Gleichgewicht oder steckt womöglich eine ernste Erkrankung dahinter? Medizinische Selbsttests, die zu Hause durchgeführt werden können, versprechen Klarheit. Sie sind online, in Drogerien und Apotheken für diverse Anwendungsbereiche erhältlich. Doch wie verlässlich sind diese Tests wirklich?

Schwangerschaftstests und Blutzuckermessgeräte für Diabetiker gibt es seit Langem. Seit Herbst 2018 können sich Menschen, die eine HIV-Infektion befürchten, selbst testen. Durch die Corona-Pandemie ist es zudem für viele selbstverständlich geworden, sich auf bestimmte Krankheitserreger zu prüfen.

Boom bei Selbsttests spürbar in Arztpraxen

Angesichts dieser Entwicklung erscheint es naheliegend, auch andere Gesundheitsfragen mit Selbsttests zu klären. Viele Menschen nutzen bereits Smartwatches oder Smartphones, um ihre Gesundheitswerte zu überwachen.

Der zunehmende Markt für Selbsttests macht sich in Arztpraxen bemerkbar. Die Bonner Gastroenterologin Birgit Terjung beobachtet häufig Patienten mit unklaren Bauchschmerzen, die einen Mikrobiom-Selbsttest durchgeführt haben. Dabei wird eine Stuhlprobe an ein kommerzielles Labor geschickt, um die Zusammensetzung der Darmflora analysieren zu lassen.

Medizinische Selbsttests: Hohe Kosten, fragliche Aussagekraft

Doch solche Tests sind teuer und wenig aussagekräftig, warnt die Expertin der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Eine Stuhlprobe spiegelt nur einen begrenzten Bereich des Darms wider, und die Ergebnisse können durch Tageszeit und Ernährung beeinflusst werden, erklärt Terjung. Nach der Analyse erhalten Verbraucher häufig umfangreiche Ernährungsempfehlungen sowie spezielle Probiotika, die die Darmflora optimieren sollen.

"Diese Behandlungen sind sehr teuer und können bis in den vierstelligen Bereich gehen", sagt Terjung. "Ob sie helfen, ist jedoch fraglich." Ein internationales Expertengremium schrieb im Fachjournal "The Lancet Gastroenterology & Hepatology", dass es bislang keine soliden wissenschaftlichen Beweise gibt. Derzeit lasse sich aus Mikrobiom-Analysen weder eine Frühdiagnose noch eine Behandlung ableiten. "Doch der Markt entwickelt sich schneller als die Wissenschaft, wie es bereits bei Gentests für den Hausgebrauch der Fall war", so die Autoren.

Ovulationstests als sinnvolle Ausnahme

Auch bei Hormontests ist Vorsicht geboten. Hersteller behaupten, ein Cortisolmangel könne das Stressempfinden verstärken, und ein Speicheltest bringe Klarheit. Ähnliche Versprechen gibt es für Sexual- oder Schilddrüsenhormone.

Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) mit Sitz in Altdorf rät von solchen Selbsttests ab. Deren Qualität sei oft nicht gesichert, und die Ergebnisse könnten ungenau sein, da der Hormonspiegel beispielsweise von der Tageszeit abhängt, betont DGE-Experte Alexander Mann. "Diese Faktoren werden in einer Fachpraxis berücksichtigt." Sinnvoll seien hingegen Ovulationstests für Frauen mit Kinderwunsch.

Ergebnisse korrekt interpretieren

Ungenaue Selbsttests können Patienten verunsichern, unnötige Behandlungen auslösen oder dazu führen, dass wichtige Diagnosen verzögert werden, erklärt der Bremer Mediziner Hans-Michael Mühlenfeld. "Viele Menschen fühlen sich müde oder energielos und werden durch Werbung beeinflusst, die einfache Lösungen verspricht." Es sei jedoch nicht ratsam, wahllos auf Vitamin- oder Mineralstoffmängel zu testen und Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen.

Das Ziehen von Schlussfolgerungen aus Symptomen ist komplex, betont der Experte für hausärztliche Praxis der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. "Einfach einen Test zu machen, reicht nicht aus." Wichtig sei zudem die richtige Einordnung der Ergebnisse. Ein erhöhter Cholesterinwert sei nicht automatisch bedenklich. Erst in Kombination mit Faktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck oder Rauchen entstehe ein Gesundheitsrisiko.

Manche Menschen sorgen sich sehr um ihre Gesundheit, während andere lange zögern, bevor sie einen Arzt aufsuchen. Selbsttests könnten diese Tendenzen verstärken, so Mühlenfeld. Müdigkeit etwa habe oft harmlose Ursachen, könne aber auch auf eine ernsthafte Erkrankung hinweisen. "Wer dann zuerst zu Nahrungsergänzungsmitteln greift, verzögert unter Umständen die notwendige Diagnostik und damit auch eine gezielte Therapie."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Schnell noch ins LIVE-WEBINAR reinklicken: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Fondsmanager warnt: „Gold ist noch immer unterbewertet“
05.06.2025

Der Goldpreis explodiert – doch laut Fondsmanager Erik Strand ist das Edelmetall noch immer unterbewertet. Die wahre Blase?...

DWN
Panorama
Panorama Stromanbieterwechsel 2025: Neue Fristen ab 6. Juni – wichtige Tipps
05.06.2025

Ein Stromanbieterwechsel soll ab dem 6. Juni deutlich schneller gehen – das klingt gut, hat aber Tücken. Welche Chancen und Risiken...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut wächst: Jede sechste Rentnerin in Deutschland lebt in Altersarmut
05.06.2025

Die neuen Zahlen zur Altersarmut in Deutschland sind alarmierend: 2,1 Millionen Rentnerinnen und 1,3 Millionen Rentner leben unterhalb der...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB stützt Konjunktur mit achter Zinssenkung seit Juni 2024
05.06.2025

Die von hohen US-Zöllen bedrohte Wirtschaft im Euroraum darf auf günstigere Kredite hoffen: Zum achten Mal seit Juni 2024 senkt die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erneut mehr Aufträge in der Industrie - Experte: mögliche Trendwende
05.06.2025

In der deutschen Industrie mehren sich Hinweise auf ein Ende der Schwächephase. Im April haben die Industriebetriebe den zweiten Monat in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenboom trotz Pleitewirtschaft: Drei Konzerne täuschen die deutsche Stärke vor
05.06.2025

Während die deutsche Wirtschaft stagniert und die Industrie schwächelt, feiert die Börse Rekorde. Doch hinter dem Höhenflug stecken nur...

DWN
Technologie
Technologie Wenn die künstliche Intelligenz lügt: Wie Sie sich schützen und was KI-Versicherungen bringen?
05.06.2025

Chatbots erfinden Fakten, ruinieren Verträge und blamieren Konzerne – und die Industrie weiß: Das Problem ist nicht lösbar. Jetzt...

DWN
Politik
Politik Altersvorsorgedepot: Kommt die Frühstart-Rente? Zehn Euro pro Monat für jedes Kind geplant
05.06.2025

Die neue Regierung aus Union und SPD plant die Einführung einer Frühstart-Rente ab 2026. Laut Koalitionsvertrag sollen für jedes Kind...