Stiftung Warentest: Mehrheit der PKV-Tarife nicht empfehlenswert
Die private Krankenversicherung bietet nicht automatisch besseren Schutz im Krankheitsfall. Das zeigt das überraschende Ergebnis des großen Tests der Stiftung Warentest. Zwei von drei Tarifen haben entweder einen zu hohen Selbstbehalt oder gravierende Lücken – viele bieten nicht einmal das Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenkasse.
Wer sich in Deutschland privat krankenversichert, erhält Arzttermine oft in Rekordzeit. Das bestätigt eine repräsentative Civey-Umfrage* im Auftrag der Stiftung Warentest. Unter 5.000 befragten Versicherten gaben Privatpatienten fast doppelt so häufig wie Kassenpatienten an, zuletzt einen schnellen Facharzttermin erhalten zu haben. 58 Prozent der Privatpatienten bekamen ihren jüngsten Facharzttermin nach eigenen Angaben innerhalb eines Monats, bei den Kassenpatienten waren es nur 30 Prozent.
Großer PKV-Test: Viele Tarife fallen durch
Dennoch sollte die Wahl der privaten Krankenversicherung und des passenden Tarifs gut überlegt sein. Das zeigt der große PKV-Test der Stiftung Warentest. Von 1.245 untersuchten Tarifkombinationen empfiehlt die Stiftung Warentest lediglich 384.
Oft schlechter als gesetzliche Krankenversicherung
"Sehr viele PKV-Tarife weisen Lücken auf. Viele leisten sogar weniger als gesetzliche Krankenkassen", sagt Julia Bönisch, Vorständin der Stiftung Warentest. "Defizite gibt es bei zahlreichen Tarifen etwa in der Palliativpflege, bei ambulanter Psychotherapie oder bei digitalen Anwendungen wie Ernährungs-Apps." Nur ein knappes Drittel der getesteten Tarife bietet umfassenden Schutz. Hier lohnt sich ein genauer Vergleich: Der Unterschied zwischen dem günstigsten und dem teuersten Angestelltentarif auf der Empfehlungsliste beträgt über 400 Euro im Monat – obwohl beide das Qualitätsurteil "Sehr gut" erhalten haben.
Testleiter Julian Chudoba räumt mit einem Irrglauben auf: "Ein höherer Beitrag bedeutet nicht automatisch, dass mehr Risiken abgedeckt sind." Der Ökonom rät: "Wer sich für eine private Krankenversicherung entscheidet, sollte genau prüfen, ob wirklich ein Top-Tarif nötig ist. Die leistungsstärksten Tarife sind oft sehr teuer, doch der Preisaufschlag spiegelt nur selten den Umfang der zusätzlich abgesicherten Gesundheitsrisiken wider."
Private Krankenversicherung: Verlockend für Junge, teuer im Alter
Für viele junge Menschen scheint die private Krankenversicherung wegen der günstigen Tarife zu Beginn attraktiv. Doch mit zunehmendem Alter steigen die einkommensunabhängigen Beiträge stark an.
Vorständin Julia Bönisch warnt: "Die private Krankenversicherung kann zur existenzbedrohenden Kostenfalle werden. Wir empfehlen sie nur für Beamte uneingeschränkt, da der Staat einen Großteil der Kosten im Alter übernimmt. Angestellte und Selbstständige mit gutem Einkommen sollten genau abwägen, ob sie sich die enormen Beiträge auch langfristig leisten können."
Umfrage: Mehrheit zufrieden mit Gesundheitsversorgung
Egal ob gesetzlich oder privat versichert – die meisten Befragten sind mit ihrer Gesundheitsversorgung zufrieden. Auf die Frage "Wie bewerten Sie Ihre persönliche Gesundheitsversorgung?" antworteten 58 Prozent mit "sehr gut" oder "eher gut". 28 Prozent bewerteten ihre Versorgung als "eher schlecht" oder "sehr schlecht".
Welche PKV-Tarife die Stiftung Warentest empfiehlt, welche günstigen Tarife überzeugen und welche Fehler beim Antrag oft passieren, beantwortet die März-Ausgabe von Stiftung Warentest Finanzen sowie der PKV-Test.
*Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat für die Stiftung Warentest vom 10.01. bis 12.01.25 online 5.000 Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ab 18 Jahren befragt. Die Ergebnisse sind aufgrund von Quotierungen und Gewichtungen repräsentativ, unter Berücksichtigung des statistischen Fehlers von 2,5 Prozentpunkten beim jeweiligen Gesamtergebnis.