Dienstreisen als Risiko: Der Fall eines IT-Dienstleisters
Ein deutscher IT-Dienstleister hat einen wichtigen Großkunden in Frankreich. Sein bester Mitarbeiter, Herr Meier, reist regelmäßig nach Paris, um dort Projekte zu betreuen, Kunden zu beraten und Verträge vorzubereiten. Ein Hotelzimmer wird dabei oft als temporäres Büro genutzt. Alles scheint reibungslos zu laufen – bis Monate später ein Schreiben vom französischen Finanzamt eintrifft. Der Vorwurf? Das Unternehmen hat unbemerkt eine steuerpflichtige Betriebsstätte in Frankreich gegründet!
Gefahr der ungewollten Betriebsstätten-Gründung
Was zunächst wie eine harmlose Routine aus Dienstreisen und Kundenbesuchen wirkt, kann also unerwartete steuerliche Folgen haben. Tatsächlich unterschätzen viele Unternehmen „wie schnell eine steuerliche Betriebsstätte begründet werden kann“, so die Steuerexperten Ingo Todesco und Sina Estermaier vom Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG. Die Folgen können erheblich sein – wie im Fall von Herrn Meier. Dem IT-Dienstleister drohen nun Steuernachzahlungen, Nachforderungen zur Sozialversicherung und erheblicher bürokratischer Aufwand.
Doch nicht jede Tätigkeit führt automatisch zur Begründung einer Betriebsstätte. Laut den Steuerexperten ist entscheidend, ob eine Tätigkeit „als geschäftliche Präsenz im Ausland angesehen wird“. Die rechtlichen Vorgaben sind komplex, doch einige typische Szenarien erhöhen das Risiko erheblich.
Typische Szenarien, die zur Steuerfalle werden können
Viele Unternehmen gehen fälschlicherweise davon aus, dass sie erst ab einer Präsenz von mehr als 183 Tagen im Jahr steuerpflichtig werden. Doch das ist ein Missverständnis. Die 183-Tage-Regel gilt primär für die persönliche Einkommensteuerpflicht von Arbeitnehmern. Für Unternehmen reicht oft schon eine viel kürzere Präsenz, um eine Betriebsstätte zu begründen! In Frankreich kann bereits eine regelmäßig genutzte Arbeitsstätte, unabhängig von der Anzahl der Tage, zu steuerlichen Konsequenzen führen.
Auch der Arbeitsort spielt eine entscheidende Rolle. Wenn Mitarbeiter regelmäßig ein bestimmtes Hotelzimmer oder einen Co-Working-Space als Büro nutzen, kann dies unter Umständen als feste Geschäftseinrichtung gewertet werden. Entscheidend ist, dass die Räumlichkeiten über einen längeren Zeitraum hinweg für geschäftliche Tätigkeiten genutzt werden und somit eine gewisse Beständigkeit aufweisen.
Besonders riskant sind auch Geschäftsabschlüsse im Ausland – selbst wenn keine Büroräume existieren. Hier greift das Konzept der Vertreterbetriebsstätte: Wenn ein Unternehmen regelmäßig durch einen Vertreter im Ausland Geschäfte abschließt, wird dies steuerlich so behandelt, als hätte es eine Niederlassung im betreffenden Land.
Wie kann man eine ungewollte Betriebsstätte vermeiden?
Doch Unternehmen sind diesen Risiken nicht schutzlos ausgeliefert. Mit vorausschauender Planung und gezielten Maßnahmen lassen sich Steuerfallen vermeiden:
✅ Einsatzzeiten im Ausland begrenzen: Wer regelmäßig ins Ausland reist, sollte seine Aufenthalte genau dokumentieren. Bereits kürzere Präsenzen können ausreichen, um eine steuerliche Betriebsstätte zu begründen. Eine regelmäßige oder langfristige Tätigkeit vor Ort sollte daher vermieden oder strukturiert geplant werden.
✅ Keine festen Geschäftsräume nutzen: Ein Hotelzimmer oder Co-Working-Space darf nicht dauerhaft als Büro dienen. Der eigentliche Arbeitsplatz sollte immer in Deutschland bleiben.
✅ Geschäftsabschlüsse nur aus Deutschland heraus tätigen: Verträge sollten ausschließlich aus dem Heimatland heraus abgeschlossen werden – nicht durch Mitarbeiter vor Ort im Ausland.
✅ Gesetzliche Vorgaben im Blick behalten: Jedes Land hat eigene Regeln zur Betriebsstättenbesteuerung. Eine rechtzeitige steuerliche Beratung hilft, böse Überraschungen zu vermeiden.
✅ Lückenlose Dokumentation sicherstellen: Reiseprotokolle, Belege und Tätigkeitsnachweise sind essenziell, um im Zweifel nachweisen zu können, dass keine Betriebsstätte begründet wurde.
✅ Risikomanagement etablieren: Regelmäßige Überprüfungen potenzieller Steuerfallen und gezielte Schulungen der Mitarbeiter sorgen dafür, dass internationale Geschäftsreisen sicher und steuerrechtlich unbedenklich bleiben.
Wie sollte der IT-Dienstleister jetzt reagieren?
Für den IT-Dienstleister kommt es nun darauf an, schnell zu handeln. Eine steuerliche Beratung ist essenziell, um Klarheit über mögliche Nachzahlungen und Verpflichtungen zu erhalten. Es muss geprüft werden, ob tatsächlich eine Betriebsstätte vorliegt oder ob es Spielraum gibt, eine rückwirkende Anerkennung zu vermeiden. Falls Steuern fällig werden, sollten umgehend Verhandlungen mit den französischen Behörden geführt werden, um finanzielle Belastungen so gering wie möglich zu halten. Denn eines ist sicher: Untätigkeit kann teuer werden.