Politik

Stoppt Karlsruhe noch das Finanzpaket von CDU/SPD?

Union und SPD wollen noch im alten Bundestag milliardenschwere Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur beschließen. Doch mehrere Klagen stellen die Rechtmäßigkeit dieser Sondersitzungen infrage. Karlsruhe könnte das Vorhaben stoppen – mit weitreichenden Folgen für künftige Regierungsentscheidungen.
12.03.2025 14:25
Aktualisiert: 12.03.2025 14:25
Lesezeit: 3 min
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Stoppt Karlsruhe noch das Finanzpaket von CDU/SPD?
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, (l-r), Ulrich Maidowski, Doris König (Vorsitzende), Christine Langenfeld, Rhona Fetzer, Peter Frank. (Foto: dpa) Foto: Uli Deck

Stoppt Karlsruhe noch die Bundestag-Sondersitzungen?

Um Milliarden für Infrastruktur und Verteidigung zu bewilligen, soll der alte Bundestag noch zweimal zusammenkommen. Werden dadurch die Rechte der Abgeordneten verletzt? Berlin blickt nach Karlsruhe.

Die Pläne von Union und SPD, mit zusätzlichen Schulden ein milliardenschweres Verteidigungs- und Infrastrukturpaket zu finanzieren, hängen in der Schwebe. Ob sich im Bundestag eine Mehrheit findet, ist offen. Doch auch juristisch könnte das Vorhaben von höchster Stelle noch gestoppt werden.

Beim Bundesverfassungsgericht sind mehrere Anträge eingegangen, etwa von AfD und Linken. Sie richten sich gegen die beiden geplanten Sondersitzungen des alten Bundestags. Wann genau der Karlsruher Senat über die Anträge entscheidet, ist unklar. Laut Gericht ist eine Entscheidung jedoch vor dem 18. März zu erwarten. An diesem Tag soll die zweite Sondersitzung stattfinden.

Worum geht es?

Bei ihren Sondierungen für eine mögliche künftige Koalition hatten Union und SPD ein schuldenfinanziertes Sondervermögen für Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro sowie eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben vereinbart. Die Pläne erfordern Grundgesetzänderungen, für die in Bundestag und Bundesrat Zwei-Drittel-Mehrheiten notwendig sind.

Im neuen Bundestag – der spätestens am 25. März erstmals zusammentreten muss – käme eine solche Mehrheit nur mit Stimmen der Linken oder der AfD zustande. CDU, CSU und SPD wollen das Finanzpaket daher noch im alten Bundestag beschließen. Auf Verlangen ihrer Fraktionen hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) zu Sondersitzungen des alten Parlaments für diesen Donnerstag und den kommenden Dienstag eingeladen.

Wer klagt dagegen?

Beim Bundesverfassungsgericht sind mehrere Klagen gegen diese geplanten Sondersitzungen anhängig. Sowohl die AfD-Fraktion als auch die künftige Linksfraktion haben Organstreitverfahren beantragt und wollen mit Eilanträgen den Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen. Auch die fraktionslose Bundestagsabgeordnete Joana Cotar (ehemals AfD) sowie fünf AfD-Abgeordnete haben entsprechende Anträge gestellt. Dem Gericht zufolge liegt zudem eine Verfassungsbeschwerde in der Sache vor. Wer diese einreichte, blieb zunächst unklar.

Wie argumentiert die AfD?

In ihrem 85 Seiten langen Antrag an das Gericht führen die Anwälte der AfD-Fraktion aus, dass die Einberufung des alten Bundestags schon formal nichtig sei. Nach Artikel 39 Grundgesetz können Bundestagspräsidenten das Parlament zu Sondersitzungen einberufen, wenn ein Drittel der Abgeordneten dies verlangt. Die Bundestagspräsidentin hatte dies auf Verlangen der Fraktionen von Union und SPD getan, die zusammen mehr als ein Drittel der Abgeordneten stellen.

Die AfD argumentiert, dass Fraktionen an sich jedoch gar nicht befugt seien, ein Verlangen auf Einberufung des Bundestags nach Artikel 39 Grundgesetz zu stellen. Es müssten stattdessen konkrete, handschriftlich unterzeichnete Verlangen von mindestens einem Drittel aller Abgeordneten vorliegen.

Zudem habe der alte Bundestag nach Ansicht der AfD nicht mehr die demokratische Legitimation, um über so wichtige Dinge wie Verfassungsänderungen zu entscheiden, wenn ein neues Parlament mit anderen Mehrheiten längst gewählt sei. Jetzt noch den alten Bundestag einzuberufen, verletze die Rechte der neuen Abgeordneten.

Wie argumentiert die Linke?

Auch die Linke sieht eine Verletzung der Rechte neuer Abgeordneter. Juristisch argumentiert sie vereinfacht gesagt so: Sobald der Bundeswahlausschuss am Freitag das Ergebnis der Bundestagswahl offiziell feststellt, müsse sofort der neue Bundestag einberufen werden, wenn wirklich auf die Schnelle etwas zu entscheiden sei. Sondersitzungen des alten Parlaments seien dann nicht mehr zulässig.

Die Linke ist im alten Bundestag mit nur 28 Mandaten vertreten, im neuen hingegen mit 64. Künftig werden ihre Stimmen – oder jene der AfD – für Verfassungsänderungen gebraucht. Ihr politisches Ziel ist, mitzuentscheiden und die Schuldenbremse entweder ganz zu kippen oder zumindest umfassend zu reformieren. So soll dann auch mehr Geld in Infrastruktur fließen – das nach dem Wunsch der Linken dem Wohnungsbau, Gesundheitseinrichtungen und Schulen zugutekommen soll. Nur Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen, lehnt die Linke ab.

Was ist ein Organstreitverfahren?

Wenn es zwischen obersten Bundesorganen zu Streit über ihre Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz kommt, können Betroffene beim Bundesverfassungsgericht ein Organstreitverfahren beantragen. Auch einzelnen Bundestagsabgeordneten, Parteien oder Fraktionen steht diese Möglichkeit offen. Die Antragsteller müssen sich darauf berufen, dass ihre verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten durch ein anderes Bundesorgan verletzt oder gefährdet werden.

Was ist ein Eilantrag?

Bis das Bundesverfassungsgericht über eine Klage entscheidet, können oft Monate oder sogar Jahre vergehen. Wenn es schnell gehen muss, kann das Gericht auf Antrag jedoch auch einstweilige Anordnungen erlassen. Solche vorläufigen Regelungen sollen verhindern, dass Fakten geschaffen werden, die nicht mehr rückgängig zu machen wären, falls die Karlsruher Richterinnen und Richter später im Hauptverfahren anders entscheiden sollten. Mit einer solchen Anordnung hatte das Gericht 2023 etwa die Verabschiedung des umstrittenen Heizungsgesetzes im Bundestag gestoppt. Im Hauptverfahren steht eine Entscheidung darüber bis heute aus.

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