Bauzinsen steigen: Sondervermögen nimmt Zinsentwicklungen voraus
Zusätzliche Schulden in dreistelliger Milliardenhöhe, das Sondervermögen für Infrastruktur, ist gerade erst beschlossene Sache, ebenso die Reform der Schuldenbremse. Allerdings reichten bereits die Pläne zu diesem riesigen Schuldenpaket bei den Sondierungsgesprächen zwischen CDU und SPD aus, um ein massives Erdbeben an den Zinsmärkten auszulösen. Die potenziellen zusätzlichen Schulden in Höhe von hunderten Milliarden Euro sind nach Ansicht von Wirtschaftsexperten und Ratingagenturen tragbar für Deutschland. Aber sie belasten natürlich den Staatshaushalt und alleine die Aussicht auf die Realisierung dieser Schulden bedeutet heute schon eine zusätzliche Zinsbelastung für die Immobilienkäufer.
Die geplante Neuverschuldung hatte zunächst einmal Effekte bei den Staatsanleihen. In dem Moment, als das Schuldenpaket offiziell als Maßnahme in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, sprangen die 10-jährigen Renditen für Staatsanleihen um bis zu 0,4 Prozent in die Höhe. Einen derartig schnellen Anstieg hat es bei den Bundesanleihen in über dreißig Jahren nicht mehr gegeben.
Die Baufinanzierer der Banken orientieren sich mit ihren Hypothekenzinsen an der Entwicklung der Renditen für Bundesanleihen, und deshalb war hier in der vergangenen Woche ebenfalls bereits ein spürbarer Anstieg zu verzeichnen. Insgesamt 0,33 Prozent stiegen die Zinssätze für Baufinanzierungen, wie die Unternehmensberatung Barkow Consulting ermittelte. Damit wurde der höchste Wochenanstieg seit der großen Finanzkrise vor mittlerweile 18 Jahren realisiert. 3,69 Prozent müssen die Häuslebauer jetzt für Baugeld mit zehnjähriger Zinsbindung zahlen. Wie das Handelsblatt berichtete, hat die ING-Bank die Zinsen für Baufinanzierungen sofort um 0,5 Prozentpunkte heraufgeschraubt. Für einen Baukredit mit 30-jähriger Laufzeit in Höhe von 100.000 Euro werden damit insgesamt satte 10.000 Euro Extrazinsen fällig.
Neue Staatsanleihen finden Käufer nur mit höherer Verzinsung
Die plötzlichen Zinsanstiege beruhen auf der Annahme, dass eine mögliche schwarz-rote Koalition zur Realisierung des Sondervermögens sehr viel mehr Staatsanleihen ausgeben wird. Damit diese jedoch Käufer am Markt finden, muss der Staat dann auch attraktive, höhere Zinsen dafür anbieten. Sowohl der Anleihemarkt als auch die Banken nehmen diese Entwicklung bereits jetzt vorweg, obwohl die Neuverschuldung noch gar nicht beschlossen ist und der Bundestag noch nicht darüber beraten hat. Bundesanleihen bringen aktuell eine Rendite von 2,8 Prozent. Dieser lag um ein Vielfaches höher vor der Niedrigzinsphase, die durch die weltweite Finanzkrise ausgelöst wurde.
Mit den knapp 3,7 Prozent nach dem plötzlichen Zinssprung ist das Zinsniveau in Deutschland allerdings im internationalen und auch im langfristigen Kontext immer noch relativ gut. In den Phasen der Zinserhöhungen durch die EZB stiegen die Zinsen für Baufinanzierungen bereits einmal auf über 4 Prozent. Allerdings kommt auch der Kreditvermittler Interhyp in einer eigenen Studie zu dem Schluss, dass die Kosten für Finanzierungen mittelfristig nach oben gehen werden. Er sieht die Zinskosten bis zum Jahresende bis auf die 4-Prozent-Marke steigen und geht von einem andauernden volatilen Zinsumfeld aus.
Bauzinsen steigen: Keine guten Nachrichten für die Baubranche
Durch das Sondervermögen soll in erster Hinsicht die wirtschaftliche Entwicklung im Land wieder in die Gänge kommen. Und auch wenn Ratingagenturen und Wirtschaftsexperten die geplante Neuverschuldung nicht als Gefahr für Deutschland einschätzen und die Top-Bonität Deutschlands nicht in Gefahr sehen, so geht diese doch mit steigenden Zinsen einher – sowohl für den Staatshaushalt als auch für Unternehmen und private Haushalte unter anderem bei der Finanzierung ihrer Bauvorhaben.
Die aktuell sowieso schon stark angeschlagene Baubranche wird dadurch weiter gebeutelt. Höhere Zinsen für Bauvorhaben bedeuten weniger Aufträge, weniger Aufträge in der Baubranche wirken sich wiederum negativ auf die gesamte konjunkturelle Entwicklung im Land aus. Damit bremst sich der geplante Effekt des Sondervermögens auf die deutsche Wirtschaft in gewisser Hinsicht selbst aus.
Renditen der Staatsanleihen sind entscheidend
Bauherren und Immobilienkäufer bekommen die negativen Auswirkungen also schon jetzt zu spüren. Und dabei hatte die Europäische Zentralbank doch gerade erst den Leitzins erneut gesenkt, auf jetzt 2,5 Prozent. Das Problem bei diesen gegenläufigen Entwicklungen ist der Umstand, dass sich Darlehen für Immobilien eben nicht an diesen kurzfristigen Zinsentwicklungen bei der EZB orientieren, sondern vielmehr an den langfristigen Renditen der deutschen Staatsanleihen.
Die Bundesanleihen bestimmen weitgehend die Konditionen, zu denen sich die Banken mit frischem Geld am Finanzmarkt versorgen können. Und die geplante Neuverschuldung in Deutschland wird eben jetzt schon in den Zinsentwicklungen vorweggenommen. Wie Professor Steffen Sebastian, der an der Universität Regensburg Immobilienfinanzierung lehrt, ausführte, ist in ganz Europa mit einem höheren Finanzbedarf der Staaten zu rechnen. Dies führt zu einer höheren, erwarteten Inflation und lässt damit die Renditen steigen. Die wirtschaftliche Unsicherheit wird seiner Meinung nach auch durch die neue US-Regierung unter Donald Trump weiter geschürt.
Entwicklung der Kaufpreise für Immobilien ungewiss
Wie sich die Kaufpreise im Immobilienmarkt entwickeln werden, ist bei dieser Gemengelage nach Professor Sebastian noch nicht klar. Nachdem die Zinsen seit Mitte 2022 stark angestiegen waren, löste dies den stärksten Preisverfall auf dem Immobilienmarkt aus, den wir in Deutschland seit Jahrzehnten gesehen haben. Da die Zinsen auf Immobilienkredite jedoch im abgelaufenen Jahr wieder gefallen sind, hat sich der Markt wieder stabilisiert. Zum Ablauf des vergangenen Jahres waren dann Immobilien wieder teurer als im Vorjahr.
Fraglich ist, ob die Immobilienpreise jetzt auch wieder deutlich nachgeben werden, wenn die Zinsen für Immobilienkredite steigen. Dies sieht Professor Sebastian für Neubauten erst einmal nicht. Das geplante Sondervermögen soll auch in den Bau öffentlicher Strukturen wie Krankenhäuser, Schulen und Kitas fließen. Damit wird auch Arbeitskraft, Material und Maschinen gebunden und beeinflusst die Preise, so Sebastian weiter.
Bestandsimmobilien könnten jedoch einen Preisdruck erfahren. Da jedoch insbesondere in den Ballungsräumen massiv Wohnraum fehlt und die Zahl der Baugenehmigungen ein historisches Tief erreicht hat, ist auch diese Entwicklung unsicher. Sebastian glaubt insgesamt weniger an fallende Preise, vielmehr an steigende Zinsen und rät dazu, ein bereits anvisiertes Immobilienobjekt lieber jetzt zu kaufen und nicht abzuwarten.