Wirtschaft

Deutsche Wirtschaft: Verbände fordern dringenden Kurswechsel der Koalition

Bitte kein "Weiter-so"! Mit Unmut blicken deutsche Wirtschafts- und Industrieverbände auf das, was die noch namenlose Koalition aus Union und SPD gerade für ihre Regierungszeit plant. Denn sie sehen dringenden Reformbedarf, der sich in den Koalitionsverhandlungen allerdings wenig niederschlägt. 100 Verbände haben daher die folgende Erklärung unterzeichnet.
02.04.2025 09:58
Aktualisiert: 02.04.2025 09:58
Lesezeit: 3 min
Deutsche Wirtschaft: Verbände fordern dringenden Kurswechsel der Koalition
Baustelle Deutschland: Die deutschen Wirtschafts- und Industrieverbände sehen dringenden Reformbedarf. Kann die Koalition liefern? (Foto: dpa) Foto: Jan Woitas

Erklärung der deutschen Wirtschaft zu den Koalitionsverhandlungen

Die deutsche Wirtschaft ist besorgt. Mehr als einhundert Verbände appellieren in einer gemeinsamen Erklärung an die Koalitionäre, die Wirtschaft in den Verhandlungen stärker in den Fokus zu rücken. In den vergangenen Wochen hat sich die wirtschaftliche Lage dramatisch zugespitzt. Handelskonflikte eskalieren, die Inflation steigt, das Wachstum schwächt sich weiter ab – überall verdichten sich die Krisensignale. Inzwischen hat die Arbeitslosigkeit die Drei-Millionen-Marke erreicht.

Deutschland in der Rezession

Während die Weltwirtschaft beständig wächst, verharrt Deutschland in der Rezession. Unternehmen und Betriebe geraten im Standortwettbewerb zunehmend ins Hintertreffen. Unser Land verliert an wirtschaftlicher Stärke. Stärke, die Deutschland benötigt, um seinen Wohlstand, seinen sozialen Zusammenhalt und seine Sicherheit zu gewährleisten. Die Fakten sind unbestreitbar: Deutschland steckt in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass diese Krise vor allem hausgemacht ist. Deutschland hat nicht nur vorübergehende, konjunkturelle, sondern insbesondere strukturelle Probleme.

Koalition ignoriert wirtschaftliche Herausforderungen

Doch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen zeigen sich von diesen Entwicklungen anscheinend unbeeindruckt. Ihre bisherigen Zwischenergebnisse sind unzureichend und werden der sich zuspitzenden Lage in den Unternehmen und Betrieben nicht gerecht. Was bislang vorliegt, ignoriert in vielen Bereichen die wachsenden wirtschaftlichen Herausforderungen. Eines steht fest: Schulden allein lösen keine Probleme. Ohne tiefgreifende Reformen wird es keinen nachhaltigen Aufschwung geben. Nur durch neues wirtschaftliches Wachstum können Arbeits- und Ausbildungsplätze gesichert werden. Jetzt ist daher entschlossenes Handeln erforderlich.

Mehr Wachstum nötig

Es darf in den Koalitionsverhandlungen nicht um symbolische Erfolge gehen. Entscheidend ist vielmehr, für unser Land die Weichen für mehr Wachstum und Beschäftigung zu stellen. Vor allem in den folgenden Bereichen muss ein Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD deutlich mehr Ambitionen zeigen, als die bisherigen Zwischenstände erwarten lassen:

Weniger Steuern

Deutschland nimmt bei der Höhe der Steuerbelastung für Unternehmen und Betriebe mit etwa dreißig Prozent international eine Spitzenposition ein, was sich zu einem erheblichen Standortnachteil entwickelt hat. Die Steuerbelastung der Unternehmen und Betriebe muss spürbar reduziert werden. Ziel muss es sein, die derzeitige Steuerbelastung der Unternehmen – zumindest schrittweise – auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von maximal fünfundzwanzig Prozent abzusenken.

Soziale Sicherungssysteme reformieren

Die sozialen Sicherungssysteme müssen dringend reformiert werden, um sie finanzierbar, zukunftsfest und generationengerecht zu gestalten. Für die Unternehmen und insbesondere lohnintensive Betriebe bedeuten steigende Beitragssätze eine zusätzliche Belastung und eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit. Bei den Beschäftigten führen sie zu weniger Netto vom Brutto.

Bürokratie abbauen

Der deutsche Staat muss schneller und effizienter werden. Die künftigen Koalitionspartner müssen dem Abbau von Bürokratielasten für die Wirtschaft höchste Priorität einräumen. Berichts- und Dokumentationspflichten sind systematisch abzubauen. Auch zeitraubende und umständliche Planungs- und Genehmigungsverfahren verhindern Investitionen und bremsen Innovationen in der Wirtschaft. Sämtliche Verfahren sind über alle Fachgesetze hinweg zu vereinfachen und zu verkürzen.

Energiekosten senken

Hohe Energiekosten sind zu einem wesentlichen Wettbewerbsnachteil der deutschen Wirtschaft geworden. Der Standort Deutschland braucht daher wieder international konkurrenzfähige Energiepreise (Strom, Gas, Wasserstoff) und mehr Versorgungssicherheit. Neben kurzfristigen Maßnahmen zur finanziellen Entlastung der Energieverbraucher sind zudem massive strukturelle Reformen erforderlich, um die Energiekosten dauerhaft zu senken.

Standort attraktiver machen

Nur wirtschaftliches Wachstum sichert Arbeitsplätze und den sozialen Zusammenhalt. CDU, CSU und SPD müssen sich jetzt für wirksame, strukturelle Reformen entscheiden. Der Standort Deutschland muss dringend wieder attraktiver werden – für Investitionen, für Innovationen und für all jene, die mit unternehmerischem Mut Verantwortung übernehmen.

Unternehmertum stärken

Es muss sich lohnen, in diesem Land ein Unternehmen zu führen. Wenn die künftige Bundesregierung das nicht schnell und konsequent ermöglicht, wird sich der wirtschaftliche Abschwung in den kommenden Jahren nicht mehr aufhalten lassen.

Unterzeichner: einhundert Verbände unter der Koordination von Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Technologie
Technologie Fahrerlose Taxis in Hessen: Chinesische Technik, deutscher Pilotbetrieb
01.06.2025

In Deutschland startet das erste Pilotprojekt für autonome Taxis: Ohne Fahrer, aber mit Überwachung aus der Ferne. Ein Modell mit...

DWN
Technologie
Technologie Goldrausch 2.0: Wie Google KI neu definiert – und Europa zuschaut
01.06.2025

Google I/O 2025 bietet einen tiefen Einblick in die nächste Ära der Künstlichen Intelligenz – von echten 3D-Videocalls bis hin zu...

DWN
Panorama
Panorama Nur noch fünf Minuten: Schlummertaste in Deutschland beliebt
01.06.2025

Mit der Schlummertaste kann man das Aufstehen verzögern. Ärzte raten davon ab, aber die Praxis ist gerade in Deutschland gängig....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...