Politik

Digitale Gesundheitsakte: Fortschritt mit Risiken

Mit dem Start der elektronischen Patientenakte (ePA) wird der digitale Wandel im Gesundheitswesen in Deutschland konkret spürbar. Seit dem 29. April 2025 können Praxen, Apotheken und Kliniken auf die ePA zugreifen – sofern Patientinnen und Patienten nicht zuvor widersprochen haben. Ein Überblick über den aktuellen Stand, Chancen und Einschränkungen.
29.04.2025 11:21
Aktualisiert: 29.04.2025 11:21
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Reduktion der Zettelwirtschaft

Für viele Patientinnen und Patienten bedeutet die ePA eine lang erwartete Erleichterung: Statt Arztbriefe, Laborwerte oder OP-Berichte von Praxis zu Praxis tragen zu müssen, sollen relevante Gesundheitsinformationen künftig zentral und digital verfügbar sein. Gerade bei komplexen Krankheitsverläufen verspricht das System mehr Übersichtlichkeit und weniger Bürokratie.

Startschuss für die neue Akte

Mit dem bundesweiten Rollout am 29. April beginnt offiziell die Hochlaufphase. Die gesetzlichen Krankenkassen haben zu Jahresbeginn für alle Versicherten automatisch eine ePA angelegt – sofern diese der Nutzung nicht aktiv widersprochen haben. Der Zugriff auf die Akte ist ausschließlich für Ärztinnen, Ärzte, Apotheken und andere Gesundheitsdienstleister vorgesehen – und nur im Rahmen einer konkreten Behandlung zulässig.

„Viele Menschen haben die Vorstellung, dass der Arbeitgeber, die Krankenkasse oder andere Versicherungen auf die ePA zugreifen könnten“, berichtet Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Solche Sorgen seien unbegründet: „Es ist gesetzlich geregelt, dass nur im Rahmen der Versorgung auf die Daten zugegriffen werden darf.“

Begrenzte Inhalte zum Start

Auch wenn die App zur ePA bereits installiert ist, bedeutet das nicht automatisch, dass alle bisherigen medizinischen Unterlagen sofort verfügbar sind. „Grundsätzlich werden nur Dokumente eingestellt, die in einem aktuellen Behandlungszusammenhang entstehen“, erklärt Wolter. Frühere Befunde oder Arztbriefe erscheinen also nicht automatisch in der Akte.

Eine der ersten Funktionen ist jedoch die Medikationsliste: Hier können Versicherte nachvollziehen, welche Arzneimittel zuletzt verschrieben und eingelöst wurden. Diese Information hilft Ärztinnen und Ärzten dabei, Wechselwirkungen besser zu erkennen und Verordnungen sinnvoll abzustimmen.

Teilweise können auch bereits Abrechnungsdaten der Krankenkassen eingesehen werden – je nachdem, wie schnell die jeweilige Kasse diese bereitstellt. „Viele finden gut, dass sie erstmals nachvollziehen können, was zwischen Arzt und Kasse abgerechnet wurde“, so Wolter.

Eigene Dokumente einpflegen

Die ePA ermöglicht es Nutzerinnen und Nutzern, selbst Dokumente hinzuzufügen. In vielen Apps reicht es aus, ein Dokument per Smartphone-Kamera zu fotografieren und hochzuladen. Damit dabei die Übersicht gewahrt bleibt, empfiehlt Wolter eine klare Benennung der Dateien: „Am besten gibt man Titel, Datum und behandelnde Person an – denn eine Volltextsuche gibt es aktuell nicht.“

Einstellungen zu Zugriffsrechten

Ohne eigene Einstellungen gelten voreingestellte Zugriffsrechte. Arztpraxen können im Zusammenhang mit einer Behandlung für 90 Tage auf die ePA zugreifen, Apotheken für drei Tage. Diese Zeiträume lassen sich individuell anpassen – etwa auf einen einzigen Behandlungstag.

Alle Zugriffe werden dokumentiert. Die App bietet ein Protokoll mit Datum und Uhrzeit, sodass Patientinnen und Patienten nachvollziehen können, wer wann welche Daten eingesehen hat.

Umgang mit sensiblen Informationen

Besondere Vorsicht gilt bei sensiblen Gesundheitsdaten, etwa zu psychischen Erkrankungen, HIV-Infektionen oder Schwangerschaftsabbrüchen. Einzelne Dokumente können in der ePA verborgen werden – allerdings sind sie dann für keine behandelnde Stelle mehr sichtbar, sondern ausschließlich für die Betroffenen selbst.

Ein gezieltes Ausblenden einzelner Informationen nur für bestimmte Ärztinnen oder Ärzte ist technisch (noch) nicht möglich. „Wer auf Nummer sicher gehen will, kann sensible Dokumente vor dem Arztbesuch verbergen und danach wieder freigeben“, erklärt Wolter. Zudem besteht bei sensiblen Diagnosen die Möglichkeit, dem Hochladen in die ePA direkt beim Arztbesuch zu widersprechen – eine Pflicht zur Aufklärung darüber besteht.

Langsame Befüllung trotz Start

Zwar ist die ePA offiziell gestartet, doch viele Einrichtungen beteiligen sich noch nicht aktiv an der digitalen Dokumentenübermittlung. Erst ab dem 1. Oktober 2025 soll eine verbindliche Pflicht für Ärztinnen, Ärzte und andere Leistungserbringer gelten, relevante Unterlagen in die ePA einzustellen.

Bis dahin ist mit einer eher langsamen Befüllung zu rechnen. „Viele Praxen befinden sich technisch noch im Aufbau – deshalb passiert in den nächsten Wochen bei vielen Nutzerinnen und Nutzern vermutlich wenig“, schätzt Wolter.

Es gibt aber auch Ausnahmen: Wer bereits eine digitale affine Praxis oder Klinik besucht, kann schon bald erste Laborwerte oder Arztbriefe digital einsehen. Die Geschwindigkeit des Aufbaus hängt stark von der technischen Ausstattung und Motivation der jeweiligen Einrichtung ab.

Fazit: Zwischen Hoffnung und Hürden

Die elektronische Patientenakte bietet langfristig die Chance auf mehr Transparenz, Effizienz und Sicherheit im Gesundheitswesen. Noch ist sie für viele jedoch eher ein leeres Gerüst als ein aktiver Gesundheitsordner. Technische Infrastruktur, rechtliche Feinabstimmungen und der verantwortungsvolle Umgang mit Daten werden darüber entscheiden, ob die ePA tatsächlich zum Fortschrittsmotor oder zur Datenfalle wird.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Deutschland: Rechtsextreme Straftaten junger Menschen nehmen stark zu
11.10.2025

Die Behörden registrieren mehr als doppelt so viele rechtsextreme Delikte junger Menschen wie noch 2020. Die Bundesregierung sieht neue...

DWN
Technologie
Technologie Cyberangriffe in der EU: Die meisten Angriffe sind ideologisch motiviert
11.10.2025

Die neue ENISA-Analyse zeigt: 80 Prozent aller Cyberangriffe in der EU sind ideologisch motiviert. Hinter den Attacken stehen zunehmend...

DWN
Politik
Politik Trumps Fed-Vertreter: Zölle eröffnen Spielraum für Zinssenkungen
10.10.2025

Während die US-Notenbank über das richtige Tempo bei Zinssenkungen ringt, verlangt Trumps neuer Fed-Mann Stephen Miran eine radikale...

DWN
Finanzen
Finanzen Politik frisst Rendite: Wer nicht aufpasst, verliert
10.10.2025

Vom Kreml bis Washington mischt sich die Politik zunehmend in die Märkte ein. Während Trumps Wirtschaftsnationalismus neue Gewinner...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Start-up: Die Blaupause – der Siegeszug der LAP-Coffee-Shops
10.10.2025

In nur zwei Jahren hat die Marke LAP zwanzig Coffee-Shops in Deutschland eröffnet. Mit Preisen bis zu unter zwei Euro lockt das Start-up...

DWN
Finanzen
Finanzen BASF-Aktie höher: BASF verkauft Lack-Sparte an US-Finanzinvestor Carlyle
10.10.2025

BASF verkauft seine Lack-Sparte an Carlyle – ein Milliarden-Deal, der den Chemieriesen neu ausrichtet. Doch wie wirkt sich das auf den...

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis fällt wegen Überangebots: Markt sieht den Ölpreis bei 50 US-Dollar pro Barrel
10.10.2025

Die OPEC-Staaten drehen den Ölhahn wieder auf und der Ölpreis droht sich zu halbieren. Saudi-Arabien kämpft um Marktanteile, während...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflationsindexierte Anleihen: Wann Staatsanleihen schützen und wann sie riskant werden
10.10.2025

Steigende Zinsen machen Staatsanleihen riskant. Inflationsindexierte Anleihen bieten dagegen realen Schutz und könnten jetzt zu einer der...