Politik

Rentenbeiträge und Krankenkasse: Sozialabgaben werden weiter steigen

Gerade bei der Rente hat die kommende Merz-Regierung ambitionierte Pläne. Doch gemeinsam mit den Krankenkassenbeiträgen droht Arbeitnehmern eine erdrückende Last der Sozialabgaben. Die Details.
25.04.2025 15:58
Aktualisiert: 25.04.2025 16:00
Lesezeit: 4 min
Rentenbeiträge und Krankenkasse: Sozialabgaben werden weiter steigen
Um die REntenpläne der GroKo zu sichern, müssen wohl die Sozialabgaben steigen. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Sozialabgaben steigen und belasten die Wirtschaft

Der Koalitionsvertrag, auf den sich CDU und SPD geeinigt haben, umfasst eine Reihe von sozialpolitischen Maßnahmen, die insbesondere die Absicherung der Renten betreffen. Doch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnt vor gravierenden Problemen bei der Finanzierung der Vorhaben, die für die arbeitende Bevölkerung zu zusätzlichen Belastungen führen können.

Wie Jochen Pimpertz vom IW weiter ausführte, müssen Erwerbstätige und Arbeitgeber bereits heute 42,3 Prozent des Einkommens für die Sozialabgaben aufbringen und ein weiterer Anstieg auf 46 Prozent ist schon in Sicht. Das reduziert das verfügbare Einkommen der Beschäftigten und bedeutet auch für Unternehmen eine zusätzliche Belastung, da sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beiträge teilen.

Mit den Plänen der kommenden Regierung werden insbesondere die Renten- und Krankenkassenbeiträge steigen müssen – und zu einer zusätzlichen Abgabenlast werden. Wie Pimpertz erklärte, wollen die Regierungsparteien bei der Rente vom bisherigen Grundsatzprinzip der weitgehenden Finanzierung durch die Beiträge abweichen. Die steigenden Gesundheitskosten belasten zusätzlich die Krankenkassen, die ebenfalls einen Finanzierungsbedarf haben.

Rentenpläne werden zum zentralen Kostenfaktor der Staatsfinanzen

Die Koalitionsparteien haben sich zum Ziel gesetzt, das Rentenniveau bis 2031 auf 48 Prozent des Durchschnittslohns zu stabilisieren. Dies gilt für die reguläre Rente nach 45 Beitragsjahren. Damit würden dann auch die Renten entsprechend der Lohnentwicklung steigen. Aufgrund der demografischen Entwicklung und der weiteren Alterung der Gesellschaft bedeutet dies allerdings Mehrausgaben in Milliardenhöhe, die dann aus Steuermitteln finanziert werden sollen.

Auch ist geplant, die Mütterrente deutlich zu verbessern, was ebenfalls aus Steuergeldern finanziert werden soll. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen will die künftige Regierung auch eine sogenannte Aktivrente für ältere Arbeitnehmer einführen und Anreize für eine weitere Beschäftigung im Rentenalter schaffen. Hier sollen dann Arbeitseinkommen bis zu 2000 Euro steuerfrei bleiben. Ferner soll eine „Frühstartrente“ geschaffen werden, bei der für Minderjährige ab 6 Jahren 10 Euro monatlich in ein Depot eingezahlt werden.

Arbeitgeber protestieren gegen Rentenpläne der Koalitionsparteien

Wie die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände vorgerechnet hat, werden die Rentenpläne der neuen Regierung bis 2031 umgerechnet 50 Milliarden Euro zusätzlich verschlingen. Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter kritisiert die hierfür festgeschriebenen Pläne im Koalitionsvertrag, da aus seiner Sicht keinerlei Anstrengungen unternommen wurden, das Ausgabenwachstum in der Rentenversicherung zu begrenzen. Laut Kampeter könne dies dazu führen, dass bereits in dieser Regierungsperiode deshalb der Beitrag zur Rentenversicherung von derzeit 18,6 Prozent auf über 20 Prozent steigen muss.

Auch die Beiträge zur Krankenversicherung müssen steigen

Auch bei den Krankenversicherungen ist die Finanzlage kritisch, da die Bundesregierung die Kassen während der Corona-Krise verpflichtet hat, Finanzreserven aufzulösen, um eine Steigerung der Krankenkassenbeiträge zu vermeiden. Nach Aussage des Instituts für deutsche Wirtschaft fehlen nun die Geldmittel, um einen weiteren Anstieg der Beitragssätze zu verhindern. Obwohl sich die Koalitionsparteien in ihrem Koalitionsvertrag dazu verpflichtet haben, die Kassenbeiträge langfristig zu stabilisieren, sind die Maßnahmen zur Umsetzung noch offen. Lediglich eine Strategie aus strukturellen Maßnahmen und kurzfristigen Anpassungen ist festgeschrieben. Wie diese aussehen sollen, ist jedoch nicht konkret festgeschrieben.

Was passiert mit der Wirtschaft?

Das Institut der deutschen Wirtschaft kritisiert, dass die Koalitionsvereinbarungen ein konkretes Maßnahmenpaket zur Bewältigung der steigenden Finanzprobleme bei den Sozialausgaben vermissen lassen. Jochen Pimpertz vom IW befürchtet deshalb, dass sich steigende Sozialabgaben in naher Zukunft nicht vermeiden lassen werden und bezeichnet sie als Hypothek für das in Deutschland dringend benötigte Wirtschaftswachstum. Seiner Meinung nach könnte dies in eine Negativspirale münden, wenn eine weiterhin schwache wirtschaftliche Entwicklung dazu führt, dass das Wachstum beitragspflichtiger Einkommen geringer ausfällt als die Ausgabenentwicklung.

Die Pläne der Koalition sollen durch eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, eine hohe Beschäftigungsquote und eine angemessene Lohnentwicklung finanziert werden, heißt es im Koalitionspapier. Auch hier ist das IW skeptisch und hält das Vorhaben, insbesondere die teuren Rentenpläne durch Wachstum, um höhere Beschäftigung zu finanzieren, für schwierig.

Union bremst bereits die Erwartungen

Auch CDU-Mann Torsten Frei, der für die Union den Koalitionsvertrag verhandelt hat, bremst die Erwartungen an die Sozialversicherungssysteme. Er kündigte bereits einige Tage nach den Koalitionsverhandlungen deutliche Einschnitte für das deutsche Sozialversicherungssystem an. Frei sprach von unangenehmen Entscheidungen, die getroffen werden müssen und sieht Rente, Pflege und Gesundheit als größte Herausforderung. Er erklärte auch, dass durch die Mehrausgaben für die Verteidigung zwangsläufig andere Ausgaben gekürzt werden müssten. Dies sollte offen kommuniziert werden und den Bürgern erklärt werden. Insbesondere auch aufgrund des demografischen Wandels in der Gesellschaft sei dabei auch eine veränderte Prioritätensetzung notwendig.

FDP kritisiert Rentenvorhaben im Koalitionsvertrag

Auch den Reihen der FDP wird umfassende Kritik an den Rentenplänen im Koalitionsvertrag laut. Der FDP-Politiker Johannes Vogel spricht dabei sogar von einer Verschleppung einer dringend notwendigen Rentenreform, die für all diejenigen, die das Rentensystem noch lange finanzieren müssen, eine herbe Enttäuschung ist. Wie er ausführte, wird der demografische Wandel die Sozialversicherungssysteme in Deutschland in den kommenden Jahren massiv unter Druck setzen. Deshalb wäre eine grundlegende Rentenreform absolut notwendig. Die Rentenpläne der Koalitionsparteien stünden aber für ein „Weiter so“. Vogel führt weiter aus, dass die Rentenpläne zu drei grundlegenden Problemen führen werden:

Die junge Generation wird überfordert

Durch die Weiterführung des überalterten Rentensystems werden die Beiträge für die junge Generation immer weiter steigen. Nach Ansicht Vogels sind bereits heute die Abgaben an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bei den Einkommen zu hoch. Auch zeigt sich eine eindeutige Entwicklung am Arbeitsmarkt. In den kommenden 10 Jahren werden über vier Millionen Menschen mehr in Rente gehen als junge Erwerbstätige neu in den Arbeitsmarkt einsteigen werden. Hierdurch wird sich der Bestand an Vollzeitbeschäftigten um ca. 10 Prozent verringern. Das ist bei den Rentenplänen der Koalitionspartner überhaupt nicht berücksichtigt. Wenn allerdings immer weniger Menschen in das Rentensystem einzahlen und immer mehr Menschen Leistungen aus diesem System beziehen, bleibt die Frage, wer das dann bezahlen soll.

Keine Reformstrategie in Sicht

Kapitalgedeckte Rentenmodelle sind in anderen Ländern schon seit langer Zeit erfolgreich, wie beispielsweise in Schweden. In Deutschland hingegen fehlt ein grundlegender Reformwille und es werden keine Ideen diskutiert, wie die Sozialsysteme zukunftsfähig gemacht werden können, kritisiert Vogel weiter. Vogel, der das Modell der Aktienrente mitentwickelt hat, hält langfristig eine stark kapitalgedeckte Rente für ein alternativloses Szenario. Bei der Aktienrente wird ein Teil der Rentenversicherungsbeiträge in breiter Streuung am Kapitalmarkt angelegt, um einen ansonsten unausweichlichen Beitragsanstieg einzudämmen.

Private Vorsorge wird bestraft

Wie Vogel weiter ausführte, denkt die Koalition auch darüber nach private Vorsorgemaßnahmen zu bestrafen, statt sie zu stärken. So werde derzeit überlegt, eine aktienbasierte Altersvorsorge zusätzlich zu besteuern. Laut Vogel gehen diese Überlegungen in die vollkommen falsche Richtung, da junge Menschen, die eigenverantwortlich vorsorgen wollen, dafür dann finanziell bestraft werden. Seiner Meinung nach braucht es in Deutschland eine zukunftsorientierte Rentenpolitik, die den demografischen Entwicklungen gerecht wird und die auch die Eigenvorsorge fördert. Aus Sicht der FDP gehen die Pläne der kommenden Groko jedoch genau in die umgekehrte Richtung. Dies wird gravierende Folgen für die kommenden Generationen haben und die Leistungsfähigkeit des deutschen Sozialstaates spürbar beeinträchtigen.

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