Rechtslage zu pflanzlichen Stoffen unklar
Ob Melonensaftextrakt gegen Müdigkeit, Ginkgo für das Gedächtnis oder Johanniskraut bei schlechter Stimmung: Im boomenden Markt der Nahrungsergänzungsmittel gelten künftig strengere Vorgaben, welche Werbebotschaften zulässig sind. Laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs sind gesundheitsbezogene Aussagen zu pflanzlichen Inhaltsstoffen – sogenannten Botanicals – bis auf Weiteres untersagt, sofern sie nicht offiziell geprüft wurden. Das Urteil betrifft Hersteller wie Konsumenten.
Zwar gibt es eine EU-weite Liste, die gesundheitsbezogene Angaben erlaubt. Bei Vitaminen und Mineralstoffen ist der Ablauf eindeutig: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) überprüft Aussagen und legt Richtwerte fest. So wird beispielsweise definiert, wann die Aussage erlaubt ist, dass Biotin eine normale Funktion des Nervensystems unterstützt. Hersteller und Kunden können sich daran orientieren.
Für Botanicals jedoch hat die Efsa viele Anträge mit gesundheitsbezogenen Aussagen zurückgewiesen – unter anderem wegen mangelnder wissenschaftlicher Nachweise. Schon 2010 stoppte die EU-Kommission die Bewertung entsprechender Angaben. Daraus sei ein juristisch unscharfer Bereich entstanden, so Verbraucherschützer, in dem mit teils irreführenden Werbeversprechen gearbeitet werde.
Melonen- und Safranextrakte in der Kritik
Konkret betraf der Fall die Hamburger Firma Novel Nutriology, die ein Präparat bewarb, das angeblich stimmungsaufhellenden Safranextrakt und Melonensaftextrakt gegen Erschöpfung und Stress enthalte. Der Verband Sozialer Wettbewerb sah darin eine nicht zulässige gesundheitsbezogene Aussage – und reichte Klage ein. "Selbst wenn einige Inhaltsstoffe grundsätzlich wirksam sind, sind die Dosen im Nahrungsergänzungsmittel oft viel zu gering", erklärt Heike Silber von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Ihrer Ansicht nach wecken Produkte mit anerkannten Heilpflanzen Erwartungen, die nicht erfüllt werden können.
Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin benötigen gesunde Menschen mit ausgewogener Ernährung im Normalfall keine Nahrungsergänzungsmittel. Doch eine BfR-Erhebung vom letzten Herbst zeigt: 77 Prozent der rund 1.000 Befragten nahmen innerhalb eines Jahres entsprechende Produkte ein – 63 Prozent davon sogar wöchentlich.
Unternehmen kritisiert Innovationshemmnis
Das Urteil dürfte weitreichende Folgen für die Branche der Nahrungsergänzungsmittel haben. "Wir respektieren das Urteil, halten es aber für hochproblematisch – nicht nur für uns, sondern für die gesamte Branche", erklärte Novel Nutriology. Für Hersteller von Rohstoffen sei Forschung unter solchen Bedingungen wirtschaftlich kaum noch tragfähig. Das Urteil bedeute einen massiven Rückschritt für Innovationen.
Das generelle Werbeverbot gilt laut EuGH, bis die EU-Kommission die Angaben offiziell bewertet und in die genehmigte Liste aufgenommen hat. Ausnahmen seien lediglich dann erlaubt, wenn es spezielle Regelungen gebe – was im konkreten Fall, den der Bundesgerichtshof dem EuGH zur Prüfung vorlegte, nicht zutraf.