Politik

Ungenutztes Potenzial: Biokraftstoffe könnten Europas Verkehr sofort dekarbonisieren – doch die Politik bremst

Während Elektromobilität noch mit Infrastrukturproblemen kämpft, könnte HVO100 die CO2-Bilanz des Verkehrssektors sofort verbessern – doch die EU setzt weiter auf ideologische Barrieren statt auf pragmatische Lösungen.
08.05.2025 05:51
Lesezeit: 2 min
Ungenutztes Potenzial: Biokraftstoffe könnten Europas Verkehr sofort dekarbonisieren – doch die Politik bremst
Fortschritt gebremst: HVO100 könnte den Verkehr sofort klimafreundlicher machen – doch Brüssel blockiert den Durchbruch. (Foto:dpa) Foto: Jens Ressing

Trotz zahlreicher Deklarationen zur Klimaneutralität bleibt der Verkehr einer der größten Emittenten von Treibhausgasen in Europa. Dabei existiert bereits eine einsatzbereite Lösung, die auf breiter Front Wirkung entfalten könnte – doch sie wird systematisch ignoriert: fortschrittliche Biokraftstoffe, insbesondere HVO100 (Hydrotreated Vegetable Oil).

Eine europaweite Initiative mit dem Namen „Tour de Europe“ macht derzeit auf dieses ungenutzte Potenzial aufmerksam. Die Botschaft ist klar: Eine radikale Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehrssektor ist sofort möglich – ohne neue Infrastruktur, ohne neue Fahrzeuge.

Eine Lösung, die sofort wirkt – aber kaum Beachtung findet

Während E-Mobilität noch mit unzureichender Ladeinfrastruktur, hohen Kosten und Netzproblemen zu kämpfen hat, könnte HVO100-Diesel in bestehenden Fahrzeugen sofort eingesetzt werden. Der Kraftstoff wird aus Rest- und Abfallstoffen wie Altspeiseöl oder tierischen Fetten hergestellt und reduziert laut Hersteller die Treibhausgasemissionen um bis zu 90 Prozent über den gesamten Lebenszyklus.

Neste, weltweit führender Produzent von HVO100, macht vor, wie ein geschlossener Kreislauf aussehen kann: So wird in Finnland das gebrauchte Frittieröl von Fast-Food-Ketten in klimaneutralen Diesel umgewandelt – und damit direkt wieder die Lieferfahrzeuge betankt.

Industrie ist bereit – die Gesetzgebung nicht

Unternehmen wie Bosch, Volkswagen, Mercedes-Benz, DAF Trucks und Daimler Truck beteiligen sich an der Initiative. Auf Veranstaltungen wie jüngst in Litauen, organisiert u. a. von der Deutsch-Baltischen Handelskammer, betonten Branchenvertreter, dass der technologische Wandel nicht an der Industrie scheitert – sondern an regulatorischen Blockaden.

Bosch präsentierte zudem mit dem Digital Fuel Twin eine Lösung zur transparenten CO2-Bilanzierung jedes einzelnen Tankvorgangs. „Die Plattform ermöglicht es, den tatsächlichen CO2-Fußabdruck eines jeden Fahrzeugs zu ermitteln – in Echtzeit“, so Dr. Marko Babić von Bosch. Doch trotz technologischer Reife und klar messbarer Effekte stuft die EU viele fortschrittliche Biokraftstoffe weiterhin als fossile Energieträger ein. Dadurch fehlt es an politischen Anreizen, ihre Nutzung auszuweiten.

Führungsrolle bei Neste: Nachhaltigkeit in der Praxis

Neste gilt als weltweiter Marktführer für die Produktion von HVO100. Der Kraftstoff wird unter anderem aus recycelten Rohstoffen wie gebrauchten Speiseölen oder tierischen Abfällen hergestellt. Im Vergleich zu fossilem Diesel lassen sich damit die Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus hinweg um bis zu 90 Prozent senken. Das Unternehmen integriert die Produktion auch in lokale Wirtschaftskreisläufe – etwa durch eine Partnerschaft mit der Fast-Food-Kette Hesburger, deren Altöl zur Kraftstoffproduktion verwendet wird.

Schwerlastverkehr unter Druck: Alternative dringend nötig

Auch im Schwerlastverkehr kommen HVO100-Kraftstoffe zunehmend zum Einsatz. Dieser Bereich steht vor besonders ehrgeizigen Emissionszielen: Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 45 Prozent, bis 2040 sogar um 90 Prozent reduziert werden. Laut Peter Kramer, Projektleiter für fortschrittliche Technologien bei DAF Trucks, sei dies nur mit einem umfassenden Maßnahmenmix erreichbar – von der Elektrifizierung bis hin zu fortschrittlichen Biokraftstoffen.

Zwar hat DAF bereits elektrische Lkw im Einsatz, doch die Herausforderungen seien enorm: begrenzte Ladeinfrastruktur, überlastete Stromnetze und hohe Kosten auf Langstrecken. Während sich Elektrofahrzeuge gut für regionale Einsätze eigneten, seien im Fernverkehr zusätzliche Lösungen gefragt.

Rechtlicher Rahmen fehlt: Breite Einführung stockt

Kramer erklärte, dass Kraftstoffe aus erneuerbaren Rohstoffen hier eine zentrale Rolle spielen könnten – sie seien in bestehenden Fahrzeugen sofort einsetzbar und erforderten keine neue Infrastruktur. Allerdings verhindere die derzeitige gesetzliche Einordnung als fossile Kraftstoffe eine breite Markteinführung. Hersteller hätten daher wenig Anreiz, das Angebot auszuweiten. Kramer forderte deshalb eine Reform der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Berechnungsmethoden für Emissionen. Nur so könnten fortschrittliche Kraftstoffe ein zentraler Bestandteil der grünen Transformation werden.

Die „Tour de Europe“ wird Ende Juni in Brüssel abgeschlossen, wo die Ergebnisse der Kampagne vor dem Europäischen Parlament präsentiert werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin, Ether und Co.: Wie Sie an der Börse sicher in Kryptowährungen investieren
08.11.2025

Wollen Sie Kryptowährungen kaufen? Dann müssen Sie dafür nicht auf irgendwelchen unseriösen Internetportalen herumsurfen. Kurse von...

DWN
Politik
Politik Donald Trump und die US-Präsidentschaftswahl 2028: Strebt er eine dritte Amtszeit an und geht das so einfach?
08.11.2025

Die Diskussion um Donald Trumps mögliches politisches Comeback zeigt das Spannungsfeld zwischen Recht, Strategie und Macht in den USA....

DWN
Technologie
Technologie Deep Tech als Rettungsanker: Wie Deutschland seine industrielle Zukunft sichern kann
08.11.2025

Deutschland hat große Stärken – von Forschung bis Ingenieurskunst. Doch im globalen Wettlauf um Technologien zählt längst nicht mehr...

DWN
Technologie
Technologie So optimiert KI in Belgien die Landwirtschaft: Schwankende Ernten prognostizieren? Kein Problem!
08.11.2025

Die Landwirtschaft muss Erträge effizient planen und Schwankungen ausgleichen, wobei KI zunehmend Entscheidungen auf verlässlicher Basis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Managergehälter: Wie viel Mut hinter den Millionen steckt
08.11.2025

Topmanager reden offen über ihr Einkommen? In Estland sorgen zwei Führungskräfte für großes Staunen. Sie zeigen, wie viel Disziplin,...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Leitzins: Stillstand oder Strategie? Was die EZB-Zinsentscheidung wirklich bedeutet
08.11.2025

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins beim jüngsten EZB-Zinsentscheid nicht angerührt – doch das Schweigen ist laut. Christine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Schmuck aus Holz und Stein: Holzkern – wie Naturmaterialien zum einzigartigen Erfolgsmodell werden
07.11.2025

Das Startup Holzkern aus Österreich vereint Design, Naturmaterialien und cleveres Marketing zu einem einzigartigen Erfolgsmodell. Gründer...

DWN
Finanzen
Finanzen Wall Street: Wie die Märkte alle Warnsignale ignorieren
07.11.2025

Die Wall Street kennt derzeit nur eine Richtung – nach oben. Während geopolitische Krisen, Schuldenstreit und Konjunkturrisiken...