Zollkrieg ließ Rezessionsängste explodieren
Die weltweiten Investoren haben ihre Sorgen über eine bevorstehende Rezession vorerst beiseitegeschoben. Ein signifikanter Teil der zuvor gehorteten Liquiditätsreserven fließt wieder in die Finanzmärkte – nach einer Phase massiver Unsicherheit. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Bank of America hervor. Befragt wurden 208 globale Vermögensverwalter mit einem Gesamtvermögen von umgerechnet 470 Milliarden Euro.
„Noch vor einem Monat hielten viele eine Rezession für sehr wahrscheinlich – mit Wahrscheinlichkeiten von 50 Prozent oder mehr, als sich der Handelskrieg verschärfte. Doch nun – mit Blick auf neue Handelsabkommen – rechnen wir nur noch mit einer leichten Wachstumsverlangsamung anstelle eines echten Abschwungs“, sagt Josephine Cetti, Chefstrategin bei Nordea und Teilnehmerin der Umfrage.
Vor einem Monat erwarteten netto 42 Prozent der Befragten eine Rezession. In der aktuellen Erhebung beträgt dieser Anteil nur noch 1 Prozent – ein drastischer Rückgang der pessimistischen Erwartungen.
„Das ist ein markanter Rückgang der Rezessionserwartungen. Und würde man die Investoren heute befragen, wären die Zahlen womöglich noch positiver“, sagt Sofie Manja Eger Huus, Seniorstrategin bei der Danske Bank und ebenfalls Teil der Umfrage.
Die Erhebung wurde zwischen dem 1. und 8. Mai durchgeführt – also noch bevor bekannt wurde, dass die USA und China in der Schweiz Gespräche über die wechselseitigen Strafzölle aufgenommen haben. Und bevor die Nachricht publik wurde, dass sich beide Länder auf eine 90-tägige Waffenruhe im Handelskonflikt geeinigt haben.
„Es bestehen natürlich weiterhin Unsicherheiten, aber die Sorge, wie hart der Handelskonflikt das Wachstum treffen könnte, ist deutlich zurückgegangen“, so Cetti.
Rückkehr in US-Aktienmärkte
Die temporäre Einigung zwischen den USA und China reduziert das Rezessionsrisiko signifikant – auch laut Sofie Manja Eger Huus.
„Dass es überhaupt zu dieser Vereinbarung kommt, ist ein wirklich positives Zeichen. Es zeigt die Bereitschaft beider Seiten – insbesondere auch der USA – zu konstruktiven Lösungen. Die Rücknahme der Zölle durch Präsident Trump ist bemerkenswert“, sagt sie.
Die Expertin erwartet, dass die Entspannung zu einer Umverlagerung von Investitionen zurück in US-Aktien führen wird. Zuvor hatten viele Investoren ihre Allokationen verstärkt auf europäische Werte umgeschichtet – zulasten amerikanischer Aktien.
Laut Umfrage verzeichnet Europa derzeit die höchste relative Übergewichtung gegenüber den USA seit Oktober 2017. Dennoch stieg die Allokation in den Technologiesektor – der von den USA dominiert wird – im Mai so stark wie seit über zehn Jahren nicht mehr.
„Die temporären Abkommen beseitigen aber nicht die grundlegende Unberechenbarkeit der Trump-Administration. Die Unsicherheit bleibt bestehen“, mahnt Huus.
Strategiewechsel: Weniger Bargeld, mehr Risiko
Bereits vor der Bekanntgabe der Zollpause begannen Investoren, ihre Barreserven zu reduzieren – von 4,8 Prozent im April auf 4,5 Prozent im Mai.
Gleichzeitig erholten sich die Aktienmärkte deutlich. Der US-Leitindex S&P 500 legte seit dem Kurseinbruch im April um 17 Prozent zu. Allein am Montag stieg das US-Barometer um 3,3 Prozent, globale Aktien verzeichneten ein Plus von 2,2 Prozent.
„Nach einem so steilen Comeback erwarte ich kurzfristig eine Atempause. Langfristig aber halte ich den Aufwärtstrend an den Märkten für intakt“, sagt Cetti.
Blick richtet sich auf EU-Verhandlungen
Das nächste große Thema für Investoren wird eine mögliche Handelsvereinbarung zwischen den USA und der EU sein, erwartet Huus.
„Die EU wird sich nicht einmal mit zehn Prozent Basistarif zufrieden geben. Zudem ist Europa für die US-Wirtschaft von großer Bedeutung“, sagt sie – und verweist außerdem auf Verhandlungen mit Mexiko und Kanada.
Auch Cetti sieht Geduld als erforderlich: „Wir müssen uns auf zähe Verhandlungen zwischen den USA und der EU einstellen. Auch US-Finanzminister Scott Bessent hat betont, dass es innerhalb der EU unterschiedliche Vorstellungen gibt, was jedes Land aus den Gesprächen herausholen möchte.“