Wiederbelebung von Nordstream 2: CDU-Chef spricht sich klar gegen Rückkehr zu russischem Gas aus
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat sich deutlich gegen eine mögliche Wiederaufnahme des Gasprojekts Nord Stream 2 ausgesprochen, berichtet das Portal Verslo Zinios. In einem Interview mit Die Zeit erklärte Merz: „Nord Stream 2 hat derzeit keine Betriebserlaubnis – und das sollte auch so bleiben.“ Die Erklärung erfolgte vor dem Hintergrund wachsender Spekulationen über geheime Gespräche zwischen den USA und Russland zur möglichen Reaktivierung der umstrittenen Pipeline.
Pipeline im Zentrum globaler Interessen
Das im Jahr 2021 fertiggestellte Projekt wurde nie in Betrieb genommen, da Deutschland nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 politisch und regulatorisch auf Distanz ging. Im September desselben Jahres erschütterten massive Explosionen die Nord-Stream-Pipelines. Drei der vier Röhren von Nord Stream 1 und 2 wurden schwer beschädigt. Die Verantwortung für die Sabotageakte ist weiterhin umstritten – Kiew und Moskau beschuldigen sich gegenseitig.
Trotz des faktischen Stillstands ist das geopolitische Interesse an den Pipelines ungebrochen. Laut verschiedenen Medienberichten sollen amerikanische und russische Unterhändler prüfen, ob sich das Projekt unter Einbindung US-amerikanischer Investoren reaktivieren ließe. Ein Modell sieht vor, dass russisches Gas von amerikanischen Unternehmen gekauft und dann als „US-Marke“ weiterverkauft wird – ein diplomatisch wie wirtschaftlich brisanter Vorschlag.
Russland hofft auf indirekte Rückkehr in den europäischen Energiemarkt
Der russische Außenminister Sergej Lawrow bestätigte Ende März, dass über Nord Stream „gesprochen“ werde. In einem Fernsehinterview erklärte er, es wäre „interessant“, wenn die USA ihren Einfluss auf Europa nutzen würden, um russischem Gas doch noch den Weg in den Westen zu ebnen.
Russland hat ein massives Interesse daran, trotz westlicher Sanktionen wieder als zentraler Energielieferant nach Europa zurückzukehren – wenn auch durch die Hintertür. Nord Stream war über Jahre hinweg ein entscheidender Hebel Moskaus, um Druck auf Berlin und Brüssel auszuüben.
Merz setzt Kontrapunkt zu wirtschaftlichen Versuchungen
Friedrich Merz’ klare Ablehnung erfolgt auch vor dem Hintergrund innerparteilicher Spannungen. So hatte CDU-Abgeordneter Thomas Bareiß kürzlich vorgeschlagen, man solle nach einem möglichen Friedensschluss mit der Ukraine auch eine Rückkehr zu Nord Stream 2 in Erwägung ziehen. Der Vorschlag stieß auf breite Kritik – auch aus den Reihen der SPD. Michael Roth, außenpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten, nannte die Idee ein „völlig falsches Signal zur völlig falschen Zeit“.
Merz stellt sich nun demonstrativ gegen diese Bestrebungen – und positioniert sich als Garant für eine energiepolitische Entkoppelung von Moskau. Angesichts der zunehmenden sicherheitspolitischen Bedrohung aus dem Osten will er den Einfluss Russlands auf Europa langfristig eindämmen.
Nordstream 2: Deutschland im energiepolitischen Zwiespalt
Für Deutschland bleibt die Energiefrage auch nach zwei Jahren Krieg ein geopolitischer Balanceakt. Der Ausstieg aus russischem Gas hat die Energiepreise steigen lassen und die Industrie belastet. Gleichzeitig hat Berlin neue Abhängigkeiten aufgebaut – etwa durch den Import von LNG aus den USA und Katar. Eine Rückkehr zu günstigerem Pipeline-Gas aus Russland könnte ökonomisch verlockend erscheinen, birgt aber erhebliche sicherheitspolitische Risiken.
Die Bundesregierung steht vor einem strategischen Dilemma: der Wunsch nach Stabilität auf den Energiemärkten kollidiert mit der Notwendigkeit, außenpolitische Konsequenz und Solidarität mit der Ukraine zu zeigen.
Nord Stream bleibt geopolitischer Zankapfel – und Testfall für Europas Standhaftigkeit
Die Diskussion um eine mögliche Wiederbelebung von Nord Stream 2 zeigt, wie tief der Energiekrieg in den geopolitischen Machtkampf eingebettet ist. Während Russland auf eine Rückkehr in den europäischen Markt spekuliert, stemmen sich deutsche Politiker wie Friedrich Merz gegen eine energiepolitische Rolle rückwärts. Der Fall Nord Stream wird damit zum Lackmustest für die strategische Autonomie Europas – und für Deutschlands Fähigkeit, wirtschaftlichen Druck und sicherheitspolitische Prinzipien in Einklang zu bringen.