Wirtschaft

Strom weg, Zukunft weg? Spaniens Blackout zeigt Europas Energiewende-Desaster

Stromausfall in Spanien – und Europa zittert. Was als grüner Fortschritt verkauft wird, offenbart gefährliche Systemlücken. Droht auch Deutschland der totale Blackout?
07.05.2025 05:47
Lesezeit: 3 min
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Am 28. April 2025, exakt um 12:33 Uhr mitteleuropäischer Zeit, versank die Iberische Halbinsel in einem beispiellosen Stromausfall. Betroffen waren nicht nur weite Teile Spaniens und Portugals, sondern auch Regionen in Südfrankreich.

Was zunächst wie ein technischer Zwischenfall erschien, weist zunehmend auf ein tieferliegendes Strukturproblem hin. Denn die vorläufigen Analysen deuten auf das hin, wovor Experten seit Jahren warnen: Ein fragiles Gleichgewicht im Stromnetz, das unter dem Druck der Energiewende ins Wanken gerät.

Spanien: Vom Vorzeigemodell zum Risikofaktor?

Kaum ein anderes europäisches Land hat den Umbau seiner Energieversorgung so ambitioniert vorangetrieben wie Spanien. Bereits 2024 stammten laut Netzbetreiber Red Eléctrica (REE) über 56-Prozent des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Quellen – Sonne, Wind und Wasser. Photovoltaik ist zur dominierenden Technologie geworden.

Parallel dazu vollzieht sich der Abschied von fossilen Energieträgern. Mit dem Kohlekraftwerk As Pontes wurde eines der letzten konventionellen Großkraftwerke vom Netz genommen – ein Verlust von 1,4 Gigawatt gesicherter Leistung.

Sonne satt – und trotzdem dunkel: Wo das Netz an seine Grenzen stößt

Was in politischen Reden oft als Erfolg der Energiewende gefeiert wird, zeigt sich in der physikalischen Realität zunehmend als Risiko. Denn Strom folgt eigenen Gesetzen: Er lässt sich nicht in relevanten Mengen speichern und muss genau dann verbraucht werden, wenn er erzeugt wird. Damit das funktioniert, muss das Netz jederzeit ein präzises Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch halten.

Gerät dieses Gleichgewicht aus der Balance – etwa durch plötzliche Überproduktion oder einen unerwarteten Einbruch der Einspeisung – droht eine Kettenreaktion. Schon geringe Abweichungen von der Sollfrequenz von 50 Hertz können das gesamte Netz destabilisieren und zu großflächigen Ausfällen führen. Genau das, so vermuten Experten, könnte in Spanien der Auslöser gewesen sein. Auch wenn die genaue Ursache noch untersucht wird, verdichten sich die Hinweise, dass ein struktureller Schwachpunkt den entscheidenden Impuls für den Blackout geliefert hat.

Wenn das Netz nicht mehr nachkommt – wie Systeminstabilität zur Gefahr wird

Was ist bislang bekannt? Erste Protokolle der Netzbetreiber deuten auf eine massive Schwankung in der Stromerzeugung hin: Spanische Photovoltaikanlagen speisten plötzlich 28,6-Prozent mehr Leistung ins Netz ein – zu viel, zu schnell. Gleichzeitig berichten französische Stellen von 8,4 Gigawatt Überschuss, während Italien lediglich 3 Gigawatt aufnehmen konnte.

Innerhalb weniger Sekunden kam es zur Eskalation: Konventionelle Kraftwerke – darunter Gas-, Wasser- und sogar Kernkraftwerke – schalteten sich automatisch ab, um Schäden an Anlagen und Netzinfrastruktur zu verhindern. Am Tiefpunkt stand die Stromproduktion in ganz Spanien bei null.

Smart Grids – Allheilmittel oder Feigenblatt?

Und das, obwohl Spanien zu den fortschrittlichsten Ländern Europas gehört, was die Digitalisierung seiner Strominfrastruktur betrifft. Bereits 2018 wurde dort mit milliardenschweren Investitionen flächendeckend auf intelligente Stromzähler, sogenannte Smart Grids, umgestellt. Diese ermöglichen eine Echtzeitüberwachung, automatische Steuerung und gezieltes Lastmanagement durch die Netzbetreiber.

Doch smarte Technik allein reicht nicht. Auch das modernste Netz stößt an physikalische Grenzen, wenn es keinen Puffer gibt. Ohne ausreichend Speicher und regelbare Reservekraftwerke verpufft der digitale Fortschritt. Denn was nützen Messwerte und Steuerungsalgorithmen, wenn Stromspitzen nicht gespeichert oder ausgeglichen werden können?

Wenn das System kippt – warum Deutschland besonders verwundbar ist

Gerade hier liegt Deutschlands zentrale Schwachstelle: Während Wind- und Solarstrom rasant zunehmen, fehlen die nötigen Gegengewichte – leistungsfähige Speicher, flexible Reservekraftwerke und ein flächendeckendes Lastmanagement. Was Spanien dank fortgeschrittener Digitalisierung zumindest teilweise auffangen konnte, droht hierzulande ungebremst durchzuschlagen. Denn die Modernisierung der Netze hinkt hinterher – mit absehbaren Folgen.

Der Energieexperte und ehemalige Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt warnt eindringlich: Der „unkontrollierte Ausbau der Photovoltaik, fehlende Abschaltmöglichkeiten und eine ideologisch verengte Energiepolitik“ gefährden die Stabilität des Netzes – und damit die gesamte Versorgungssicherheit.

Energiewende am Limit: Überproduktion, Zahlzwang und politische Blockaden

Besonders im Sommer steigt das Risiko: Wenn Solaranlagen auf Maximalleistung laufen und der Strom weder gespeichert noch direkt verbraucht werden kann, wird die Überproduktion zur akuten Belastung. Das Paradoxe: Statt Einnahmen zu generieren, muss Deutschland teils sogar zahlen, damit Nachbarländer den Überschuss überhaupt abnehmen. Ein ökonomisch wie strukturell problematischer Zustand – längst keine Ausnahme mehr, sondern systemischer Alltag.

Und doch bleibt die politische Reaktion zögerlich. Forderungen nach mehr Steuerbarkeit oder einer Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken gelten hierzulande als unpopulär – während andere Länder längst pragmatisch gegensteuern. In Spanien etwa verabschiedete das Parlament im Februar 2025 eine Resolution zur Verlängerung der Atomkraftnutzung. Deutschland hingegen hält unbeirrt an seinem Abschaltkurs fest – selbst auf Kosten der Netzstabilität. Die entscheidende Frage lautet: Wie lange lässt sich das noch durchhalten, ohne dass auch hierzulande das Licht ausgeht?

Folgen für Unternehmen: Produktionsrisiko statt Klimavorteil

Wer auf eine verlässliche Stromversorgung angewiesen ist – etwa in Produktion, Logistik oder Rechenzentren –, muss sich zunehmend auf Spannungsschwankungen und Ausfälle einstellen. Die Folgen reichen von Stillständen über Datenverluste bis hin zu defekter Technik – mit potenziell gravierenden wirtschaftlichen Schäden. Die entscheidende Frage lautet daher längst nicht mehr ob, sondern wie man sich schützt.

Existieren Notfallpläne? Sind Notstromsysteme einsatzbereit? Ist die Versorgung kritischer Bereiche – wie Serverräume oder automatisierte Anlagen – gegen Unterbrechungen gesichert? Wer darauf keine Antwort hat, riskiert im Ernstfall nicht nur einen Betriebsstopp, sondern die wirtschaftliche Zukunft.

Der Blackout in Spanien ist ein Warnschuss, den Unternehmen nicht ignorieren dürfen. Denn eine Energiewende ohne stabile Infrastruktur ist kein Fortschritt – sondern ein Risiko. Für die Versorgung. Für den Standort. Und für jeden einzelnen Betrieb.

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