Politik

EU-Kommission startet Defizitverfahren gegen Österreich

Österreich steht wegen seiner hohen Neuverschuldung unter Druck. Die EU-Kommission will ein Defizitverfahren einleiten – und könnte damit den finanzpolitischen Kurs der Alpenrepublik nachhaltig verändern. Welche Schritte jetzt folgen und wie sich Wien darauf vorbereitet, lesen Sie hier.
05.06.2025 07:43
Lesezeit: 2 min
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EU-Kommission will Defizitverfahren gegen Österreich starten

Österreich hatte die Krisen der vergangenen Jahre mit staatlichen Ausgaben bekämpft. Nun reagiert die EU. Was bedeutet das für Wien?

Die Europäische Kommission will gegen Österreich ein Strafverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung einleiten. Das Land weise ein übermäßiges Defizit auf, teilte die für die Einhaltung von EU-Schuldenregeln zuständige Brüsseler Behörde mit. Ziel des Defizitverfahrens ist es, Staaten zu solider Haushaltsführung zu bewegen.

Voriges Jahr betrug das staatliche Defizit der Alpenrepublik 4,7 Prozent der Wirtschaftsleistung – es liegt damit deutlich über der EU-Obergrenze von 3 Prozent. Gleichzeitig steckt Österreich in einer Wirtschaftskrise mit starker Teuerung, schwacher Konsumnachfrage und anhaltender Rezession. Laut einer Prognose der EU-Kommission ist Österreich das einzige EU-Mitglied, dessen Wirtschaft dieses Jahr schrumpfen wird. Die aktuelle Regierung will die Staatsausgaben bis 2029 um insgesamt 54 Milliarden Euro kürzen.

EU-Kommission für Kontrolle zuständig

Die EU-Kommission kontrolliert, ob die EU-Länder die Vorgaben für Haushaltsdefizite und Staatsschulden einhalten. Die europäischen Schuldenregeln gelten für jeden Mitgliedstaat. Das Regelwerk erlaubt eine Neuverschuldung von höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Nächster Schritt im Verfahren gegen Österreich sind nun Stellungnahmen des Wirtschafts- und Finanzausschusses. Danach will die Kommission Einschätzungen abgeben, um das Bestehen eines übermäßigen Defizits zu bestätigen. Dann wird die Kommission den EU-Finanzministern empfehlen, Maßnahmen zur Defizitreduzierung zu beschließen.

Wien nicht überrascht

Der Schritt kommt für Österreich nicht überraschend. Die Regierung aus konservativer ÖVP, sozialdemokratischer SPÖ und liberalen Neos hatte schon mehrfach die Möglichkeit eines Defizitverfahrens in den Raum gestellt. Die vorige Regierung aus ÖVP und Grünen hatte die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges mit kostspieligen Stützmaßnahmen abgefedert. Außerdem wurden verschiedene Umwelt-Förderungen umgesetzt.

Verfahren sollen Haushalte stabilisieren

Wird ein Strafverfahren eingeleitet, muss ein Land Maßnahmen ergreifen, um Verschuldung und Defizit zu senken. Damit soll vor allem die Stabilität der Eurozone gesichert werden. Theoretisch sind bei anhaltenden Verstößen auch Strafen in Milliardenhöhe möglich. In der Praxis wurden diese jedoch noch nie verhängt.

Die Defizitverfahren waren wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine vorübergehend ausgesetzt. Im vergangenen Jahr startete die Kommission Strafverfahren auch gegen Frankreich, Italien, Belgien, Ungarn, Malta, Polen und die Slowakei. In den Verfahren gegen die meisten dieser Länder müssten derzeit aber keine weiteren Schritte unternommen werden, teilte die Kommission nun mit. Auch gegen Rumänien läuft ein Verfahren.

Reform der EU-Schuldenregeln

Die Regeln für Staatsschulden und Defizite, die auch Stabilitäts- und Wachstumspakt genannt werden, wurden 2024 nach jahrelanger Debatte reformiert. Neben der Obergrenze für die Neuverschuldung gilt grundsätzlich weiterhin, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf.

Deutschland erreichte im vergangenen Jahr eine Defizitquote von 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und bleibt damit im vorgeschriebenen Rahmen.

Um für solide Finanzen zu sorgen, muss jedes Land gemeinsam mit der für die Kontrolle zuständigen EU-Kommission einen vierjährigen Haushaltsplan aufstellen. Unter bestimmten Bedingungen, etwa wenn ein Land sich zu wachstumsfördernden Reformen und Investitionen verpflichtet, kann der Plan auf sieben Jahre ausgeweitet werden. Auch können Länder eine Ausnahmeregel für Investitionen in Rüstungsgüter nutzen.

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