Politik

Deutschlandticket: Finanzierungsprobleme sorgen erneut für Verunsicherung

Das Deutschlandticket steht erneut auf der Kippe. Bund und Länder streiten über die Finanzierung. Bleibt der Preis stabil oder droht das Aus? Wer soll in Zukunft zahlen?
16.06.2025 09:36
Lesezeit: 4 min
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Deutschlandticket: Finanzierungsprobleme sorgen erneut für Verunsicherung
Die App deutschlandticket.de ist auf dem Display eines Smartphones zu sehen (Foto: dpa). Foto: Julian Stratenschulte

Deutschlandticket weiterentwickeln? Wie es ab 2026 weitergehen könnte

Wegen anhaltender Finanzierungsprobleme zwischen Bund und Ländern droht beim Deutschlandticket erneut Unsicherheit für Millionen Nutzer. Dabei steht im Fokus, wie das bundesweite Ticket für den Nah- und Regionalverkehr ab kommendem Jahr finanziert werden soll. In einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur forderten Ländervertreter rasche politische Beschlüsse – eine einheitliche Linie der Länder gibt es bislang nicht. Offen bleibt, ob der Preis von aktuell 58 Euro monatlich auch im Jahr 2026 stabil gehalten werden kann.

Ein Thema auf der Tagesordnung der Sonder-Verkehrsministerkonferenz am 27. Juni in Berlin mit Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) ist ebenfalls die Zukunft des Deutschlandtickets. "Wichtig ist, dass wir beim Deutschlandticket einen klaren Finanzierungsrahmen und Planungssicherheit bekommen", sagte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne). Winfried Hermann (Grüne), Verkehrsminister in Baden-Württemberg, kritisierte: "Die ständigen Diskussionen über die Zukunft des Deutschlandtickets und seinen Preis sind kontraproduktiv und bringen uns nicht weiter."

13 Millionen Nutzer des Deutschlandtickets

Schon in den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu langwierigen Diskussionen über die Finanzierung des Deutschlandtickets, das seit Mai 2023 gültig ist. Rund 13 Millionen Menschen fahren mit dem Ticket in Bussen und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr durch ganz Deutschland – unabhängig von Bundesland, Verkehrsverbund oder Tarifzone. Zu Jahresbeginn stieg der Preis um etwa 18 Prozent von 49 Euro auf 58 Euro monatlich.

Ab 2026 Finanzierung ungewiss

Bund und Länder beteiligen sich aktuell mit je 1,5 Milliarden Euro jährlich an der Finanzierung, um Verluste im Bahnverkehr und bei Verkehrsunternehmen auszugleichen. Denn viele bisherige Abonnements für Pendler waren wesentlich teurer. Die Finanzierungsgrundlage ist im Regionalisierungsgesetz geregelt – allerdings nur bis Ende 2025. Die Zukunft ab 2026 ist noch offen. Ende 2024 wurde beschlossen, sogenannte überjährige Mittel – vor allem aus 2023 – zu übertragen, da das Deutschlandticket erst im Mai startete. Zusammen mit der Preiserhöhung ist das Ticket damit für 2025 finanziell abgesichert. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hält die bisher bereitgestellten drei Milliarden Euro pro Jahr langfristig nicht für ausreichend, um die Defizite der Branche zu decken.

Koalitionsvertrag sichert Fortsetzung

Die Ampel-Koalition hat im Koalitionsvertrag bekräftigt, das Deutschlandticket über 2025 hinaus weiterzuführen. Fahrgäste müssen sich allerdings ab 2029 auf einen spürbar höheren Preis einstellen, denn dann soll der Nutzeranteil "schrittweise und sozialverträglich" steigen. Die Frage bleibt, ob sich Bund und Länder vorher auf einen stabilen Preismechanismus – auch für mögliche Preisanpassungen – einigen, um jährliche Konflikte zu vermeiden.

Deutschlandticket: Bund fordert Länder-Einigung

Schnieder appellierte an die Länder, sich auf eine gemeinsame Strategie für die Weiterfinanzierung des Deutschlandtickets zu einigen. Dabei betonte er, dass der Bund nicht mehr als die Hälfte der Gesamtkosten tragen werde. Auch auf Bundesebene gebe es Sparzwänge.

Mehrere Länder fordern, der Bund müsse für Planungssicherheit und eine gesicherte Finanzierung sorgen. Ein Sprecher des bayerischen Verkehrsministeriums erklärte, der Bund müsse sich zur Weiterführung des Tickets finanziell verlässlich bekennen. "Es ist den Ländern insgesamt aufgrund der angespannten Haushaltslage derzeit nicht möglich, mehr als 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für das Ticket aufzubringen." Bayern führt derzeit den Vorsitz der Verkehrsministerkonferenz. Bis spätestens Ende Juli solle Schnieder einen Gesetzentwurf zur Fortführung des Deutschlandtickets im Jahr 2026 vorlegen.

NRW-Verkehrsminister Krischer forderte, das Ticket solle dauerhaft gelten, der Preis bis mindestens 2028 fixiert und der Länderbeitrag gesetzlich gedeckelt werden. Der Bund belaste die Länderhaushalte durch "fragwürdige Steuergeschenke" an Unternehmen mit Milliarden. Daher müsse er logischerweise auch die Mehrkosten des Deutschlandtickets übernehmen. "In jedem Fall muss die Frage schnell geklärt werden und der Bundesverkehrsminister sich klar positionieren, um die Kunden nicht weiter zu verunsichern."

Niedersachsens Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD) sagte, eine gemeinsame Lösung sei notwendig. Die hälftige Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern habe sich bewährt und sei gerecht.

Enges Budget für das deutschlandweite Bahnticket

Brandenburgs Verkehrsminister Detlef Tabbert (BSW) forderte, der Bund müsse primär für die Finanzierung aufkommen. "Die aktuelle Beteiligung von jeweils 1,5 Milliarden Euro ist, angesichts angespannter Haushalte, für die Länder eine Grenze. Mehr geht nicht", schrieb er zusammen mit Mecklenburg-Vorpommerns Minister Wolfgang Blank in einem Gastbeitrag im "Tagesspiegel".

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) äußerte, wer bestelle, müsse auch bezahlen. "Ansonsten werden die Länder das so einfach nicht mehr leisten können, auch wenn sie wollen." Am effektivsten wäre es, wenn der Bund das Angebot bereitstelle und komplett finanziere. Das Saarland erklärte, zusätzliche Kosten des Deutschlandtickets müsse der Bund übernehmen. Hamburgs Verkehrsbehörde ließ verlauten, Hamburg sei bereit, sich an der Finanzierung zu beteiligen – die Hauptverantwortung liege jedoch beim Bund.

"Todesstoß" vermeiden - wird das Deutschlandticket teurer?

Thüringens Verkehrsminister Steffen Schütz (BSW) sagte, er teile die Maximalforderung, dass der Bund die Hauptlast tragen müsse, nicht. Eine solche Regelung wäre zwar ideal, aber nicht realistisch. "Ein Rückzug der Länder aus der Finanzierung würde wohl den Todesstoß für das Ticket bedeuten." Die hälftige Aufteilung stelle Thüringen bereits vor ernste finanzielle Probleme. "Angesichts der Kostensteigerungen und unserer angespannten Haushaltslage wäre ich sehr froh, wenn der Bund einen etwas größeren Anteil als 50 Prozent übernimmt." Auch Sachsen hält einen höheren oder vollständigen Bundesanteil für wünschenswert.

Ziel sei ein stabiler Preis für die Fahrgäste, betonte das Verkehrsministerium in Mecklenburg-Vorpommern. Ob dies gelinge, hänge von Verhandlungen mit dem Bund sowie von Faktoren wie Kostensteigerungen oder Lohnerhöhungen ab. Laut Verkehrsministerium in Schleswig-Holstein müssten Bund und Länder mindestens je 1,5 Milliarden Euro beitragen. Dies werde aber nicht reichen. Was das für eine mögliche Preiserhöhung oder zusätzlichen Finanzbedarf bedeute, sei noch offen. Das sächsische Infrastrukturministerium erklärte, um Kürzungen im Angebot zu verhindern, müssten gestiegene Kosten entweder durch staatliche Zuschüsse oder Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf ausgeglichen werden.

Finanzielle Planung gefordert

Lydia Hüskens (FDP), Infrastrukturministerin in Sachsen-Anhalt, forderte eine verlässliche Regelung zur Verteilung der Einnahmen und zum finanziellen Ausgleich. "Sonst bleiben die Landkreise und Verkehrsunternehmen weiterhin im Ungewissen." Sie sprach sich für einen Preisindex aus, der sich etwa an der Preisentwicklung im Bahnverkehr orientiert. Auf jeden Fall müsse der Preis des Deutschlandtickets aus der politischen Diskussion herausgenommen werden.

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