Unternehmen

Generation Z: Kündigen ohne Grund? So funktioniert moderne Arbeit

Generation Z kündigt ohne Grund – doch genau darin liegt für Unternehmen eine Chance. Wer ihre Spielregeln versteht, bleibt konkurrenzfähig.
20.08.2025 12:44
Lesezeit: 5 min

Junge Talente aus der Generation Z kündigen vor allem in der IT schnell

Je größer die Nachfrage nach Fachkräften, desto kürzer bleiben sie in einem Unternehmen. Besonders hoch ist die Fluktuation unter IT-Spezialisten. Zu versuchen, sie langfristig zu halten, gleicht dem Kampf gegen Windmühlen – deshalb sollte man seine Energie besser anders einsetzen. Viele Unternehmenslenker würden bestätigen, dass für die jüngste Arbeitnehmergeneration das Wort „Loyalität“ kaum eine Rolle spielt. Arbeitgeber können sich noch so sehr bemühen, Motivationssysteme zu entwickeln – junge Beschäftigte kündigen trotzdem, oft sogar ohne ersichtlichen Grund. Einfach, weil ihnen langweilig wurde. Im Interview mit unseren Kollegen von Verslo Zinios erklärt Marijus Strončikas, Geschäftsführer von Altic IT und Gründer des litauischen CIO-Klubs CIO.lt, wie sich dieses Problem lösen lässt.

VZ: Früher warfen Arbeitgeber den Universitäten und Fachhochschulen oft vor, zu wenige IT-Spezialisten auszubilden – und die wenigen müssten sie dann praktisch bei null einlernen. Hat sich die Lage verbessert?

Marijus Strončikas: Meiner Meinung nach ist die Situation weiterhin mittelmäßig oder sogar schlechter als mittelmäßig. Wirklich zufrieden kann man damit nicht sein, auch wenn es leichte Fortschritte gibt. Eines fehlt jungen Fachkräften besonders: praktische Erfahrung. Das Problem liegt darin, dass ein Großteil der Dozenten reine Theoretiker sind, die nur von anderen geschriebene Theorien vermitteln. Doch wer sich Praxiswissen aneignen will, braucht Vorlesungen, die ständig mit praktischen Beispielen veranschaulicht werden. Genau hier liegt eines der Bildungsprobleme in Litauen, vor allem im IT-Bereich. Wie gesagt, es gibt leichte Verbesserungen, besonders an privaten Bildungseinrichtungen.

VZ: Wie sehen Sie und andere Arbeitgeber Kandidaten, die nur IT-Kurse besucht haben? Es gibt viele Anbieter solcher Kurse. Kann jemand nach wenigen Monaten schon IT-Fachkraft sein?

Marijus Strončikas: Ich erinnere an die englischen Begriffe. „Junior“ kann man durchaus schon nach Kursen oder einem Hochschulabschluss sein. Ich würde behaupten, 80 bis 90 Prozent des IT-Wissens erwerben Fachkräfte im Job. Wenn jemand jung ist, frisch von Kursen oder der Uni, will er vermutlich auch nicht gleich General werden. Jeder beginnt wohl als „einfacher Soldat“. Und solche Leute können für Unternehmen sehr interessant sein.

Ein anderer Punkt: Man kann Arbeitgeber auch ohne Studienabschluss durch ein Praktikum überzeugen. Das ist ein sehr guter Weg. Doch einige Studierende fragen schon beim Bewerbungsgespräch fürs Praktikum: „Bekomme ich von Ihnen eine Bescheinigung, dass ich das Praktikum absolviert habe?“ Ich sage dann: Natürlich unterschreibe ich das – wenn Sie das Praktikum tatsächlich absolvieren. Übrigens bleiben mehr als die Hälfte der Praktikanten danach fest im Unternehmen. Ich höre das auch von Kollegen: Selbst Studierende mit wenig Wissen, aber großem Arbeitswillen finden schneller einen Job als jemand, der das Studium schon abgeschlossen hat.

Die Noten sind dabei nicht entscheidend. Vielleicht ist es ein wenig frech, das zu sagen – aber ich erinnere mich nicht, je auf die Abschlussnoten eines Bewerbers geschaut zu haben. Entschuldigung an alle, die das hören und sich dann weniger Mühe geben. Entscheidend ist, welche Technologien die Person beherrscht und auf welchem Niveau. Das ist das Wichtigste. Und natürlich die Nachweise: Entweder durch eigene Projekte mit diesen Technologien oder durch Zertifikate, in denen Dritte bestätigen, dass der Kandidat Erfahrung hat.

Motivation ist individuell: Generationen ticken unterschiedlich

VZ: Sie haben meine nächste Frage schon fast beantwortet: Was zählt für Arbeitgeber bei der Auswahl von IT-Spezialisten? Sprechen wir über Motivation – was treibt IT-Mitarbeiter an?

Marijus Strončikas: Das ist eine wichtige Frage. Wahrscheinlich möchten alle Arbeitgeber wissen, was ihre Mitarbeiter motiviert. Eine einfache Antwort gibt es aber nicht, denn es gibt unterschiedliche Berufsgruppen und Charaktere – und die werden durch sehr verschiedene Dinge motiviert. Ein Mitarbeiter möchte, dass seine Leistung gemessen wird und sein Gehalt davon abhängt. Für den Nächsten ist das Stress pur – er will ein sicheres Einkommen und einen ruhigen Arbeitsplatz. Einer geht gerne ins Büro, sucht den Kontakt zum Team. Ein anderer meidet das komplett, weil er introvertiert ist und lieber im Homeoffice arbeitet.

Ähnlich verhält es sich mit Unternehmenskultur und Arbeitsumfeld. Viele Arbeitgeber geben sich große Mühe, futuristische Büros zu gestalten – mit Sportmöglichkeiten, Essen, allerlei Spielereien. Für manche ist das wichtig, sie möchten daran teilnehmen, bei Teamevents dabei sein. Andere sagen: „Ich hasse das, ich will das nicht. Für mich ist das völlig unwichtig.“ Die Unterschiede sind also groß, selbst innerhalb derselben Berufsgruppe.

VZ: Man muss also individuell schauen, was zu wem passt, anstatt alle über einen Kamm zu scheren?

Marijus Strončikas: Dem stimme ich völlig zu. Und ich möchte noch die Generationenfrage erwähnen. Ich selbst gehöre schon einer anderen Generation an als die jungen Fachkräfte, die nachrücken. Mir fällt auf, dass Charakter, Verantwortungsbewusstsein und Loyalität stark vom Alter abhängen. Viele HR-Maßnahmen zur Motivation, Mitarbeiterbindung und Integration interessieren die junge Generation nicht nur wenig – sie können sogar abschreckend wirken. Junge Menschen wollen Abwechslung. Ältere möchten Stabilität, nichts verändern, keinen neuen Job suchen. Es hängt also nicht nur vom Charakter ab, sondern auch vom Alter. Die Zukunft gehört den Jungen, aber die Älteren bleiben noch eine Weile. Unternehmen müssen lernen, beide Gruppen zu integrieren und so miteinander zu verbinden, dass sich alle wohlfühlen.

VZ: Aber je länger, desto mehr Mitarbeiter der Generation Z kommen auf den Arbeitsmarkt. Was raten Sie Arbeitgebern? Wie kann man mit dieser Generation so kommunizieren, dass die Arbeit spannend bleibt und sie möglichst lange bleiben? Oder sollte man sie gar nicht halten wollen? Vielleicht sollten sie einfach so lange bleiben, wie es ihnen Spaß macht, und dann weiterziehen?

Marijus Strončikas: In unseren und anderen klassischen Unternehmen gibt es vermutlich weniger Angehörige der Generation Z. Die meisten von ihnen arbeiten bei Start-ups oder in Firmen, die Risiken mögen, Prozesse locker sehen, aber keine Lust auf Ergebnisorientierung, Motivation oder Budget-Deadlines haben. Für mich steht die Generation Z für die junge Start-up-Generation. Viele aus dieser Generation wollen keine Loyalität – und selbst in Start-ups scheitern die meisten. Daher wechseln sie ständig von einem zum nächsten Arbeitgeber – das wird für sie zur Normalität.

Man darf nicht vergessen: Für sie ist ein Jobwechsel ohne Grund völlig normal. Oder besser gesagt: Die Begründung ist menschlich – ihnen ist langweilig geworden. Sagt man ihnen: „Hier ist es stabil, du kennst alles, du kannst Karriere machen – je nach Können, Ergebnis und Unternehmenserfolg“, mag das für Ältere spannend klingen. Für die Jungen ist das langweilig. Deshalb entscheiden sich immer mehr Unternehmen, nicht auf lange Mitarbeiterbindung zu setzen, sondern in schnelle Wechselprozesse zu investieren.

VZ: Man sollte es nicht persönlich nehmen, wenn ein Mitarbeiter kündigt, sondern akzeptieren, dass es so ist – und bleibt?

Marijus Strončikas: Man muss sich einfach darauf einstellen, dass die Fluktuation noch größer wird. Man sollte wissen, wie man neue Mitarbeiter schnell integriert, anlernt, arbeiten lässt – wissend, dass sie nicht ewig bleiben.

VZ: Wie sieht es in Ihrem Unternehmen aus? Welche Generation stellen Ihre Mitarbeitenden mehrheitlich dar?

Marijus Strončikas: Der Großteil gehört zur älteren Generation. Aber natürlich haben wir auch junge Leute. Deshalb versuchen wir, selbst zu lernen, wie man mit ihnen arbeitet und ihnen den Job spannend gestaltet. Es gelingt uns recht gut, Praktikanten aus der jüngsten Generation ins Unternehmen zu holen, sie auszubilden, für die Arbeit zu begeistern und auf Ergebnisse hinzuarbeiten. Aber wir haben uns damit abgefunden, dass wir nach ein oder zwei Jahren für sie neue Leute suchen müssen. Wir lernen diesen Prozess und bauen unsere Abläufe so auf, dass es einfach ist, ehemalige Mitarbeitende durch neue zu ersetzen.

Generell sollten alle modernen Unternehmen darauf achten, ihre IT-Strukturen so unabhängig wie möglich von einzelnen Personen zu machen. Das Wissen darf nicht nur im Kopf von Mitarbeitenden liegen – sonst fühlen sie sich schnell unersetzbar. Früher war das in vielen Firmen so: Einzelne Fachkräfte galten als unentbehrlich, sie wurden entsprechend hofiert. Wir setzen dagegen auf Offenheit und Transparenz – alle Informationen werden zentral in Systemen gespeichert. Verlässt jemand das Unternehmen, können wir dem Nachfolger sofort die nötigen Werkzeuge und das Wissen zur Verfügung stellen. Die Prozesse laufen, das System funktioniert, die Daten sind geordnet und für alle zugänglich.

Natürlich wird der Mitarbeitende das Wissen, das er im Kopf hat, auch anderswo einsetzen – das ist normal. Aber der Geschäftsbetrieb darf nicht leiden, die Kunden nicht beeinträchtigt werden. Deshalb rate ich dazu, den Mitarbeiterwechsel – gerade bei jungen Beschäftigten – nicht zu bekämpfen, sondern zu akzeptieren.

VZ: Ich danke Ihnen für diesen Einblick.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Open Source: Warum Gemeinschaftsprojekte die Basis für Innovation bilden

Was einst als Nischenphänomen engagierter Entwickler begann, ist heute ein globales Innovationsökosystem, das von Freiwilligen,...

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gewinneinbruch bei Kühne+Nagel: bis zu 1.500 Stellen weg
23.10.2025

Handelskrieg, hohe Zölle und der starke Franken setzen Kühne+Nagel zu: Der Umsatz bricht um sieben Prozent ein – und jetzt droht vielen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis fällt stark: Erinnerungen an 2011: „Kaufen und halten“ funktioniert nicht
23.10.2025

Ein Kurssturz beendet die Rekordrally des Edelmetalls und erinnert Anleger an bittere Verluste vor 13 Jahren.

DWN
Politik
Politik Steuerschätzung: Steuereinnahmen höher als erwartet - trotz Wirtschaftskrise
23.10.2025

Der Staat schwimmt im Geld: Bund, Länder und Kommunen können laut Steuerschätzung in den kommenden Jahren mit 33,6 Milliarden Euro mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Rally: Warum die Euphorie trügerisch sein könnte
23.10.2025

Der Bitcoin zieht wieder an, doch die Stimmung schwankt zwischen Euphorie und Panik. Während Anleger von neuen Rekorden träumen, warnen...

DWN
Immobilien
Immobilien Betongold in der Krise: Immobilienmarkt zwischen Zinsschock, Baukrise und Inflation
23.10.2025

„Jeder Mensch bezahlt im Laufe seines Lebens mindestens eine Immobilie. Und meistens ist es nicht die eigene.“ Dieser Spruch kursiert...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Silicon Valley in Bewegung: Amazon Web Services verliert Priorität bei Startups
23.10.2025

Das Silicon Valley steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Start-ups verschieben ihre Prioritäten und verändern die Nutzung klassischer...

DWN
Politik
Politik Reaktion auf den Ukraine-Krieg: US-Regierung verhängt Sanktionen gegen russische Öl-Firmen
23.10.2025

Trump drängt schon länger auf ein Ende des Ukraine-Kriegs, schwankt aber bei seinen Bemühungen darum. Nun verkünden die USA neue...

DWN
Unternehmen
Unternehmen SAP wird vorsichtiger bei Cloudgeschäft - Aktie hin‑ und hergerissen
23.10.2025

Der Softwarekonzern steigert den Gewinn kräftig, doch für das wichtige Cloudgeschäft wird das Dax-Schwergewicht etwas zurückhaltender....