Small-Cap-Rally: Frühwarnzeichen eines überhitzten Marktes
Überall mehren sich die Anzeichen dafür, dass US-Aktienmärkte überhitzen – und damit die junge Erholungsbewegung bei einigen der riskantesten Aktien gefährden könnten. Während der S&P 500-Index im vergangenen Monat auf ein neues Rekordhoch kletterte, legten die Aktien kleinerer Unternehmen – die in der Regel stärker verschuldet und weniger profitabel sind als ihre größeren Konkurrenten – noch deutlich stärker zu. Sie übertrafen die großen Konzerne bei Weitem, da Anleger ihre defensive Haltung aufgaben und sich spekulativeren Marktsegmenten zuwandten. Doch die Vergangenheit zeigt: Wenn Enthusiasmus in Euphorie umschlägt, ist das meist ein schlechtes Omen für Small Caps.
Ein Stimmungsindikator von Bloomberg Intelligence (BI) schwenkte von „Panikmodus“ im April zu einem Niveau, das BI im Juni als „beinahe manisch“ einstufte. Laut BI-Strategin Gina Martin Adams tendieren Märkte nach dem Erreichen dieses manischen Bereichs dazu, abzukühlen – wobei kleinere Aktien dann gegenüber den großen zurückfallen, so das irische Wirtschaftsportal Business Post. In den drei Monaten nach solchen manischen Ausschlägen zwischen 2012 und 2023 übertraf der S&P 500 den Small-Cap-Index Russell 2000 um 178 Basispunkte, so die Strategen.
Euphorie als Warnsignal für spekulative Titel
Das ist ein weiteres Warnsignal für Bären, die beobachten, wie sich Händler in volatile und spekulative Marktsegmente stürzen und trotz erheblicher Unsicherheiten in Handel, Konjunktur und Geopolitik zunehmend auf Momentum-Werte setzen. „Kleine Werte gelten gemeinhin als prozyklisch. Sie funktionieren in der Frühphase einer Rally und übertreffen in guten Zeiten den Markt“, sagt Mark Hackett, Chefstratege bei Nationwide. „Doch wenn der Markt fällt, verkaufen Anleger Small Caps reflexartig.“
Das wohl deutlichste jüngere Beispiel für dieses Verhalten war der Ausbruch einer massiven Risiko-Rally nach der Wiederwahl von Präsident Donald Trump. Ende Januar erreichte der BI-Indikator manische Werte. In den folgenden drei Monaten fiel der S&P 500 um 7,8 Prozent, während der Russell 2000 um 14 Prozent einbrach – ausgelöst durch die neuen Zollregime der Trump-Regierung und zunehmende Zweifel am Fortbestand des KI-Booms.
Im Juli zeigen sich sowohl Small- als auch Large-Cap-Werte robust, gestützt durch positive Signale vom US-Arbeitsmarkt. Am Donnerstag stieg der S&P 500 um 0,8 Prozent, der Russell 2000 sogar um 1 Prozent – nachdem die Arbeitsmarktdaten stärker ausfielen als erwartet und Befürchtungen über eine Konjunkturabschwächung dämpften.
Strategiewechsel? Anleger im Zwiespalt
Die Wall Street blickt besonders aufmerksam auf die Small Caps, da sie traditionell als Frühindikatoren gelten – sowohl für Abschwünge als auch für Erholungen. Zudem hoffen Investoren, die sich Sorgen um die enge Marktbreite machen – bislang trieben vor allem Tech-Werte die Aktiengewinne – auf ein Ausgreifen der Stärke auf breitere Segmente wie die kleinen Unternehmen. Ein Markt, dessen Aufwärtstrend sich auf viele Schultern stützt, gilt als widerstandsfähiger gegenüber plötzlichen Schocks.
Nachdem der Russell 2000 Anfang Juli über seine langfristige Handelsspanne hinausbrach, halten einige Beobachter eine Fortsetzung der Rally für möglich. Dennis DeBusschere von 22V Research empfiehlt, bei Small Caps investiert zu bleiben. Er verweist auf eine Kombination aus verlangsamtem, aber stabilem Wachstum, günstigeren Finanzierungsbedingungen sowie steuer- und ausgabenpolitischen Impulsen – all das spreche für ein anziehendes Wachstum in der ersten Jahreshälfte 2026. Dies begünstige besonders risikobehaftete und konjunktursensitive Aktien.
Handelsfristen
Dennoch – angesichts wichtiger Fristen bei den Zollgesprächen zwischen den USA und wichtigen Partnern, die in wenigen Tagen anstehen, und der weiterhin unsicheren wirtschaftlichen Lage raten einige Strategen dazu, sich an größere Unternehmen mit solideren Bilanzen und höherer Ertragskraft zu halten.
Beispielsweise bevorzugt Venu Krishna, Stratege bei Barclays, weiterhin Large Caps – trotz der Aussicht, dass Trumps Steuerreform die Gewinne von Small-Cap-Unternehmen zweistellig steigen lassen könnte. Er bevorzugt größere Aktienwerte aufgrund verbesserter Gewinnschätzungen, besserer Margen, robuster Bilanzen und ihrer stärkeren Hebelwirkung auf makroökonomische Wachstumstreiber wie künstliche Intelligenz. „Wir glauben nicht, dass die Fundamentaldaten für eine nachhaltige Umschichtung weg von Large Caps sprechen“, schrieb Krishna in einer Mitteilung an Kunden in der vergangenen Woche.
Wenn Gier dominiert: Small-Cap-Boom als Börsenfalle
Für deutsche Anleger ist die Entwicklung auf dem US-Small-Cap-Markt nicht nur ein Stimmungsbarometer für globale Risikobereitschaft, sondern auch ein Warnsignal.
Viele Nebenwerte – auch im MDAX oder SDAX – sind ähnlich konjunkturabhängig wie ihre US-Pendants. Wenn US-Investoren in spekulative Titel flüchten und sich dann abrupt zurückziehen, drohen auch europäischen Märkten Korrekturen – insbesondere in zyklischen Branchen wie Industrie, Maschinenbau oder Technologiezulieferung.
Zudem könnte eine Korrektur bei Small Caps das Vertrauen in die Tragfähigkeit der KI-basierten Rally beeinträchtigen – mit Folgen für global investierte Fonds und ETFs, die zunehmend auch kleinere Titel aufgenommen haben.
Der aktuelle Überschwang an den US-Börsen könnte zum Wendepunkt für Small Caps werden. Anleger sollten sich bewusst machen, dass Euphorie oft der Vorbote von Rückschlägen ist. In einem Marktumfeld, das von geopolitischen Spannungen, geldpolitischer Unsicherheit und Konjunktursorgen geprägt ist, gewinnen solide Bilanzen und defensivere Strategien wieder an Bedeutung.