Europas Währungsstärke trifft die eigene Industrie
Trotz kräftiger Rückgänge beim US-Dollar im ersten Quartal schlug sich das kaum in den Zahlen börsennotierter Firmen nieder. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass sich das Bild in dieser Berichtssaison dreht – für Konzerne mit starker US-Präsenz wird es besonders bitter. Es dürfte nur wenigen entgangen sein, dass der Euro dieses Jahr deutlich aufwertete, vor allem gegenüber dem US-Dollar. Seit Jahresbeginn liegt das Plus bei 14 Prozent. Auch gegenüber anderen Leitwährungen legte der Euro zu. Für eine exportorientierte europäische Wirtschaft wirken Wechselkursänderungen gegenüber wichtigen Handelspartnern besonders empfindlich. An den europäischen Börsen gibt es zahlreiche Konzerne mit starker Exportabhängigkeit oder mit überwiegender Geschäftstätigkeit im Ausland – beide Szenarien sind währungssensibel.
Unternehmen, die innerhalb Europas produzieren und ihre wesentlichen Kosten in Euro haben, erleiden sogenannte Transaktionseffekte, wenn sie ihre Produkte in Fremdwährung verkaufen. Sinkt die Abrechnungswährung rasch, gehen die Einnahmen in Euro gemessen zurück, bei konstanten Kosten schrumpfen so die Margen. Unternehmen mit hohem Auslandsanteil erleiden sogenannte Umrechnungseffekte. Sind Umsätze und Kosten in derselben Fremdwährung, bleiben Margen relativ stabil. Doch der Wert etwa von 1 Million Dollar Gewinn sinkt beim Umrechnen in Euro. Europäische Börsenfirmen sind unterschiedlich stark von beiden Effekten betroffen. Viele europäische Firmen haben die größte Exponierung gegenüber Drittstaaten, da geografische Nähe und Binnenhandel die Abhängigkeit vom Ausland mindern. Der Euro schwächte sich im Frühjahr sichtbar ab, erholte jedoch seither einen Großteil des Rückgangs.
Dollar-Schwäche schlägt voll auf Europas Bilanzen durch
Der US-Dollar hingegen setzt seinen Abwärtstrend fort. Wie groß die Dollar-Abhängigkeit europäischer Börsenwerte genau ist, lässt sich schwer bestimmen. Laut Factset-Datenbank haben jedoch zahlreiche Konzerne in führenden europäischen Börsenindizes die USA als ihren wichtigsten Markt. Im Schnitt stammen 16,3 Prozent des Umsatzes aus den USA. Tatsächlich dürfte ein deutlich größerer Anteil auf Dollar lauten, da diese als Weltleitwährung in großen Verträgen Standard ist.
In den Berichten fürs erste Quartal fielen die Währungseffekte insgesamt gering aus, teils sogar positiv – das überraschte, da der Euro zum Quartalsende deutlich zulegte. Betrachtet man jedoch das gesamte Quartal, also die relevante Größe für Börsenfirmen, lag der Dollar im Schnitt 3 Prozent höher als im Vorjahr. Für die Berichte zum zweiten Quartal wird jedoch mit spürbar negativeren Effekten gerechnet. Im Schnitt lag der Dollar 7 Prozent und andere Leitwährungen 3 Prozent schwächer zum Euro als im Vorjahreszeitraum. Geht es nach den aktuellen Wechselkursen, dürften sich die Dollareffekte in den kommenden Quartalen noch verschärfen, während die negativen Effekte bei anderen Währungen leicht abnehmen.
Die Wirtschaftszeitung „Di“ erwartet, dass Wechselkursfolgen zum Top-Thema dieser Berichtssaison werden – neben den Zollfragen. Viele Analysten dürften gezwungen sein, ihre Umsatz- und Gewinnerwartungen für den Rest des Jahres 2025 nach unten zu korrigieren.