Lernen durch Beobachtung
Ein Schatten, der nur zusieht, aber keine aktiven Handlungen unternimmt – das klingt zunächst ein wenig unheimlich, kann aber im Berufsleben äußerst bereichernd sein. Beim Job Shadowing begleitet eine Person einen erfahrenen Mitarbeiter bei seinen täglichen Aufgaben. Ziel soll es sein, Einblick in den Arbeitsalltag und die Arbeitsabläufe des Mitarbeiters zu erhalten und seine Aufgaben und gegebenenfalls die Unternehmenskultur kennenzulernen. Im Gegensatz zu einem Praktikum arbeitet die beschattende Person aber nicht mit, sondern lernt durch Beobachtung und gezieltes Stellen von Fragen. Außerdem dauert der Einsatz meist nur einen bis wenige Arbeitstage. Das Job Shadowing wird teilweise auch unter dem Begriff „Hospitation“ geführt.
Vielfältige Zielgruppe
Job Shadowing richtet sich an eine breite Zielgruppe: von Schülern und Studenten bis zu erfahrenen Fach- und Führungskräften. So bieten viele Universitäten und Hochschulen, wie beispielsweise die Universität Konstanz oder RWTH Aachen, ihren Studenten die Möglichkeit, als Shadow praxisnahe Einblicke in ein Unternehmen und in ein gewünschtes Aufgabengebiet zu erhalten. Studenten können dadurch erste Erfahrungen sammeln und für ihre weitere berufliche Orientierung nutzen. Außerdem können erste Kontakte geknüpft werden.
Auch Schulen bieten solche Programme an, wie zum Beispiel die Girls‘- und Boys‘ Days, bei denen Schüler in einen typischen Beruf des anderen Geschlechts schnuppern dürfen.
Für neue Mitarbeiter kann Job Shadowing ebenfalls sehr hilfreich sein, da sie so das Unternehmen, die Arbeitsabläufe in anderen Abteilungen und die Schnittstellen zur eigenen Abteilung kennenlernen.
Ferner lassen sich auch hier wertvolle berufliche Kontakte knüpfen. Der Einblick in den Arbeitsalltag einer anderen Abteilung kann auch für bereits langjährige Mitarbeiter äußerst gewinnbringend sein, weil es hilft, bestimmte Vorgänge besser nachvollziehen zu können. Außerdem kann es der erste Schritt zu einer internen Umorientierung sein.
Von zukünftigen Führungskräften wird das Konzept ebenfalls genutzt, um von erfahrenen Mitarbeitern mit Führungsposition zu lernen. Hierbei stehen nicht ausschließlich abteilungsbezogene Aufgaben und Abläufe im Vordergrund, sondern auch Führungsaspekte, wie Kommunikation und Auftreten.
Auch Arbeitssuchende können Job Shadowing nutzen, um sich beruflich zu orientieren.
Echte Mehrwerte für Arbeitgeber
Wie bereits erwähnt, hilft Job Shadowing, Arbeitsabläufe besser zu verstehen, erweitert den eigenen Horizont und baut das berufliche Netzwerk aus. Unklarheiten können geklärt und gemeinsam neue Lösungen gefunden werden. So wird das abteilungsübergreifende Denken gefördert. Zusätzlich werden Talente gefördert und weiterentwickelt. Mitarbeiter, denen ein Shadow bei ihrer Arbeit über die Schulter schaut, fühlen sich zudem stärker wertgeschätzt. Damit trägt das Konzept zu einer offenen und lernbereiten Unternehmenskultur bei.
Dennoch darf nicht unterschätzt werden, dass ein Job Shadowing-Einsatz einiges an Vorbereitung bedarf. Das Shadowing muss ausführlich geplant werden und beide Parteien müssen sich die entsprechende Zeit für den Einsatz nehmen. Eine neue Person im Team stört auch immer den Arbeitsablauf und kann daher gegebenenfalls zu Unproduktivität während der Dauer des Einsatzes führen. Besonders bei externen Shadows muss auch das Thema der Verschwiegenheit und Vertraulichkeit geklärt werden: Welche Informationen darf der Shadow sehen? Wie wird damit umgegangen? Außerdem sollte die Essenz eines Job Shadowings nicht überschätzt werden. Die Shadows sind in der Regel nur eine kurze Zeit in der Abteilung und können daher auch nur begrenztes Wissen sammeln.
Tipps zur Implementierung von Job Shadowing
Arbeitgeber können von den Vorteilen von Job Shadowing und der breiten Zielgruppe an Interessenten profitieren. Jedoch müssen einige Aspekte beachtet werden:
In der Unternehmenskultur verankern
Personaler müssen auf die Möglichkeit des Job Shadowings aufmerksam machen. Das kann zum Beispiel durch interne Rundschreiben geschehen. Auch Führungskräfte sollten das Angebot regelmäßig an ihre Mitarbeiter herantragen.
Ziel des Einsatzes planen
Um bestmögliche Erfahrungen aus dem Job Shadowing zu ziehen, sollten im Voraus die Ziele festgelegt werden: Soll eine abteilungsübergreifende Unternehmenskultur geschaffen werden? Steht die Gewinnung junger potenzieller Fachkräfte im Vordergrund? Oder soll Neueinsteigern der Einstieg ins Unternehmen vereinfacht werden?
Art des Job Shadowings festlegen
Die Personalabteilung sollte Dauer und Umfang des Job Shadowings im Voraus klar definieren. Auch sollte festgelegt werden, in welcher Form der Einsatz stattfindet – ob in Präsenz oder Online.
Die passenden Mentoren finden
Ein Shadow lernt in der Regel von einer Person, die bereits einige Zeit im Unternehmen ist und sehr gute Kenntnisse in ihrem Fachbereich aufweist. Ferner sollte der Mentor auch bereit sein, sein Wissen weiterzugeben. Daher gilt es, den passenden Mitarbeiter zu identifizieren.
Tagesablauf planen
Ferner sollte ein einheitlicher Plan bestehen, wie ein grundsätzlicher Tag im Job Shadowing aussehen sollte, zum Beispiel: Kennenlernen, Besprechung der Agenda, Zeigen der einzelnen Themenpunkte, Zeit für Fragen und ein Abschlussgespräch. Dieser Ablauf kann dann individuell angepasst werden, aber dient als grobe Richtlinie.
Feedback zum Einsatz nicht vergessen
Feedback ist unerlässlich. Daher sollten Personaler ein Feedbackgespräch zum Ende des Einsatzes oder nach dem Einsatz etablieren. Hier können beide Parteien offen über den Einsatz sprechen. Reflexionsfragen können zum Beispiel sein: Was lief gut? An welchen Stellen gibt es noch offene Fragen? Wurden dem Shadow alle wichtigen und gewünschten Bereiche gezeigt?
Dieses Gespräch kann auch gemeinsam mit der Personalabteilung stattfinden.
Erfolge messen
Ist das Job Shadowing im Unternehmen etabliert, gilt es zu prüfen, ob die gewünschten Ziele erreicht werden. Möglich ist das zum Beispiel mithilfe anonymer Umfragen von den Mitarbeitern. Hier kann auch die grundsätzliche Bereitschaft aller Beschäftigten zu Job Shadowing ermittelt werden.
Job Shadowing kann bei guter Planung ein bereichernder Ansatz im HR sein, sowohl zur Rekrutierung junger Fachkräfte als auch zur Weiterbildung bestehender Mitarbeiter. Es fördert eine offene Unternehmenskultur, in der gegenseitig voneinander gelernt werden kann. Eine gute Planung und regelmäßige Feedbackrunden sind allerdings die Grundlage hierfür.