Freuding warnt vor Drohnenlawine – und zweifelt an Europas Abwehrökonomie
Russland plane, gleichzeitig 2.000 Drohnen auf die Ukraine loszulassen. Das sagte General Christian Freuding, Leiter des Ukraine-Lagezentrums im deutschen Verteidigungsministerium, in einem Interview, das die Bundeswehr am Samstag veröffentlichte. Ein solcher Angriff würde die ukrainischen Luftverteidigungssysteme massiv herausfordern, so Freuding. Nach seinen Angaben baut Russland die Drohnenproduktion in rasantem Tempo aus, um diese künftig großflächig militärisch einsetzen zu können. Dabei betonte Freuding, dass klassische Luftverteidigungsmethoden – etwa das Abfangen iranischer „Shahed“-Drohnen mit teuren Patriot-Raketen – wirtschaftlich nicht tragfähig seien. Eine Drohne koste 30.000 bis 50.000 Euro, eine Patriot-Rakete hingegen mehr als 5 Millionen Euro.
Freuding hob hervor, dass kostengünstige Abwehrsysteme notwendig seien, idealerweise mit Stückkosten von 2.000 bis 4.000 Euro, um massiven russischen Drohnenangriffen wirkungsvoll begegnen zu können. Als weitere taktische Maßnahme schlug Freuding vor, russische Ziele im rückwärtigen Raum anzugreifen – darunter Militärflugplätze, Flugzeuge und Objekte der Rüstungsindustrie.
Drohnenproduktion wird massiv ausgeweitet
Laut „Kyiv Independent“ hatte der ukrainische Auslandsgeheimdienst im Juni gegenüber „Politico“ erklärt, dass der Kreml für 2025 die Produktion von 2 Millionen FPV-Drohnen (First Person View) und 30.000 Langstreckendrohnen sowie deren Attrappen plane – ein gravierender Ausbau des russischen Drohnenkriegsprogramms. Daten der britischen Konfliktbeobachterorganisation „Airwars“ zufolge setzte Russland vom 13. September 2022 bis zum 30. August 2023 fast 2.000 „Shahed“-Drohnen gegen die Ukraine ein. Im Jahr 2025 habe sich diese Zahl drastisch erhöht – allein im Juni habe Moskau mit 5.337 „Shahed“-Drohnen einen neuen Rekord aufgestellt.
Freudings Äußerungen erfolgten inmitten einer neuen Angriffswelle Russlands mit iranischen Drohnen auf ukrainische Städte – auch in den westlichsten Regionen des Landes, so das Wirtschaftsportal Verslo žinios. Am 9. Juli setzte Russland landesweit 728 „Shahed“-Drohnen und Attrappen ein – ein neuer Höchstwert. Ukrainische Behörden warnten Anfang Juli, dass die Zahl solcher Angriffe auf bis zu 1.000 Drohnen pro Tag steigen könnte. Freuding zufolge wird die Ukraine im Rahmen einer Vereinbarung mit Deutschland bis Ende Juli Hunderte Langstreckenwaffensysteme erhalten. Als Reaktion auf die zunehmende russische Drohnenproduktion hat auch die Ukraine ihre Fertigung ausgebaut und setzt diese intensiv gegen Ziele in Russland sowie entlang der Frontlinie ein. Der ehemalige ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow erklärte im Juni, Kiew könne derzeit jährlich 4 Millionen Drohnen herstellen. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte zudem, es könnten bis zu 8 Millionen Drohnen produziert werden – jedoch nur mit internationaler finanzieller Unterstützung.
Moskau kündigt Militärabkommen mit Berlin
Wie „Kyiv Independent“ berichtet, unterzeichnete der russische Premierminister Michail Mischustin am 18. Juli ein Dekret, mit dem Moskau das militärische Kooperationsabkommen mit Deutschland aufkündigte. Das ursprüngliche Abkommen wurde 1996 geschlossen – nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Zerfall der Sowjetunion. Das russische Außenministerium erklärte, das Abkommen habe durch die „feindliche“ Haltung Berlins gegenüber Moskau seine Bedeutung verloren. „Unter den gegenwärtigen Umständen hat das Abkommen seinen Sinn und seine praktische Bedeutung verloren – aufgrund der offen feindlichen Politik der deutschen Behörden und der zunehmend aggressiven militärischen Ambitionen der Bundesregierung“, teilte das russische Außenministerium mit.
Zeitgleich äußerte sich Bundeskanzler Friedrich Merz mit Blick auf die EU-Beitrittsperspektive der Ukraine. Laut „Reuters“ erklärte er, die Ukraine werde der EU voraussichtlich nicht vor Ende des nächsten EU-Finanzrahmens im Jahr 2034 beitreten. Friedrich Merz betonte, Deutschlands Priorität sei es, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden und sich auf den langfristigen Wiederaufbau des Landes zu konzentrieren. „Unsere absolut höchste Priorität ist es, zunächst alles in unserer Macht Stehende zu tun, damit dieser Krieg endet. Danach werden wir über den Wiederaufbau der Ukraine sprechen ... doch das wird einige Jahre dauern. Voraussichtlich wird dies keine Auswirkungen auf die aktuellen mittelfristigen Finanzperspektiven der EU haben“, so Merz.
Die Ukraine hatte ihren Antrag auf EU-Mitgliedschaft kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Jahr 2022 gestellt. Ende desselben Jahres erhielt sie den Kandidatenstatus. Die Beitrittsverhandlungen gliedern sich in sechs Kapitel – darunter politische, wirtschaftliche und rechtliche Reformen.