Nicht-Banken und fehlende EU-weite Einlagensicherung im Fokus der Warnungen
Dominique Laboureix ist nicht sonderlich besorgt – obwohl er dafür bezahlt wird. „Ich schlafe sehr gut“, sagt der Chef des einheitlichen Abwicklungsausschusses (Single Resolution Board, SRB) der EU im Gespräch mit dem Business Post aus seinem Büro im Zentrum von Brüssel, das an die imposante gotische Kathedrale St. Gudula grenzt. In gewisser Weise hat er Grund zur Gelassenheit: In den zehn Jahren seit der Gründung seiner Behörde musste nur zweimal eingegriffen werden, um marode Banken zu stützen – 2017 bei der spanischen Banco Popular und bei den kroatischen und slowenischen Tochtergesellschaften der russischen Sberbank, die nach Moskaus Einmarsch in die Ukraine kollabierten. Der sechsköpfige Abwicklungsausschuss verfügt zudem über einen 78 Milliarden Euro schweren Abwicklungsfonds, um notleidenden Banken den Verkauf gesunder Teile zu ermöglichen oder Brücken- beziehungsweise „Bad Banks“ nach dem Vorbild der irischen Nama zu schaffen. „Wir haben einen völlig neuen Rahmen für das Krisenmanagement von Banken geschaffen“, sagt er. „Jetzt sind wir 21 von 27 Mitgliedern der Europäischen Union. In den vergangenen Jahren konnte unsere Bankenbranche extrem schwierige Umstände meistern und Widerstandskraft zeigen.“
Schnellere Krisen, mehr Risiken
Trotzdem gibt es Punkte, die Laboureix, früherer französischer Zentralbanker und Spitzenbeamter der Finanzaufsicht, beschäftigen. Einer davon ist die rasante Entwicklung von Risiken und das Tempo, mit dem sich Krisen heute zuspitzen – wie beim Kollaps der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) 2023, als Tech-Unternehmer nach Zinsanhebungen massenhaft Einlagen abzogen und so Verluste aus den Wertpapierbeständen realisierten. „Sehen Sie sich die SVB-Krise an – die Geschwindigkeit des Bank-Runs, die Rolle der sozialen Medien, das Reputationsrisiko“, sagt er. „Risiken verändern sich, sie wachsen. Hinzu kommt das extrem komplexe geopolitische Risiko. Die Kriege, die Zölle – das kann endlos weitergehen. Das Risiko sinkender künftiger Erträge ist real. Manche Bereiche müssen höhere Rückstellungen bilden, und die Unsicherheit ist extrem hoch. Hinzu kommen strukturelle Themen: Klimawandel, Digitalisierung, Alterung. Ein Zollkrieg mit einer Trump-Regierung macht die Erderwärmung nicht weniger relevant. Wir sind von Unsicherheiten umgeben und müssen äußerst wachsam sein.“
Nicht-Banken im Visier
Zunehmend bereitet ihm auch der Aufstieg von Nicht-Banken und Zahlungs-Apps wie Apple Pay, Revolut, PayPal oder Raisin Sorgen. Irland sei ein interessantes Beispiel: Revolut, mit EU-Hauptsitz und Banklizenz in Litauen, hat dort über drei Millionen Kunden – mehr als die Hälfte der Bevölkerung – und zählt damit zu den meistgenutzten Banken pro Kopf in der EU. Für Laboureix ist dies ein starkes Argument für eine gesamteuropäische Einlagensicherung. Derzeit sind bis zu 100.000 Euro pro Bank aus nationalen, von den jeweiligen Banken finanzierten Fonds abgesichert. „Was irische Bürger vielleicht nicht wissen: Die Einlagensicherung dieser Bank sitzt immer noch in einem kleinen europäischen Land, nicht in Irland“, sagt er. Die Stärke eines Fonds hänge immer von der Wirtschaftskraft des Landes ab, in dem er angesiedelt ist. „Eine Garantie in Deutschland ist nicht dasselbe wie in Zypern – in Größe, Stärke und Auszahlungskapazität.“ Revolut, das 2023 einen Nettogewinn von einer Milliarde Dollar erzielte und weltweit über 50 Millionen Kunden zählt, lehnte eine Stellungnahme ab. Ziel der Fonds und der EU-Bankenreform nach 2008 ist, Steuerzahler nicht mehr als Erste für Bankenrettungen heranzuziehen. Kapitalpuffer der Banken sollen Verluste auffangen, bevor Einlagensicherungsfonds im Falle einer Pleite oder eines Bank-Runs einspringen. Im vergangenen Monat einigten sich EU-Unterhändler darauf, maroden – insbesondere kleineren – Banken leichteren Zugang zu nationalen Einlagensicherungsfonds und dem Abwicklungsfonds zu ermöglichen, falls die eigenen Kapitalpuffer nicht ausreichen. Für Laboureix fehlt im System weiterhin die gesamteuropäische Einlagensicherung: „Der Markt selbst wird den Fall dafür liefern.“
Regeln für neue Akteure
Auch Nicht-Banken müssten in ein Mindestregelwerk für Krisenbewältigung eingebunden werden, fordert er: „Das vertrete ich persönlich – viele andere nicht. Die Debatte lautet: immer mehr Regeln für Banken oder ein Minimum an Regeln für die anderen?“ Das könnte jedoch dem „Vereinfachungs“-Programm von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen widersprechen, das viele als Deregulierung deuten. Für Laboureix bedeutet Vereinfachung nicht, Kapital-, Liquiditäts- oder Offenlegungsstandards zu senken – auch nicht für politische Prioritäten wie bezahlbaren Wohnraum. Irische Banken fordern aktuell eine Absenkung der Kapitalanforderungen für Kredite an Wohnungsbaugesellschaften. „Bezahlbarer Wohnraum ist wichtig, aber wenn wir die Regeln lockern, wird das am Ende durch Ausfälle bezahlt“, warnt er. Ähnlich sehe er es bei der Verteidigungsfinanzierung: „Wir sollten die Risikogewichtung nicht verzerren, um einzelne Sektoren zu bevorzugen – das schwächt langfristig die Glaubwürdigkeit und Solvenz der Banken.“
Vorbereitung auf den Ernstfall
Wie die nächste Krise aussieht, weiß Laboureix nicht – sein Team von fast 500 Mitarbeitern bereitet sich jedoch auch auf Szenarien wie einen Cyberangriff mit Datenmanipulation vor. „Wenn Daten verfälscht sind, wird es extrem schwierig festzustellen, ob eine Bank scheitert, und die Einlagensicherung korrekt auszulösen. Wissen Sie dann noch, wie hoch Ihr Kontostand ist?“ Darum müsse seine Organisation in ständiger Weiterentwicklung bleiben. „Deshalb sage ich: Ich werde wirklich dafür bezahlt, mich ständig zu sorgen.“