Finanzen

Von wegen Krise: Banken schwimmen wieder im Geld

Lesezeit: 6 min
22.10.2023 08:08  Aktualisiert: 22.10.2023 08:08
Dem Bankensektor geht es prächtig. Dank sprudelnder Zinseinnahmen sind die Gewinne so hoch wie selten zuvor. Aber wie lange kann das gut gehen?
Von wegen Krise: Banken schwimmen wieder im Geld
Die Banken verdienen zurzeit jede Menge Geld. (Foto: dpa)
Foto: Deutsche Bundesbank

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Die Banken erwirtschaften Rekordgewinne. Zahlen der Unternehmensberatung McKinsey zufolge verzeichneten alle Finanzinstitute der Welt zusammen genommen 2022 einen Nettoprofit von 1,3 Billionen (Tausend Milliarden) Dollar. Die Schätzung für 2023 liegt mit 1,4 Billionen Dollar sogar noch höher. Die letzten eineinhalb Jahre waren demnach der beste Zeitraum seit 2007, damals noch kurz vor der Finanzkrise.

Die Schlagzeilen der letzten zwei Jahre waren eigentlich voll von schlechten Nachrichten. In diesem Jahr gab es die größten Bankzusammenbrüche seit der Finanzkrise. Die Silicon Valley Bank (SVB) wurde durch die höheren Zinssätze schwer getroffen; First Republic und Credit Suisse folgten bald. Probleme mit strengen Regulierungsvorschriften sind ein Dauerthema. Aber der Bankensektor als Ganzes sieht erstaunlich gesund aus.

Oben stehen die absoluten Zahlen. Auch die relativen Gewinne, also im Verhältnis zum Eigenkapital, haben 2022 mit 12 Prozent ein Zwischenhoch erreicht. Zum Vergleich: Laut McKinsey beträgt die durchschnittliche Eigenkapital-Rendite seit Ende der Finanzkrise (2009-2022) nur 9 Prozent. In dieser Phase wurden bis Anfang 2022 die Zinsen nahezu kontinuierlich gesenkt, bis sie irgendwann in manchen Regionen, allen voran im Euroraum, die Nulllinie erreichten.

Der Schlüssel zum Erfolg: Eine hohe Zinsmarge

Unter den Banken gab es auch solche, die das gut verkraften konnten, aber der Sektor allgemein litt unter der lockeren Geldpolitik. Denn das Kerngeschäft der meisten Banken, Immobilien- und Unternehmens-Kredite, wurde immer weniger rentabel, weil die sogenannte „Nettozinsmarge“ sank. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um die Differenz zwischen dem Zins, den eine Bank auf die Einlagen der Kunden, ihre eigenen Anleihen sowie sonstige Refinanzierungs-Vehikel bezahlt und dem Zins, den die Bank von den Schuldnern verlangt.

Diese schlechten Zeiten sind vorerst vorbei. Der Zinszyklus hat das Vorzeichen gewechselt und es sieht so aus, als würden die Zinsen noch weiter steigen und dann längere Zeit auf einem hohen Niveau verharren. Der Anstieg der weltweiten Zinssätze hat sich im Großen und Ganzen sehr positiv auf die Geschäfte der Banken ausgewirkt, weil sie die höheren Zinsen bisher nur geringfügig an die Einleger weitergeben. Die Nettozinsmarge ist also massiv gestiegen.

Dem nahezu ein Jahrzehnt lang wankendem europäischem Bankensektor geht es wieder ziemlich gut. Der Leitzins im Euroraum (4,5 Prozent) ist zwar etwas geringer als in den USA (5,25-5,50 Prozent), aber die Institute zahlen laut Daten der EZB im Schnitt mit 0,31 Prozent fast schon absurd niedrige Zinsen aufs Tagesgeld. Die europäischen Banken haben so viel Geld verdient, dass Spanien, die Niederlande, Italien, Ungarn, Tschechien, Litauen und zuletzt Irland Spezial-Steuern auf Bankgewinne eingeführt haben.

Die Nettozinsmarge von Europas Banken beträgt gesunde 1,6 Prozent, in Deutschland sind es nur 1,1 Prozent. Was nicht andeuten soll, dass es den deutschen Finanzinstituten schlecht geht. Laut Berechnungen der Düsseldorfer Unternehmensberatung Barkow Consulting haben „22 große deutsche Banken […] ihren Gewinn vor Steuern im ersten Halbjahr 2023 um weitere 37 Prozent auf 13,4 Mrd. Euro gesteigert.“ Von 2016 bis 2020 lief es laut Barkow erheblich schlechter, 2021 – also noch vor den ersten Zinserhöhungen der Zentralbanken – kam die Trendwende.

Barkow kommentiert: Das bestätigt unsere Einschätzung, dass die Zinswende weiterhin positive Auswirkungen hat, allerdings bleibt auch zu hoffen, dass das Bewertungsergebnis keine unangenehmen Überraschungen mit sich bringt.

Letzteres spielt auf einen negativen Effekt der Zinswende an: Die Abwertung des Anleihebestands in den Bankbilanzen. Diese Abwertung ist jedoch von außen nicht sichtbar, solange diese Papiere nicht verkauft werden müssen, wie es etwa beim Kollaps der amerikanischen SVB passierte. Banken dürfen Anleihen zum Kaufwert in den Büchern stehen lassen, selbst wenn der Marktwert deutlich darunter liegt. Man spricht dann von „unrealisierten Verlusten“.

US-Großbanken sitzen auf hunderten Milliarden Dollar an solchen theoretischen Verlusten. Das ist aber kein Problem, solange die Kunden ihr Geld nicht scharenweise abziehen oder eine neue Finanzkrise dafür sorgt, dass die Banken in Liquiditätsnot geraten. Trotz etwa höherer Einlage-Zinsen (Durchschnitt 0,57 Prozent) sind die US-Banken mit einer Nettozinsmarge von 3 Prozent noch deutlich profitabler als die europäischen Finanzhäuser. Das liegt neben dem höheren Zinsniveau unter anderem an oligopolistischen Tendenzen, welche für geringeren Wettbewerb bei den Kreditzinsen sorgen. Anders als in Deutschland mit seinen starken Genossenschaftsbanken spielen in den USA kleinere Institute kaum eine Rolle, die Schwergewichte dominieren das Geschehen.

Kostensenkungen waren erfolgreich

Stichwort Großbanken. Ein weiterer Faktor, der die Gewinnentwicklung tendenziell positiv beeinflusst, ist die allgegenwärtige Konsolidierung. Besonders in Europa und Nordamerika wird die Anzahl an klassischen Finanzinstituten immer geringer. Zuletzt hatte sich der US-Gigant J.P. Morgan die strauchelnde First Republic Bank einverleibt. Je weniger Banken es gibt, umso geringer ist der Konkurrenzkampf, umso größer ist das Stück vom Kuchen für jeden und umso mehr Skaleneffekte können die sich vergrößernden Banken realisieren.

Außerdem machen sich jetzt allmählich die Kostensenkungsprogramme der letzten Jahre positiv bemerkbar. Bei vielen Banken wurden im großen Stil Mitarbeiter entlassen, was zunächst hohe Einmalkosten in Form von Abfindungen verursachte. Neuerdings hinzu kommt eine höhere Effizienz durch die Implementierung von intelligenten Sprachbots ala ChatGPT. KI spart Kosten, vor allem im Kundenmanagement. McKinsey schätzt, dass generative KI die operativen Kosten global um 200 bis 300 Milliarden Dollar reduzieren kann.

Die Kosten sind zuletzt schon deutlich gefallen. Eine wichtige Kennzahl in der Bankenbranche ist in diesem Kontext das „Kosten-Ertrags-Verhältnis“. Dieses ist laut McKinsey von 2012 bis 2022 von durchschnittlich 59 auf 52 Prozent gesunken.

Chinesische Staatsbank noch profitabler als J.P. Morgan

Welches sind eigentlich die profitabelsten Banken der Welt? Rein nach absoluten Gewinnen sind das nicht, wie viele vielleicht erwarten, die großen US-Institute, sondern die chinesischen Staatsbanken „Industrial and Commercial Bank of China“ (Nettogewinn 2022: 55,3 Milliarden Dollar) und die „China Construction Bank“ (48,5 Milliarden). Fraglich ist, ob das so bleibt. Turbulenzen auf dem angeknacksten Immobilienmarkt könnten für dramatische Gewinneinbußen sorgen und die Staatsbanken sind hier traditionell sehr stark engagiert.

Erst dahinter folgen aktuell die Schwergewichte aus den Vereinigten Staaten, J.P. Morgan (37 Milliarden Dollar), Bank of America (27,4 Milliarden) und Wells Fargo (16 Milliarden). Alle drei vermeldeten jüngst starke Zahlen, während Morgan Stanley und Citigroup eher enttäuschten.

J.P. Morgan ist als konstant hochprofitable und wohl mächtigste Bank der Welt einen genaueren Blick wert. Die gestiegenen Zinsen und die von vielen Experten als Schnäppchen eingestufte Übernahme der First Republic haben im dritten Quartal überraschend viel Geld eingespielt. Unter dem Strich stand ein Quartalsgewinn von 13,15 Milliarden Dollar und damit 35 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Großbank der Großbanken gilt als sicherer Hafen und kann es sich deshalb erlauben, den Kunden nur 0,01 Prozent aufs Tagesgeld anzubieten.

Bankchef Jamie Dimon sieht die Welt derweil in der womöglich gefährlichsten Lage seit Jahrzehnten. Der Krieg in der Ukraine und der Überfall der Hamas auf Israel könnten weitreichende wirtschaftliche und geopolitische Folgen haben, sagte er bei der Vorlage der Quartalsbilanz.

Deutsche Bank steigert Gewinn kräftig

Ganz so gute Zahlen wie J.P. Morgan kann die Deutsche Bank nicht vorweisen. Im zweiten Quartal verdiente man netto 1,4 Milliarden Euro (umgerechnet 1,6 Milliarden Dollar), getrieben von höheren Zinsmargen und gedämpft von Restrukturierungskosten. Das ist immer noch formidabel, wenn man sich die gebeutelte Historie von Deutschlands größtem Finanzhaus vergegenwärtigt. Die Ergebnisse des dritten Quartals werden am 25. Oktober veröffentlicht. Analysten erwarten einen weiter steigenden Gewinn.

2019 hatte die Deutsche Bank noch einen Verlust von 5,8 Milliarden Euro verkraften müssen. 2020 war wieder leicht im grünen Bereich, seitdem steigt der Gewinn von Jahr zu Jahr massiv an. Der Sanierungsplan scheint aufzugehen. Das Kerngeschäft wurde vor 5 Jahren weg vom volatilen und US-fokussierten Investmentbanking hin zum klassisch Kreditgeschäft mit Unternehmens- und Privatkunden verlagert und ein teures Entlassungsprogramm durchgezogen. Der Strategiewechsel stellte sich als Glücksgriff heraus, denn so war das Institut (wahrscheinlich ungeplant) ideal für die 2022 einsetzenden Zinserhöhungen positioniert. Als die Zinswende kam, waren die Weichen schon gestellt, um davon im Kreditgeschäft zu profitieren.

Andere deutsche Banken meldeten ebenfalls gute Zahlen. Die auf Unternehmenskunden spezialisierte genossenschaftliche DZ Bank verdoppelte den Gewinn im ersten Halbjahr auf 2 Milliarden Euro. Die größte Direktbank ING konnte den Quartalsgewinn vorwiegend dank höherer Zinserträge um 83 Prozent zum Vorjahr steigern. Die BayernLB, nach Bilanzsumme immerhin Deutschlands siebtgrößtes Institut, erwartet dieses Jahr einen Gewinn von bis zu 1,3 Milliarden Euro.

Der Markt wartet indes gespannt auf die neuen Quartalszahlen der UBS. Das größte Schweizer Finanzhaus hatte im zweiten Quartal mit 25,5 Milliarden Franken (rund 30 Milliarden Dollar) den größten nominalen Gewinn einer Bank aller Zeiten vermeldet. Hauptgrund dafür war ein einmaliger bilanzieller Effekt durch die Übernahme der Credit Suisse.

Und was macht der globale Süden? Dessen Finanzsektor ist noch in der Wachstumsphase. Der Bericht von McKinsey bescheinigt Banken in Ländern, die an den Indischen Ozean grenzen, wie Indien, Singapur, Indonesien, Vietnam, Dubai, Katar und Teilen Ostafrikas eine besonders gute Zukunft. Dort seien die Hälfte der leistungsstärksten Banken der Welt zu finden.

Unsichere Zukunft

Wird der Höhenflug der Banken weiter gehen? Es ist schwer vorstellbar, dass sich die Kunden auf Dauer so niedrige Einlage-Zinsen aufs Tagesgeld gefallen lassen. Längerfristige Sparkonten oder Geldmarktfonds bieten realistische Alternativen. Immer mehr Online-Banken buhlen auch um Kundengelder. Die größtenteils unprofitablen Neobanken werden zudem aggressiv versuchen, ihren derzeit vernachlässigbaren Marktanteil im attraktiven Kreditgeschäft zu steigern.

Sollte der Zinserhöhungszyklus genauso schnell rückgängig gemacht werden, wie er durchgezogen wurde, wäre das für die Zinsmarge der Banken bedrohlich. Die Entscheidungen der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) sind hier entscheidend, weil sie die Geldpolitik auf dem ganzen Globus lenken. Eine weitere Gefahr sind dramatisch steigende Unternehmens-Insolvenzen und Kreditausfälle infolge einer weltweiten Rezession. Das größte Risiko ist vermutlich eine wieder aufkeimende Bankenkrise, die sich zu einer größeren Finanzkrise entwickeln könnte.

Zum Autor:

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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