Bei den großen Neobanken – allen voran der britischen Revolut und der deutschen N26 – häufen sich mal wieder die Skandale. Die jüngsten PR-Schäden sind aber noch harmlos im Vergleich zu den wirtschaftlichen Problemen. Die gesamte Fintech-Branche steckt in der Krise. Der Wettbewerb um die Smartphone-Kundschaft ist knüppelhart, ständig kommen neue Anbieter auf den Markt. Das erschwert die zur Erreichung der Profitabilität dringend notwendige Skalierung des Geschäfts.
Die Neobanken heben es besonders schwer, denn sie konkurrieren nicht nur untereinander, sondern auch mit den klassischen Banken. Die Zinswende hat zudem dafür gesorgt, dass Online-Banken den Sparern perspektivisch ein paar Prozent Zinsen bieten müssen, wenn Sie nicht riskieren wollen, die mobilen jungen Kunden an einen der zahlreichen Konkurrenten zu verlieren. Der Platzhirsch ING zahlt nun 3 Prozent aufs Tagesgeld und setzt die junge Konkurrenz unter Druck. Revolut bietet schon verschiedene Zinsprodukte an, bei N26 ist man noch in der Planungsphase.
Besonders hart ist der Wettbewerb in Europa (dort insbesondere Schweden und Großbritannien), den Vereinigten Staaten, Brasilien und Südkorea. J.P. Morgan ist 2021 mit seiner eigenen Neobank namens „Chase“ in den Zukunftsmarkt eingestiegen. Die Chase-App ist bislang nur in UK verfügbar, die Expansion nach Deutschland soll Ende 2024 erfolgen. Selbst in bisher kaum erschlossenen Regionen wie Nordafrika und dem mittleren Osten stehen von namhaften Investoren finanzierte Aspiranten wie „Zand“, „Wio“ und „MNT-Halan“ in den Startlöchern.
Die 2015 gegründete Revolut Bank ist eine der wenigen Neobanken, die es bislang in die Gewinnzone geschafft haben. Als Kunde oder Außenstehender fragt man sich häufig, wie das ganze Geschäftsmodell, dessen Kundschaft hauptsächlich am kostenlosen Girokonto, der Debitkarte und Cashback-Angeboten interessiert ist, überhaupt tragfähig sein kann. Die Unternehmensberatung Simon-Kucher schätzt in einem Spezialbericht, dass von den rund 400 Neobanken auf der Welt weniger als 5 Prozent kostendeckend sind.
Wer nun glaubt, dass zumindest die Finanz-Startups außerhalb des Bankgeschäfts profitabel sind, der irrt. Die großen Neobroker wie Trade Republic und Scalable wachsen zwar rasant, erwirtschaften aber immer noch tiefrote Zahlen. Und wie das zweiprozentige Zinsangebot von Trade Republic zeigt, müssen auch die Neobroker dem neuen Zinsumfeld Rechnung tragen.
Die Erfolgsstory der brasilianischen „Nubank“
Zu den wenigen profitablen Neobanken zählt diejenige mit den weltweit meisten Nutzern, 80 Millionen an der Zahl (zum Vergleich: N26 hat 8 Millionen Kunden). Es handelt sich um die brasilianische „Nubank“, die den lateinamerikanischen Markt dominiert. Im ersten Quartal 2023 verdoppelte sich der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dadurch konnte erstmalig der Break-Even-Punkt überschritten und ein Gewinn von 142 Millionen Dollar erzielt werden. Im Gesamtjahr 2022 war der Verlust mit 9 Millionen Dollar schon sehr gering ausgefallen, während 2021 noch 165 Millionen an Miesen vermeldet wurde.
Nubank bietet die volle Palette an Finanzdienstleistungen an, von Banking über Versicherungen bis hin zu Anlageprodukten. Trotz der relativ geringen Kaufkraft der Kunden und einer höheren Ausfallrate auf das Kredit-Portfolio ist die Online-Bank profitabel. Das dürfte vor allem an der schon jetzt riesigen Nutzerbasis und einer überdurchschnittlichen Kosteneffizienz liegen.
Nicht zu unterschätzen ist der Fokus auf den lateinamerikanischen Markt und den ärmeren Teil der Bevölkerung, die bei Nubank teilweise ihr erstes Bankkonto überhaupt eröffnen. Der Großteil der Nutzer kommt aus Brasilien, wo die etablierten Banken-Oligopole ihre Dienstleistungen mit hohen Gebühren für viele Bürger unerschwinglich machen. Darüber hinaus ist das Fintech momentan nur in Mexiko und Kolumbien aktiv.
Nubank ist börsennotiert und hat eine Marktkapitalisierung von knapp 40 Milliarden Dollar, was es zur derzeit wertvollsten Neobank der Welt macht. Im Vergleich zum Jahresanfang hat sich der Börsenwert der Online-Bank grob verdoppelt. Warren Buffet hatte über seine Beteiligungs-Gesellschaft Berkshire Hathaway vor dem Börsengang 500 Millionen Dollar in Nubank gesteckt. Im viertel Quartal 2022, als die Kurse von Tech-Aktien im Keller waren, erhöhte die Investment-Legende seine Position nochmal um eine Milliarde.
Es gibt also neben den vielen Verlierern auch einige Gewinner in der hart umkämpften Welt der Neobanken und Fintechs.
Finanzierungsprobleme
Viele Finanz-Startups haben hingegen Schwierigkeiten, Kapital aufzutreiben. Nach vielen Jahren der Nullzins-Politik kostet Geld wieder etwas. Investoren sind weniger liquide und risikoscheuer als früher. Das Magazin Verdict berichtet unter Berufung auf Daten des Researchdienst „GlobalData“, dass 2022 mit insgesamt 81,4 Milliarden Dollar nur noch ein Drittel der Vorjahres-Summe in Fintechs investiert wurde.
In privaten Finanzierungsrunden sind manche der vor zwei Jahren gehypten Neobanken plötzlich nur noch grob die Hälfe wert. Revolut soll laut Financial Times auf dem Zenit im Juli 2022 mit 33 Milliarden Dollar bewertet worden seien, jetzt sind es nach einer Abschreibung des Großinvestors „Schroders“ nur noch schätzungsweise 20 Milliarden. N26 ist nicht mehr 8 Milliarden Euro, sondern nur noch etwa 3 Milliarden wert.
Noch viel schlimmer sieht es bei anderen Fintechs aus. Die Bewertung des Bezahl-Dienstleisters Klarna (bekannt für „Buy Now, Pay Later“ Angebote) ist bei einer Finanzierungsrunde im Sommer letzten Jahres von 45 Milliarden Dollar auf 7 Milliarden zusammengeschrumpft. Klarna hat im Jahr 2022 operativ knapp eine Milliarde Dollar verbrannt.
Schnelles Wachstum allein reicht den Investoren nicht mehr. Der Fokus liegt jetzt mehr auf Profitabilität oder zumindest realistische Aussichten darauf. Es scheint jedoch so, als werde die Finanzierung über Risikokapital in Zukunft wieder etwas leichter . Denn zuletzt stieg die Risikobereitschaft an den Kapitalmärkten merklich an.
Lesen Sie dazu: Der nächste Finanzsturm? Teil 1: Die Rückkehr der Schrottanleihen
Hohe Verluste mit Freemium-Modell
Fast die gesamte Branche lockt Kunden vorwiegend mit kostenlosen Dienstleistungen und versucht dann kostenpflichtige Angebote zu verkaufen. Damit das funktioniert, braucht man attraktive Zusatzleistungen, die genügend Bestandskunden wirklich einen Mehrwert bieten, für den sie zu zahlen bereit sind. Außerdem ist eine rigorose Kosteneffizienz und folglich eine hinreichend große Kundenzahl, ergo Skalierung, notwendig.
Oder man erhöht die Gebühren, wozu sich einige Anbieter jetzt gezwungen fühlen. Revolut etwa machte sich bei Schweizer Kunden unbeliebt, als man Ende 2022 Gebühren für die Einzahlung mittels Kredit- und Debitkarte einführte. Das ist problematisch, denn gerade das Fehlen solcher Gebühren war der Kern der ursprünglichen Werbekampagne. Derweil weist N26 Nutzer des kostenlosen Girokontos bei jedem Login aggressiv auf zahlungspflichtige Premium-Konten hin.
Es gibt auch Anbieter, die nicht auf Crossselling, sondern von Beginn auf relativ niedrige und transparente Gebühren in einem Nischen-Geschäft setzten. Ein Beispiel ist die seit Ende 2021 börsennotierte Neobank „Wise“, die sich auf den Umtausch und die Überweisung von Fremdwährungen spezialisiert hat. Das Fintech hat weltweit 16 Millionen Kunden und ist schon seit Jahren profitabel. Im letzten Geschäftsjahr wurde eine massive Gewinnsteigerung auf umgerechnet 170 Millionen Euro erzielt. Wise profitierte dabei von den höheren Marktzinsen, die nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden.
Branche steht vor Konsolidierung
Nur die wenigsten Anbieter bekommen es derzeit hin, aber die Branche ist noch sehr jung. Die Profitabilität wird automatisch zunehmen, wenn eine gewisse Konsolidierung stattgefunden hat. Es gibt zu viele Marktteilnehmer, die sich gegenseitig der Skalierungsmöglichkeiten berauben. Auf lange Sicht dürfte sich die Spreu vom Weizen trennen, wie es irgendwann in jedem Wirtschaftssektor passiert.
Der ein oder andere Anbieter hat das gegenwärtige Umfeld schon nicht überlebt. Die deutsche Krypto-Bank „Nuri“ (ehemals Bitwala) musste den Betrieb einstellen. Die auf Jugendliche fokussierte niederländische Online-Bank „Ruuky“ konnte sich nur knapp drei Jahre am Markt halten, bevor es zur Insolvenz kam.