Politik

Koalitionsausschuss: Der Plan der Bundesregierung fürs zweite Halbjahr - mit fünf Großbaustellen der Koalition

„Bullshit“-Vorwürfe hier, eiserne Sparvorgaben da: Das Klima in der schwarz-roten Koalition ist angespannt. Jetzt will man im Koalitionsausschuss in den Arbeitsmodus zurückfinden. Allerdings klafft eine Milliardenlücke in der Finanzplanung, die beim Schreiben des Koalitionsvertrags noch nicht einberechnet war. Welche fünf Streitthemen auf die Koalition warten.
03.09.2025 14:03
Lesezeit: 3 min
Koalitionsausschuss: Der Plan der Bundesregierung fürs zweite Halbjahr - mit fünf Großbaustellen der Koalition
Im Bundeskanzleramt treffen sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD zum Koalitionsausschuss. Hinter den Kulissen wird laut kritisiert, dass nicht alle in der Koalition gleichermaßen bereit seien, einen Beitrag zum Sparen und Reformieren zu leisten. (Foto: dpa) Foto: Christoph Soeder

Ein Plan fürs zweite Halbjahr: Fünf Baustellen der Koalition

„Bullshit“-Vorwürfe hier, eiserne Sparvorgaben da: Das Klima in der schwarz-roten Koalition ist angespannt - und das, obwohl Union und SPD die Sommerpause eigentlich nutzen wollten, um die erhitzten Gemüter abkühlen zu lassen. Im Kanzleramt in Berlin treffen sich die Koalitionsspitzen heute, um sich zusammenzuraufen und einen neuen Anlauf für ihre Vorhaben im Herbst zu nehmen. Die Aufwärmphase von 100 Tagen ist vorbei, jetzt müssen die Regierungspartner beweisen, dass sie Versprochenes auch halten können.

Beim ersten Koalitionsausschuss im Mai hatte Schwarz-Rot ein Sofortprogramm mit mehr als einem Dutzend Maßnahmen beschlossen. „Es geht jetzt Schlag auf Schlag“, versprach Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) damals. Große Teile, wie steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten und Maßnahmen gegen überbordende Bürokratie, sollten schon vor den Sommerferien umgesetzt sein. Jetzt wollen die Partner Bilanz ziehen, ob das gelungen ist – und das Arbeitsprogramm für die zweite Jahreshälfte festzurren.

Neu dabei: Eine Lücke im hohen Milliardenbereich in der Finanzplanung, die beim Schreiben des Koalitionsvertrags noch nicht einberechnet war. Sie stellt viel Beschlossenes plötzlich wieder infrage - und sie offenbart, dass Union und SPD bei einigen Themen ganz unterschiedliche politische Ziele verfolgen.

Finanzierungslücke

Die Bundeshaushalte für 2025 und 2026 hat Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) einigermaßen geräuschlos auf die Beine gestellt. Doch in der Etatplanung für 2027 klafft ein 30 Milliarden Euro großes Loch. Keine Bundesregierung hat eine solche Finanzierungslücke jemals erfolgreich gestopft.

Auch Schwarz-Rot wird das durch Kürzungen und das erhoffte Wirtschaftswachstum allein kaum gelingen. Nötig sind nun teils wohl auch schmerzhafte Entscheidungen zum Beispiel zu Subventionen, zu Förderprogrammen und im Sozial- und Steuersystem. Aktuell drohen Maßnahmen wie eine höhere Pendlerpauschale und Förderung für Agrardiesel zusätzliche Löcher in den Etat zu reißen, die man sich eigentlich nicht leisten kann.

Hinter den Kulissen wird laut kritisiert, dass nicht alle in der Koalition gleichermaßen bereit seien, einen Beitrag zum Sparen und Reformieren zu leisten. Beim Koalitionsausschuss müsse man sich das in die Hand versprechen, heißt es.

Sozialreformen

Das Sozialsystem mit Rente, Kranken- und Pflegeversicherung, Bürgergeld und anderen Leistungen droht wegen der Konjunkturschwäche und der demografischen Entwicklung für die Beitragszahler immer teurer zu werden. Zwischen Union und SPD kochte zuletzt eine Grundsatzdebatte über die Kosten für den Sozialstaat hoch: Man könne sich das nicht mehr leisten, argumentiert die Union, Arbeitsministerin Bärbel Bas konterte knapp mit „Bullshit“.

Besonders das Bürgergeld steht im Fokus. Kanzler Merz setzte Bas in einem Sommerinterview unter Druck: Fünf Milliarden Euro müssten sich hier einsparen lassen, rechnete er der SPD-Chefin vor. "Wenn wir uns nicht mehr trauen, in einem Transfersystem, das in die falsche Richtung läuft, zehn Prozent einzusparen, dann versagen wir vor dieser Aufgabe", sagte der CDU-Chef in einem Interview von Sat.1. Noch am Abend war er mit Bas zum Essen verabredet, wie er bei einer Veranstaltung verriet. "Das gehört auch zu meinen Pflichten dazu. Ich sehe dem Abschluss dieses Abends mit Zuversicht entgegen."

Im Arbeitsministerium wird zwar an einem Reformentwurf gearbeitet. Im Fokus - das geht aus früheren Äußerungen von Bas hervor - dürften etwa nachgeschärfte Mitwirkungspflichten stehen. Nicht ganz, was die Union sich erhofft. Konkrete Beschlüsse sind zu diesem Thema beim Koalitionsausschuss heute nicht zu erwarten: Für längerfristige Reformen soll eine Kommission Vorschläge machen.

Steuererhöhungen

Ebenfalls angestoßen durch die Finanzierungslücken im Haushalt läuft eine Debatte über mögliche Steuererhöhungen, die Geld in die Staatskasse spülen könnten. Und zwar auf Chefebene: Klingbeil hatte höhere Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende nicht ausgeschlossen. Merz erteilte solchen Ideen dagegen eine prinzipielle Absage.

Inzwischen sprach sich allerdings mit dem Vorsitzenden der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Dennis Radtke, auch ein Unionspolitiker für bestimmte Erhöhungen aus: Die Erbschaftsteuer könne verschärft werden. Außerdem könne die Reichensteuer, die mit 45 Prozent noch über dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent liegt, etwas angehoben werden.

Zuletzt legte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch nochmal nach: "Wenn wir die mittleren Einkommen entlasten wollen und vielleicht sogar den Spitzensteuersatz später beginnen lassen wollen, dann muss man sagen, wie man das finanziert. Und dann müssen die, die eben ganz, ganz viel haben, unter Umständen auch mehr zur Kasse gebeten werden", sagte er im Podcast von Politico.

Investitionen

Noch nie hat eine Bundesregierung so hohe Investitionen geplant - doch wie stellt man sicher, dass das Geld auch wirklich abfließt? Das war in den vergangenen Jahren bereits ein Problem. Nun ist ein Investitionsbeschleunigungsgesetz im Gespräch, das im Koalitionsausschuss festgezurrt werden könnte. Außerdem sollen Experten der Bundesregierung helfen, das Geld aus dem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur sinnvoll einzusetzen.

Richterwahl

Der große Aufreger vor der Sommerpause, der Streit um die Besetzung von Richterposten am Bundesverfassungsgericht, schwelt weiter. Zwar hat die SPD laut Miersch eine neue Kandidatin gefunden. Doch die Union muss noch zustimmen. Und dann stehen noch Gespräche mit Grünen und Linken im Bundestag an. Auch dieses Problem aber wird der Koalitionsausschuss kaum lösen: Merz und Klingbeil überlassen diese Verhandlungen den Fraktionen und halten sich selbst auffällig raus.

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