Wirtschaft

Autozulieferer unter Druck: Stellenabbau bei Bosch, Conti, ZF – Autobranche kämpft ums Überleben

Die deutsche Autobranche steckt in einer existenziellen Krise. Auftragseinbrüche, Milliardeninvestitionen in E-Mobilität und massiver Stellenabbau setzen die großen Autozulieferer unter Druck.
08.09.2025 15:53
Aktualisiert: 08.09.2025 17:13
Lesezeit: 4 min

Autozulieferer unter Druck – Stellenabbau in großem Ausmaß

Zulieferer wie Bosch, Conti und ZF kämpfen mit Auftragsflaute, Jobabbau und der schwierigen Anpassung an E-Mobilität. Wer übersteht den Wandel besser – und weshalb?

Auf der gesamten Autobranche lastet enormer Druck. Probleme gibt es in der Schlüsselindustrie zuhauf, die Aufgaben sind riesig. Gerade bei den deutschen Autozulieferern. Sie spüren die schwache Autoproduktion besonders stark, viele Werke sind ungenügend ausgelastet. Gleichzeitig haben viele Unternehmen hohe Summen in den Umbau auf E-Mobilität investiert – was sich bislang häufig nicht auszahlt.

Nach Einschätzung von Constantin Gall, Autoexperte bei EY, leiden die Autozulieferer speziell unter geringeren Stückzahlen. "Das sind Fragmente dessen, was geplant war", sagt Gall. Das habe nicht nur mit der fehlenden Nachfrage nach E-Autos zu tun. "In Zeiten wie diesen steht bei vielen Menschen ein Fahrzeugkauf nicht ganz oben auf der Liste." Die Produktqualität sei ebenfalls nicht das Problem. Der Weg zum Endergebnis sei momentan aber nicht wettbewerbsfähig. "Die großen Konglomerate haben gerade ihre liebe Mühe und Not, weil die Komplexität, die sie in ihren gesamten Strukturen haben sie auffrisst", erklärt Gall. Zusätzlich ziehen die Hersteller mehr Wertschöpfung an sich, um ihre Werke zu füllen.

Gall zufolge müssen sich die Firmen verschlanken und sich auf profitablere Bereiche konzentrieren. "Die europäischen Zulieferer tragen sehr viel Gepäck mit sich herum." Aber nicht, weil sie unbedingt Fehler gemacht hätten. Sondern weil die Industrie sich über Jahrzehnte so entwickelt habe – und bis vor Kurzem auch sehr gut funktioniert habe. Nun säßen aber viele wie Kaninchen vor der Schlange, statt zu handeln. "Das ist wie, wenn man versucht, eine klaffende Wunde mit einem Heftpflaster zu versorgen – wissend, dass man eigentlich nähen müsste."

Vor welchen Aufgaben die größten Zulieferer stehen – Überblick

Bosch

Dem größten Autozulieferer Bosch macht die Krise erheblich zu schaffen. In vielen Bereichen ist das Unternehmen unter Druck geraten und laut eigenen Angaben nur noch teilweise wettbewerbsfähig. Besonders betroffen sind Steuergeräte, Antriebe, Lenkungen, Teile für E-Autos, Fahrzeugsoftware und Ingenieurdienstleistungen für Autobauer. Die Ursachen für die Misere unterscheiden sich je nach Sparte. Die schwache Fahrzeugproduktion, verschobene Projekte der Hersteller sowie daraus entstehende Überkapazitäten sind jedoch generelle Faktoren. Hinzu kommt der wachsende Wettbewerbs- und Preisdruck – vor allem durch Anbieter aus China.

Das Problem für Bosch: Auch die übrigen Geschäftsfelder – etwa Heizungen, Haushaltsgeräte und Elektrowerkzeuge – laufen nicht rund. Deshalb setzt der Konzern aus Gerlingen bei Stuttgart seit Ende 2023 zahlreiche Sparprogramme um. Weltweit sollen Tausende Jobs entfallen. Der angekündigte Stellenabbau beläuft sich inzwischen auf fast 15.000 Stellen, ein Großteil davon im Zulieferbereich in Deutschland. Zusätzlich wurde die Arbeitszeit vieler Beschäftigten verkürzt. Bosch-Chef Stefan Hartung stellte wegen der Wirtschaftslage und des Umbaus in der Autobranche weitere Einschnitte in Aussicht.

Continental

Vor Continental stehen wegweisende Wochen: Am 18. September will der Konzern seine schwache Autozuliefersparte abtrennen und als eigenständiges Unternehmen an die Börse bringen. Conti-Chef Nikolai Setzer spricht von der "bisher tiefgreifendste Neuaufstellung" der Firmengeschichte. So sollen "neue Kräfte" freigesetzt werden.

Es gleicht einer Rückkehr: Conti begann 1871 zunächst mit Pferdeschuhen und Reifen, damals noch für Kutschen und Fahrräder. Später kamen Autoreifen hinzu. Durch mehrere Übernahmen wuchs Conti zum drittgrößten Autozulieferer der Welt. 2021 wurde bereits die Antriebssparte Vitesco ausgegliedert. Nun wandelt sich der Konzern wieder zu einem reinen Reifenhersteller. Denn auch die Kunststofftechniksparte soll abgegeben werden.

Das Autozuliefergeschäft von Conti gilt seit Langem als Sorgenkind und schrieb wiederholt rote Zahlen. Zuletzt erzielte der nach Umsatz größte Konzernteil immerhin etwas mehr Gewinn. Der Umsatz sackte im zweiten Quartal wegen der schwachen Autoproduktion zwar um fünf Prozent ab, doch blieb davon mehr als Ertrag übrig. Möglich machten das Preiserhöhungen und Kostensenkungen. Im größten Bereich des Konzerns wurde der Sparkurs nochmals verschärft. Mehr als 10.000 Stellen entfallen, jeweils rund zur Hälfte in Verwaltung sowie in Forschung und Entwicklung. Im Portfolio des neuen Unternehmens Aumovio finden sich Bremsen, Fahrwerke, Fahrzeugelektronik, Infotainment-Systeme, Sensoren und Technik für assistiertes und automatisiertes Fahren. Rund 92.000 Beschäftigte zählt dieser Bereich – fast die Hälfte der Conti-Mitarbeiter. Der Umsatz lag 2023 bei rund 19,4 Milliarden Euro.

ZF Friedrichshafen

Die ZF Friedrichshafen AG mit Sitz am Bodensee steckt seit Jahren im Krisenmodus. Auch 2025 werden wieder rote Zahlen erwartet. Die rund 50.700 Mitarbeiter in Produktion und Verwaltung fürchten um ihre Arbeitsplätze. Viele Stellen sollen in den kommenden Jahren gestrichen werden. ZF bietet neben Automatik- und Schaltgetrieben auch Fahrwerkskomponenten, Lenksysteme, Antriebe, Bremsen und Sicherheitstechnik an.

Ein zentrales Problem in der Neuausrichtung betrifft die Sparte Antriebe – intern "Division E" genannt. Sie ist teils nicht wettbewerbsfähig. Dieser Bereich, der elektrische, hybride und klassische Antriebe umfasst, leidet unter dem schleppenden Hochlauf der E-Mobilität sowie unter hohen Kosten und geringen Margen im Getriebegeschäft. Weltweit arbeitet hier etwa jeder fünfte ZF-Beschäftigte. 2024 erbrachte die Sparte knapp ein Viertel des Gesamtumsatzes. ZF und Arbeitnehmervertreter wollen in den nächsten Wochen über die Neuordnung der belasteten Kernsparte verhandeln.

Schaeffler

Der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler kommt in der Krise vergleichsweise besser zurecht – auch wegen seines breiteren Portfolios. Stark wächst das Geschäft mit Elektroantrieben für Fahrzeuge, wie das Unternehmen mitteilte. Dafür schwächelte allerdings das Geschäft mit klassischen Antriebssträngen und Fahrgestellen im ersten Halbjahr 2025.

Insgesamt überstand der Konzern die ersten sechs Monate trotz schwacher Konjunktur relativ solide. Der Umsatz ging im Vorjahresvergleich um 4,6 Prozent auf rund 11,9 Milliarden Euro zurück. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten (Ebit) sank um 49 Millionen Euro auf 482 Millionen Euro. Schaeffler gehört zu den größten Unternehmen der Branche weltweit. Dennoch soll stark Personal reduziert werden. Der Stellenabbau betrifft 4.700 Arbeitsplätze in Europa, davon 2.800 in Deutschland.

Mahle

Einst verdiente der Zulieferer, bekannt als "Kolben-Mahle" mit Sitz in Stuttgart, hervorragend am Verbrenner. Doch seit Jahren wird das Unternehmen neu ausgerichtet. Im Mittelpunkt der Strategie steht das Thermomanagement – Technologien für Heizen und Kühlen in Fahrzeugen. Besonders bei Elektroautos spielt das eine wichtige Rolle.

Weil das Geschäft nicht wie erhofft läuft, wurden im vergangenen Jahr rund 600 Stellen in Deutschland gestrichen, wie Vorstandschef Arnd Franz Ende Juli erklärte. In Deutschland beschäftigt Mahle rund 10.000 Mitarbeiter. Mit dem Betriebsrat wurde im August 2023 vereinbart, bis Ende 2025 betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern. Außerdem sollen Zukunftskonzepte für die Standorte entwickelt werden.

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