Digitale Fahrakademie nutzt Künstliche Intelligenz im Verkehr
Der öffentliche Verkehrsbetrieb von Ljubljana, Slowenien (LPP) hat gemeinsam mit dem Technologieunternehmen AV Living Lab eine digitale Fahrakademie vorgestellt, in der ein Fahrsimulator mit Künstlicher Intelligenz individuelle Analysen und Trainingsprogramme für Busfahrer ermöglicht, berichtet das Wirtschaftsportal Casnik Finance. Die beiden Unternehmen haben sich in einem innovativen Projekt zusammengeschlossen: Der mit KI erweiterte Simulator überprüft das Wissen der Fahrer und trainiert gezielt dort, wo Defizite bestehen. Gleichzeitig wird der Simulator künftig Teil der „Aufnahmeprüfung“ für neue Fahrer bei LPP.
Bei der Präsentation erklärte Danijel Avdagič, Direktor von AV Living Lab, dass der Durchbruch nicht in der bloßen Nutzung eines Simulators liege, sondern in der Auswertung der Daten. „In einer 15-minütigen Sitzung sammeln wir mehr als eine Million Datenpunkte (100 pro Sekunde) Pedalen, Lenkrad, Schaltung, Eye-Tracking-Brillen und Smartwatches. Daraus entstehen 27 Indikatoren für sicheres Fahren, auf deren Grundlage jeder Fahrer ein maßgeschneidertes Training erhält“, erläuterte Avdagič.
Der Simulator führt den Fahrer zunächst in die Grundumgebung ein, bevor er ihn mit realistischen Szenarien konfrontiert – von der Autobahn bis zum Stadtverkehr mit unerwarteten Situationen. Das System offenbart Schwächen wie geringe Aufmerksamkeit oder langsame Reaktionszeiten und richtet das Training gezielt darauf aus.
Daten als Fundament für Personalentscheidungen
Für den Verkehrsbetrieb hat das Projekt doppelten Wert: Es unterstützt Fahrer und erleichtert zugleich unternehmerische Entscheidungen. „Der Erwerb eines Busführerscheins dauert ein Jahr und ist teuer. Durch die Analyse kann LPP besser entscheiden, in wen investiert werden sollte und wie man schneller zu sicheren Fahrern gelangt“, betont Avdagič. Der Simulator erfasst auch weiche Faktoren wie Aufmerksamkeit, Reaktionsvermögen und vorausschauendes Denken. „Diese Eigenschaften kann man nicht vortäuschen. In der Simulation reagiert man so, wie man es auch im Straßenverkehr tun würde“, fügte er hinzu.
Die Idee ist mehr als zehn Jahre alt und begann als Forschungs- und Entwicklungsprojekt des Unternehmens Nervtech. Später übernahm AV Living Lab die Technologie gemeinsam mit Partnern und überführte sie in die Gesellschaft AIDMG Group, an der auch österreichische Investoren beteiligt sind. Erste Anwendungen wurden in den Vereinigten Arabischen Emiraten entwickelt, wo der Simulator im Taxi-, Limousinen- und Güterverkehr eingesetzt wurde. Ljubljana ist jedoch die erste Stadt, in der das Projekt in den öffentlichen Personennahverkehr eintritt. „Unser Ziel ist ein Exportprodukt, das wir in Europa und weltweit vermarkten werden“, betont Avdagič.
Künstliche Intelligenz im Hintergrund
Das Herzstück des Systems ist maschinelles Lernen, das Millionen von Daten analysiert und ein genaues Profil des Fahrers erstellt. Die Berichte sind sieben Seiten lang und enthalten Videos einzelner Situationen mit Zeitangaben. Bei der Kalibrierung arbeiteten internationale Instruktoren und die Polizei von Dubai mit. „An einem Punkt verglichen wir unsere Bewertungen mit vier Instruktoren. Die Ergebnisse unterschieden sich, aber unser System lieferte eine objektive Bewertung, gestützt auf Daten und Video“, sagte Avdagič.
Während klassische Simulatoren statische Szenarien verwenden, entwickelt AV Living Lab dynamische Szenarien. Diese passen sich kontinuierlich an die Reaktionen des Fahrers an. „Wenn der Fahrer den Sicherheitsabstand nicht einhält oder zu aggressiv fährt, reagiert die virtuelle Umgebung entsprechend. Jede Fahrt ist einzigartig“, erklärt Avdagič. Das stellt sicher, dass der Simulator auch in Zukunft relevant bleibt, wenn neue Szenarien hinzugefügt werden – zum Beispiel für junge Fahrer, die während der Fahrt das Mobiltelefon nutzen.
Das Projekt mit LPP befindet sich noch in Entwicklung, bisher wurden vier Workshops durchgeführt, ein fünfter ist in Vorbereitung. „Die Akademie entsteht nach und nach in Zusammenarbeit mit Fahrern und Instruktoren. Es handelt sich um Entwicklungsarbeit. Aber die Partnerschaft mit LPP wird unsere Referenz für europäische und weltweite Märkte sein“, schließt Avdagič.
Rok Viher, stellvertretender Direktor von LPP, erklärte: „Der Simulator ist so konzipiert, dass er die Reaktionen des Fahrers aufzeichnet: vom Blick, der Reaktionszeit, dem Bremsen, der Nutzung der Spiegel bis hin zur Herzfrequenz in Stresssituationen. Die Künstliche Intelligenz analysiert diese Daten, zeigt dem Fahrer ein Video der wichtigsten Fehler und ermöglicht gezieltes Wiederholen der Situationen, bis sich die Reaktionen verbessern. Wie bei Fahrsicherheitstrainings – wenn man eine Übung mehrfach wiederholt, wird die unbewusste Reaktion gefestigt.“ Der Vorteil des Simulators liegt in der Zufälligkeit: Das Ereignis wiederholt sich nie auf die gleiche Weise, sodass die Fahrer es nicht „überlisten“ können. Wenn der Fahrer wegsieht, kann das System gerade in diesem Moment eine kritische Situation auslösen.
Die Bewertungen, die die Fahrer erhalten, sind interner Natur – sie wirken sich nicht auf Sanktionen aus, sondern dienen als Grundlage für das Training. „Wenn das System eine Schwäche feststellt, bedeutet das einen Ausgangspunkt für gezieltes Lernen“, erklärt Viher. Das Ergebnis ist ein Fahrer, der aufmerksamer ist, schneller reagiert und sich leichter in unvorhersehbaren Umständen zurechtfindet. Es handelt sich um einen Prozess, der Technologie und praktische Fahrerfahrung vereint: Der Simulator lernt auf der Grundlage realer Reaktionen von Profis, was ihm größere Glaubwürdigkeit verleiht. „Wichtig ist, dass keine Fahrt identisch ist. Wenn man es auswendig lernen könnte, würde der Simulator seinen Sinn verlieren. Hier ändert sich der Verkehr ständig – einmal tritt ein Fußgänger auf die Straße, ein anderes Mal zögert jemand beim Einsteigen in den Bus. Man muss immer aufmerksam sein und sich laufend entscheiden“, sagte LPP-Fahrer Milan Mihaljevič, der den Simulator heute ausprobierte.
Er betonte, dass der Simulator das Üben realer Situationen an Haltestellen ermögliche: von Fahrgästen, die plötzlich die Hand heben, bis zu jenen, die sich im letzten Moment entscheiden, ob sie einsteigen wollen. „Auch Kleinigkeiten zählen – wenn ein Fahrgast zu nah am Fahrzeug steht, kann er mit dem Spiegel in Berührung kommen. Das sind Situationen, die wir tatsächlich jeden Tag erleben.“
Das Team von LPP bringt gemeinsam mit den Entwicklern zahlreiche reale Elemente in das Programm ein. Eingeschlossen sind Verkehrsschilder, realistische 3D-Modelle von Fahrzeugen und Gebäuden sowie besondere Ereignisse, wie Staus durch ein falsch geparktes Auto oder ein unerwartetes Manöver eines Radfahrers. „Wir bauen die Szenarien auf den häufigsten Fehlern und Unfällen auf. Dies wird die Grundlage für die Analyse der Fahrten von Hunderten von Fahrern bilden, um festzustellen, wo es Lücken gibt und wie man sie schließen kann“, wurde bei der Veranstaltung erklärt.
Zweck und Zukunft
Der Simulator ist nicht nur dazu gedacht, Fähigkeiten zu überprüfen, sondern auch, Reaktionen zu analysieren. Das System wird Stressreaktionen wie Herzfrequenz und Schwitzen aufzeichnen, um zu verstehen, wie Fahrer mit Belastungen umgehen.
Im Herbst folgt der erste größere Workshop, in dem noch mehr Szenarien einbezogen werden, vor allem solche, die mit Verkehrsspitzen und Vorfahrtsverletzungen zusammenhängen. Ziel ist es, dass die Fahrer mit einer Vielzahl von Situationen konfrontiert werden, von gewöhnlichen Staus bis zu völlig unerwarteten Momenten, die sofortiges Handeln erfordern. „Als Berufskraftfahrer muss ich immer die sichere Option wählen, auch wenn das einen langsameren Verkehr bedeutet. Der Simulator ermöglicht mir, diese Entscheidungen in einer risikofreien Umgebung zu üben“, betonte Mihaljevič.
Viher fügte hinzu, dass zunächst eine kleinere, vielfältige Gruppe von Fahrern nach Alter und Geschlecht in das Projekt einbezogen werde. „Zuerst wollen wir mit verschiedenen Profilen eine Grundlage schaffen, dann werden wir schrittweise alle Fahrer einbeziehen“, sagte er.
Das System wird sowohl für die Auswahl neuer Kandidaten als auch für die gezielte Schulung von Mitarbeitern genutzt. „Kandidaten, die noch nie einen Bus gefahren sind, absolvieren einen Test, auf dessen Grundlage LPP ihr Potenzial einschätzen kann. Für bereits beschäftigte Fahrer werden individuelle Trainingsmodule erstellt, die sich auf ihre Schwächen konzentrieren.“ Im Stadtverkehr von LPP fahren derzeit 430 Fahrer, im Regionalverkehr noch etwa hundert.
Für LPP bedeutet das Projekt Erfahrung und die Entwicklung eines neuen Ansatzes zur Schulung, für AIDMG (AI Driving Metaverse Group) eine wichtige Referenz. „Ein Simulator, der mit erfahrenen Fahrern in realer Umgebung getestet wird, ist viel besser und realistischer als einer, der nur virtuell entwickelt würde“, sagte Viher. In Zukunft soll ein umfassendes Programm entwickelt werden, das die Qualität und Sicherheit des öffentlichen Verkehrs verbessert und gleichzeitig neue Standards in der Branche setzt.
Künstliche Intelligenz im Verkehr entlarvt Busfahrer: Millionen Daten decken jede Schwäche auf
Auch deutsche Verkehrsbetriebe kämpfen mit Fahrermangel, hohen Ausbildungskosten und der Notwendigkeit, Sicherheit und Effizienz im Nahverkehr zu verbessern. Ein KI-gestützter Simulator wie in Ljubljana könnte in Deutschland den entscheidenden Durchbruch bringen, um Fahrer schneller auszubilden, Defizite gezielt zu beheben und Risiken zu reduzieren. Angesichts wachsender Verkehrsprobleme in deutschen Städten eröffnet die Verbindung von Künstlicher Intelligenz im Verkehr und praxisnaher Simulation neue Perspektiven für die Modernisierung des ÖPNV.
Das Projekt von LPP und AV Living Lab zeigt, wie Künstliche Intelligenz im Verkehr den öffentlichen Nahverkehr sicherer und effizienter machen kann. Es kombiniert Big Data, maschinelles Lernen und praxisnahe Szenarien, um Fahrern eine realistische und objektive Ausbildung zu bieten. Für Deutschland könnte diese Technologie ein Modell sein, um den ÖPNV zukunftssicher und attraktiver zu gestalten.


