Vorwurf: Mangelnde Datentransparenz
Facebook, Instagram und Tiktok verstoßen nach vorläufigen Ermittlungsergebnissen der Europäischen Kommission gegen ein EU-Digitalgesetz. Ihnen drohen wegen unzureichender Datentransparenz hohe Geldstrafen, sollten sie nicht noch entlastendes Material vorlegen oder Anpassungen vornehmen, wie die EU-Kommission mitteilte.
Demnach gewähren alle drei Plattformen nach Ansicht der Regelhüter Forschern offenbar nicht genügend Einblicke in ihre Daten. Öffentlich zugängliche Datensätze sollen es der Wissenschaft laut EU-Kommission ermöglichen, etwa die Auswirkungen von gewaltverherrlichenden Inhalten auf Kinder zu untersuchen. Grundlage für die Verfahren ist das sogenannte Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, kurz DSA).
Eine Sprecherin von Tiktok teilte mit, man prüfe die Befunde der EU-Kommission, doch stünden hier Datenschutz und die Anforderungen des DSA, mehr Daten öffentlich bereitzustellen, im Widerspruch. "Wenn es nicht möglich ist, beide Vorschriften vollständig einzuhalten, fordern wir die Behörden dringend auf, Klarheit darüber zu schaffen, wie diese Verpflichtungen in Einklang gebracht werden können", so die Sprecherin.
EU: Meta und Facebook nicht nutzerfreundlich genug
Darüber hinaus erhebt die EU-Kommission zwei weitere Vorwürfe – diese jedoch ausschließlich gegen die Plattformen Instagram und Facebook des US-Konzerns Meta. Zum einen entstehe der Eindruck, die beiden sozialen Netzwerke von Meta-Chef Mark Zuckerberg erschwerten die Meldung illegaler Inhalte.
Die Brüsseler Behörde kritisiert, dass Nutzerinnen und Nutzer beim Anzeigen – etwa von terroristischen Videos, antisemitischen Texten oder Kindesmissbrauch – zu viele Schritte durchlaufen müssten. Diese seien womöglich auch noch irreführend gestaltet. Laut EU-Kommission stellen das unnötige Hürden dar, die nicht im Einklang mit dem europäischen Digitalgesetz stehen.
Meta weist Vorwürfe zurück
Zudem heißt es aus Brüssel, Facebook und Instagram böten nach vorläufiger Einschätzung ein zu kompliziertes Beschwerdeverfahren an, über das Nutzerinnen und Nutzer gegen die Sperrung ihrer Accounts oder die Löschung ihrer Inhalte Einspruch einlegen können.
Ein Kommissionssprecher erklärte dazu, wer der EU Zensur vorwerfe, dem beweise man mit diesem Schritt das Gegenteil. Der DSA ermögliche es Bürgern in der EU, sich gegen einseitige Entscheidungen der Tech-Giganten zu wehren. Meta-Chef Zuckerberg hatte in Bezug auf die EU-Regeln von "institutionalisierter Zensur" gesprochen.
Ein Sprecher des US-Konzerns wies sämtliche Vorwürfe gegen Meta zurück und teilte mit, das Unternehmen werde weiter mit der Kommission verhandeln. Man habe wegen des DSA bereits Änderungen auf den Plattformen umgesetzt und sei zuversichtlich, dass diese Lösungen der EU-Gesetzgebung entsprechen.
EU könnte Geldstrafen verhängen
Die Behörde unter Leitung von Ursula von der Leyen betonte, dass sie bislang nicht abschließend entschieden habe, ob Facebook, Instagram und Tiktok tatsächlich gegen EU-Recht verstoßen. Sollte die EU-Kommission jedoch nicht von der Verteidigung oder den Anpassungen der Tech-Riesen überzeugt sein, kann die Behörde endgültig einen Regelverstoß feststellen.
Das Gesetz über digitale Dienste sieht dann mögliche Strafen von bis zu sechs Prozent des jährlichen Konzernumsatzes vor. Die EU-Kommission hatte zuletzt betont, dass sie im Rahmen des DSA erst Entscheidungen treffen wolle, wenn sie sicher sei, dass diese vor Gericht Bestand hätten.
Der DSA soll unter anderem gewährleisten, dass Plattformen illegale Inhalte auf ihren Seiten schneller entfernen als bisher. Nutzern wird es wiederum erleichtert, solche Inhalte zu melden. Zudem sollen die sozialen Netzwerke transparenter werden und Kinder besser schützen. Grundsätzlich müssen große Dienste dabei mehr Regeln einhalten als kleine.
Weiteres EU-Verfahren wegen Kinderschutz
Gegen Meta laufen zusätzliche Ermittlungen wegen weiterer möglicher Verstöße gegen den DSA. So vermutet die EU-Kommission, der US-Konzern könne auch Regeln zum Schutz Minderjähriger missachten. Etwa, weil er Kinder und Jugendliche nicht ausreichend vor süchtig machenden Algorithmen schützt.
Tiktok steht zudem im Verdacht der EU-Kommission, Risiken für Wahlen und die öffentliche Debatte nicht genügend zu erkennen, zu begrenzen oder zu verhindern. Hinter Tiktok steht das Unternehmen Bytedance, das einen chinesischen Gründer und eine große Zentrale in Peking hat. Aus westlicher Sicht ist es ein chinesisches Unternehmen, auch wenn Bytedance selbst betont, zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren zu sein.
Wie reagieren Zuckerberg und Trump?
Bei Beamten in Brüssel war zuletzt besonders Frust über die mangelnde Kooperationsbereitschaft von Meta spürbar. Das Verfahren gegen Zuckerbergs Unternehmen läuft bereits seit anderthalb Jahren – die Bemühungen um ein Einlenken von Meta wohl noch länger. Die Veröffentlichung der vorläufigen Ergebnisse ist daher auch ein Druckmittel in den festgefahrenen Gesprächen mit dem US-Konzern.
Gleichzeitig riskiert die EU-Kommission, mit der Durchsetzung des DSA US-Präsident Donald Trump zu verärgern. Der hatte die europäische Gesetzgebung wiederholt als wettbewerbsfeindlich bezeichnet. Zuckerberg rückte parallel Trumps politischem Lager näher und könnte in ihm einen Verbündeten sehen.
Während die vorläufigen Beurteilungen von Meta schon lange erwartet wurden, dürften die Vorwürfe gegen Tiktok daher ebenfalls einen diplomatischen Hintergrund haben. So entgeht die EU zumindest eher dem Vorwurf aus Washington, es ausschließlich auf US-Unternehmen abgesehen zu haben.



