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„Wer zuerst schießt, stirbt als Zweites“: Trump entfacht neues atomares Wettrüsten – Kreml droht mit Vergeltung

Mit einer beispiellosen Provokation kündigt Donald Trump den Beginn neuer Atomwaffentests an – und bricht damit jahrzehntelange internationale Tabus. Während die Weltgemeinschaft schockiert reagiert, warnt Russland vor schwerwiegenden Konsequenzen. Experten sprechen bereits von einem gefährlichen Schritt zurück in die Logik des Kalten Krieges.
31.10.2025 11:44
Lesezeit: 4 min
„Wer zuerst schießt, stirbt als Zweites“: Trump entfacht neues atomares Wettrüsten – Kreml droht mit Vergeltung
Das vom Nagasaki Atomic Bomb Museum zur Verfügung gestellte Handout zeigt den Atompilz, der vom Boden aus beim Atombombenabwurf auf Nagasaki am 9. August 1945 fotografiert wurde. (Foto: dpa) Foto: epa/ Nagasaki Atomic Bomb Museum

Die Ankündigung des US-Präsidenten kam nur kurz vor einem Treffen mit Chinas Präsidenten Xi Jinping in Südkorea. Die USA und China sind wie auch Russland etablierte Atommächte, genauso Großbritannien und Frankreich. Auf dem Rückflug Trumps nach Washington sagte er auf die Frage einer Journalistin, was ihn veranlasst habe, das direkt vor dem Treffen zu platzieren, dass das mit „anderen“ zu tun habe - er nannte aber keine Ländernamen.

Russland droht mit Atomtests als Reaktion

Angesprochen fühlte sich aber die Atommacht Russland, die zuletzt immer wieder über erfolgreiche Tests ihrer Waffen berichtet hatte - aber ohne Atomsprengköpfe. Dabei hatten Vertreter Moskaus geprahlt, dass der strategische Marschflugkörper Burewestnik und die neue Unterwasserdrohne Poseidon, beide mit nuklearem Antrieb, in der Lage seien, ganze Städte dem Erdboden gleichzumachen.

Kremlsprecher Dmitri Peskow stellte klar, dass es sich nicht um Atomtests gehandelt habe. Moskau hoffe, dass Trump darüber korrekt informiert worden sei, sagte er. Zugleich erinnerte Peskow an frühere Warnungen von Kremlchef Wladimir Putin, nach denen Russland ebenfalls wieder die Tests aufnehmen werde, wenn die USA das täten.

Trumps Äußerungen werden in Russland auch als Chance gesehen, dass beide Nuklearmächte nun vorrangig über Abrüstungsverträge und weniger über Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine reden.

UN-Beauftragte warnt vor Risiko eines Atomwaffeneinsatzes

Nach Einschätzung der UN-Beauftragten für Abrüstungsfragen, Izumi Nakamitsu, ist das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes so hoch wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. „Zu keiner Zeit seit der Hochphase des Kalten Krieges war das Risiko eines Einsatzes von Atomwaffen so hoch – und die Mechanismen, die ihren Einsatz verhindern sollen, so fragil“, sagte sie im April.

UN-Generalsekretär António Guterres betont einem Sprecher zufolge, dass die in der Vergangenheit durchgeführten Atomwaffentests katastrophale Folgen gehabt hätten. Daher dürften Atomtests unter keinen Umständen erlaubt werden.

Ein internationaler Kernwaffenteststopp-Vertrag wurde 1996 in der UN-Generalversammlung angenommen. Die USA haben den Vertrag nicht ratifiziert. Russland zog daraufhin seine Ratifizierung Ende 2023 zurück. Das Land arbeitet jedoch bisher trotz seiner Abkehr weiterhin an der globalen Überwachung des Paktes mit. Beide Länder hatten seit den 1990er Jahren keine Kernwaffenversuche mehr.

Abrüstungsvertrag läuft aus

Der atomare Abrüstungsvertrag New Start, das letzte große Rüstungskontrollabkommen zwischen den USA und Russland, läuft im Februar 2026 aus. Es gibt bislang keine Verhandlungen über eine Nachfolgeregelung. Der Kreml hatte kürzlich erklärt, es sei unmöglich, ihn neu auszuhandeln. Das sei zeitlich praktisch nicht machbar, sagte ein Sprecher.

Der Vertrag New Start wurde 2010 geschlossen und 2021 letztmalig um fünf Jahre verlängert. Er sieht eine Reduzierung der Atomsprengköpfe und der Trägersysteme vor.

Trump behauptete in seinem Beitrag auf Truth Social, dass die USA mehr Atomwaffen hätten als jedes andere Land. Derzeit besitzt Russland laut der International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN) jedoch die meisten bestätigten Atomwaffen – über 5.500 Sprengköpfe –, während die USA demnach über 5.044 Atomwaffen verfügen.

Neben den fünf permanenten Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats als etablierte Atommächte gibt es nach Angaben des Friedensforschungsinstituts Sipri vier weitere Staaten, die über Atomwaffen verfügen: Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel.

Letzter Atomtest der USA 1992

Der bisher letzte Atomtest der USA erfolgte am 23. September 1992 auf dem Gelände, das heute als Nevada National Security Site bekannt ist. Im selben Jahr hatte der damalige US-Präsident George H. W. Bush ein Moratorium für unterirdische Atomtests verkündet. Die USA haben jedoch die Möglichkeit, Tests auf demselben Gelände wieder aufzunehmen.

Im US-Parlament regte sich bereits erster Widerstand. „Absolut nicht. Ich werde ein Gesetz einbringen, um dem ein Ende zu setzen“, schrieb die demokratische Kongressabgeordnete aus Nevada, Dina Titus, auf der Plattform X.

Atomwaffen auf Japan mit verheerenden Folgen

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges hatten die USA 1945 eine Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima abgeworfen. Eine zweite US-Bombe traf drei Tage später Nagasaki. Es waren die ersten – und bislang einzigen – Atomwaffenangriffe der Kriegsgeschichte. Die Explosionen töteten sofort mehr als 200.000 Menschen, unzählige weitere starben in den folgenden Jahren an Strahlenkrankheiten und schweren Verbrennungen. Bis heute leiden Überlebende – die sogenannten Hibakusha – und ihre Nachkommen unter gesundheitlichen, psychischen und sozialen Folgen. Die beiden Städte stehen bis heute als Mahnmal für die verheerende Zerstörungskraft nuklearer Waffen.

Trump spricht über Denuklearisierung

Trump sagte auch, dass er gerne eine Denuklearisierung sehen würde. Man spreche mit Russland darüber, sagte er, ohne weitere Details zu nennen. China würde - wenn man etwas unternähme - hinzugezogen werden.

Die USA hatten zuletzt 1992 einen Atomwaffentest durchgeführt. Sie haben sich gemeinsam mit Russland und China bislang an ein seit Jahrzehnten bestehendes Moratorium für unterirdische Atomexplosionen gehalten. Sollten die USA tatsächlich erstmals seit mehr als 30 Jahren erneut Atomwaffentests durchführen, könnten sich auch andere Atommächte aus der Deckung wagen.

„Ich glaube nicht, dass Tests notwendig sind, um die Zuverlässigkeit des US-Atomarsenals zu gewährleisten“, zitierte das „Wall Street Journal“ Gary Samore, der als führender Experte für Massenvernichtungswaffen im Nationalen Sicherheitsrat des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton tätig war. „Es wäre ein Geschenk für Russland und China, die neue Arten von Atomwaffen entwickeln und von einer Wiederaufnahme der Tests profitieren würden.“

US-Vizepräsident JD Vance sagte am Donnerstag vor Journalisten, es sei für die USA wichtig sicherzustellen, dass ihr Kernwaffenarsenal „tatsächlich ordnungsgemäß funktioniert“. Das sei Teil des Testprogramms. „Manchmal muss man es testen, um sicherzustellen, dass es funktioniert“, sagte der Republikaner. „Wir wissen, dass es ordnungsgemäß funktioniert“, betonte er kurz darauf. Doch man müsse es im Laufe der Zeit im Auge behalten - Trump wolle das sicherstellen.

Die USA haben zwischen 1945 und 1992 nach Kongressangaben mehr als 1.000 Atomtests absolviert. China hat nach Angaben der International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN) 45 Atomtests vorgenommen, den letzten davon 1996. Die USA verfügen damit über umfangreichere Daten als China. Seit 1998 gab es in keinem anderen Land außer Nordkorea Atomtests. Nordkorea zog seine bisher letzten Tests zwischen den Jahren 2006 und 2017 durch.

Allerdings verfügen die USA über ein umfangreiches Programm, um die Zuverlässigkeit ihres Atomarsenals sicherzustellen. Dazu gehören Computersimulationen, Tests mit Atommaterial, bei denen keine Kettenreaktion stattfindet sowie Tests von Raketen und Sprengkopftechnologien. Solche Maßnahmen machen nach Ansicht mancher Experten Atomtests überflüssig.

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