Territoriale Zugeständnisse und Armee-Abbau: Kernpunkte des vertraulichen Entwurfs
Beamte aus den USA und Russland sollen einen neuen Ansatz zur Beendigung des Ukraine-Krieges entwickelt haben. Wie Financial Times und Reuters berichten, sieht der Vorschlag vor, dass die Ukraine den gesamten verbliebenen Teil der östlichen Donbas-Region einschließlich Gebieten aufgibt, die sich derzeit unter ukrainischer Kontrolle befinden.
Zudem solle die Ukraine ihre Streitkräfte auf die Hälfte der aktuellen Stärke reduzieren. Dieser Punkt, so die Financial Times, gehört zu den zentralen Forderungen der russischen Seite, da er die militärische Handlungsfähigkeit Kiews langfristig einschränken würde. Mehrere Quellen berichten übereinstimmend, dass Washington Präsident Wolodymyr Selenskyj bereits signalisiert habe, er solle die Hauptkomponenten des Plans akzeptieren, so das dänische Portal Borsen.
Kiew reagiert entsetzt: Ukraine wurde offenbar nicht einbezogen
In Kiew stößt der Vorschlag auf scharfe Ablehnung. Ukrainische Regierungsbeamte erklärten gegenüber der Financial Times, die Inhalte entsprächen nahezu vollständig den Vorstellungen des Kreml. In der jetzigen Form sei der Plan für die Ukraine „nicht akzeptabel“. Eine hochrangige Quelle sagte Reuters, Kiew sei zu keinem Zeitpunkt in die Ausarbeitung einbezogen worden. Der Vorschlag habe die ukrainische Regierung vielmehr „vor vollendete Tatsachen gestellt“.
Weder das Weiße Haus noch der Kreml haben die Berichte bislang kommentiert. Zur selben Zeit führte Selenskyj Gespräche in der Türkei, wo er auf Präsident Recep Tayyip Erdoğan traf. Für Donnerstag sind Treffen mit US-Beamten in Kiew geplant – ein mögliches Indiz dafür, dass Washington den Druck weiter erhöhen will.
Washingtons Signal an Selenskyj: Zeit für Entscheidungen?
Dass die USA den Vorschlag aktiv vorantreiben, zeigt die wachsende Sorge in Washington über den langwierigen Kriegsverlauf und die angespannten Hilfsdebatten im eigenen Land. Die jüngsten militärischen Entwicklungen, die schwindenden Munitionsbestände und der Druck auf westliche Haushalte erhöhen den politischen Anreiz, eine diplomatische Lösung zu fördern, selbst wenn sie mit schmerzhaften Kompromissen für Kiew verbunden wäre. In diplomatischen Kreisen heißt es, die US-Regierung wolle verhindern, dass der Krieg in eine jahrelange Pattsituation mündet, die Russland strategisch begünstigt und den Westen finanziell überlastet.
Sollte die Ukraine zur Abgabe von Gebieten gedrängt werden, würde dies die Glaubwürdigkeit des westlichen Sicherheitsversprechens beschädigen und Fragen zur langfristigen Stabilität Europas aufwerfen. Deutschland z.B. hat sich stets klar gegen „Frieden durch Kapitulation“ ausgesprochen. Ein Abkommen, das russische Gebietsgewinne festschreibt, würde die europäische Sicherheitsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg infrage stellen und könnte als Einladung für weitere Revisionismus-Projekte interpretiert werden. Zudem wäre ein halbiertes ukrainisches Militär langfristig kein Garant für die Sicherheit der EU-Ostflanke und damit auch nicht für Deutschland.
Ein Plan, der die Machtbalance verschieben könnte
Dass Russland territoriale Gewinne wiederum behalten und zugleich eine militärisch geschwächte Ukraine hinterlassen würde, kommt den strategischen Grundinteressen des Kreml entgegen. Es würde Putins Darstellung bestätigen, dass Gewalt und langfristiger Druck Ergebnisse bringen. Für Washington könnte der Plan hingegen ein Versuch sein, Ressourcen in Richtung Asien umzulenken und den Fokus auf China zu verstärken. Doch geopolitisch birgt er ein beträchtliches Risiko: Eine aufgezwungene Lösung ohne ukrainische Zustimmung dürfte kaum stabil sein und könnte zu einem eingefrorenen Konflikt führen – ähnlich wie in Georgien oder Moldau.
Der angebliche US-Russland-Plan markiert eine brisante Phase im Krieg. Wenn sich bestätigt, dass Washington Selenskyj zu territorialen Zugeständnissen drängt, würde dies einen tiefen Bruch in der westlichen Ukraine-Strategie bedeuten. Für Kiew ist der Entwurf in der aktuellen Form untragbar. Für Moskau wäre er ein strategischer Sieg. Und für Europa könnte er ein gefährlicher Präzedenzfall werden. Der Krieg ist damit keinen Schritt näher am Frieden, aber einen Schritt näher an einer möglichen geopolitischen Zerreißprobe innerhalb des Westens.


