Vier Brüder, ein Erfolgsrezept: Wie Voelkel zur größten Bio-Safterei der Welt wurde
Um die Nachfolge für sein Familienunternehmen muss sich Stefan Voelkel keine Sorgen mehr machen. Während andere Unternehmer händeringend nach nur einem Nachfolger suchen, kann Stefan Voelkel die Verantwortung für sein Unternehmen gleich an drei seiner Söhne übertragen. Boris, Jacob und Jurek Voelkel sind als Geschäftsführer in das Familienunternehmen eingetreten, Sohn David als Angestellter. Vier Brüder, vier unterschiedliche Charaktere.
Trotz der Unterschiede gelingt es den Brüdern, gemeinsam die Geschicke des Biosaft-Herstellers Voelkel zu bestimmen – und das mit Erfolg: Voelkel ist nach eigenen Angaben die größte Bio-Safterei der Welt. Das Unternehmen exportiert seine Obst- und Gemüsesäfte in 30 Länder, 400 Mitarbeitende verarbeiten 40 Obst-, Gemüse- und Pflanzensorten zu 250 Produkten. Mit einem Umsatz von rund 140 Millionen Euro hat Voelkel in seiner fast 90jährigen Geschichte 2024 das erfolgreichste Geschäftsjahr verzeichnet und den Umsatz um fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesteigert. Dass Voelkel um 5,7 Prozent stärker als der Schnitt der Bio-Branche gewachsen ist, führt das Unternehmen vor allem auf seine Ingwer-Shots zurück. Indem es die Flaschen nicht nur in Bio-Märkten, sondern auch im Lebensmitteleinzelhandel vertreibt, ist Voelkel Marktführer bei den Shots.
Wie die Gründerfamilie Voelkel ihren Weg fand: „Es geht bei Voelkel um das Bewahren der Natur“
Als Karl und Margret Voelkel sich im Jahr 1919 in Pevestorf im niedersächsischen Wendland ansiedelten, waren sie dem Ruf der Wandervogel-Bewegung gefolgt, ein Leben in Freiheit im Einklang mit der Natur zu führen. Um der Armut zu entkommen, verkauften sie aus einer mobilen Presse den Saft von Streuobst an die Dorfbewohner. Die Ideen des Waldorfschulgründers Rudolf Steiner zur biologisch-dynamischen Landwirtschaft prägten Karl und Margret Voelkel bereits in den 20er Jahren. „Wir wollen Lebensmittel, die gleichermaßen Körper wie Seele nähren“, zitiert Stefan Voelkel seine Großeltern. „Im Einklang mit Mensch und Natur.“
Diesem Gedanken hat Voelkel sich bis heute verschrieben. „Es geht bei Voelkel um das Bewahren der reinen Natur“, erklärt der Geschäftsführer. „Sowohl was den Inhalt der Endprodukte angeht, aber auch in Bezug auf das Bewahren der Natur.“
Von Mondphasen bis Mango-Farmen: Voelkels kompromissloser Bio-Ansatz
Die Nachkommen setzen das Erbe ihrer Vorfahren nach den anthroposophischen Prinzipien von Demeter fort. Der Anbauverband verbietet nicht nur den Einsatz von chemischen Düngern und Pestiziden, sondern geht noch einen Schritt weiter als die Verbände Naturland und Bioland, indem er Mondphasen und Sternenkonstellationen bei der Aussaat und Ernte berücksichtigt. Um Landwirte von Demeter zu überzeugen, reist Boris Voelkel bis zu den Ingwer- und Mangofarmen in Peru und Indien.
Der heutige Geschäftsführer Stefan Voelkel trat mit nur 22 Jahren 1980 die Nachfolge seines erkrankten Vaters Harm an. 18 Mitarbeitende und 15 Produkte zählte Voelkel damals. „Es bedarf einerseits viel Vertrauens, aber auch der Bereitschaft, dem Sohn die Möglichkeit zu geben, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und sich zu erproben“, sagt Stefan Voelkel über die Entscheidung seines Vater.
Freiheiten lassen statt Druck auszuüben
Genauso habe er es bei seinen eigenen vier Söhnen auch beherzigt: Statt Druck auszuüben Freiheiten lassen. „Ich denke, die Grundlage war erst einmal die sinnliche Erfahrung für meine Söhne“, sagt Stefan Voelkel. „Die sind von Kindesbeinen an auf Möhrenhaufen rumgeturnt, haben in frisch angelieferte Äpfel gebissen und jeden Tag gerochen, was bei uns gerade verarbeitet wird“. Seine Begeisterung ist auf alle vier Söhne übergesprungen. „Ich habe ihnen einfach nur vorgelebt, welches Glück es bedeutet, mit der Natur arbeiten zu dürfen.“
Boris hat nach einer Ausbildung sowie einem Studium der Wirtschaftspsychologie auf einer Mangofarm in Indien gearbeitet. Er ist für den Einkauf und die Zusammenarbeit mit den Landwirten zuständig. Gegen seine Brüder muss er bisweilen seine unkonventionelle Einkaufstaktik verteidigen, wenn er Lieferanten den doppelten Marktpreis für ihre Äpfel zahlt. Er hält dagegen mit „klugem Wirtschaften“, denn in schlechten Zeiten profitiere Voelkel von moderaten Preisen. „Und Jacob wollte eigentlich alles anders machen als sein Vater“, erklärt Stefan Voelkel. Doch durch einen Job im familieneigenen Werk habe er seine Leidenschaft für Technik und Produktion im Unternehmen entwickelt. Jurek leitet nach einem betriebswirtschaftlichen Studium den Vertrieb, während David eine Ausbildung zum Industriemechaniker absolviert hat und ebenfalls im Unternehmen tätig ist, die Leitung aber seinen Brüdern überlässt.
Eine Stiftung, um einen Übernahmekampf zu verhindern
Stefan Voelkel hat von seinen Vorfahren auch den Leitgedanken übernommen, „dass Unternehmertum ein größeres Ziel braucht als nur Gewinn zu erwirtschaften“, sagt er. Auch um einen Übernahmekampf zu verhindern und die Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie zu sichern, hat Stefan Voelkel 90 Prozent des Betriebs 2011 in eine hauseigene Stiftung überführt. Das Unternehmen ist damit unverkäuflich. Von den restlichen zehn Prozent profitieren gemeinnützige Projekte. So hat Voelkel trotz Ernteausfällen infolge von Extremwettern im vergangenen Jahr mehr als 400.000 Euro an 60 verschiedene Umwelt- und Hilfsorganisationen, Vereine und Forschungseinrichtungen gespendet, getreu dem Leitbild der Gründer: „Verantwortung für Mensch und Natur“.

