Finanzen

Wegen Steuerabkommen: Die Schweiz erwartet Banken-Sterben

Die neuen Steuerabkommen der Schweiz mit den USA und anderen europäischen Ländern wird den Bankensektor des Landes umkrempeln. Kunden werden vorsichtiger und werden vermutlich bis zu 135 Milliarden Euro aus der Schweiz abziehen. 30 Prozent der Arbeitsplätze in der Vermögensverwaltung sind gefährdet.
07.08.2012 23:28
Lesezeit: 1 min

Durch die verschiedenen Steuerabkommen mit den USA und anderen Ländern wie Deutschland werden sich viele Kunden aus der Schweiz aus Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen zurückziehen oder gar nicht erst den Weg in die Schweiz suchen. Herbert Hense von der Cap Gemini SA geht davon aus, dass allein die Westeuropäer 15 Prozent ihrer in der Schweiz angelegten Gelder in naher Zukunft abziehen werden. Das entspricht etwa einem Geldabfluss von rund 135 Milliarden Franken. Die Sarasin & Cie AG berichtete vergangene Woche, dass innerhalb der letzten 12 Monate bis Juni, die Privatkunden 3 Milliarden Euro aus ihren Schweizer Standorten zurückgezogen haben. Und der Vorsitzende der Banque Benedict Hentsch & Cie SA schätzt, dass bis zu ein Drittel der 3 Billionen Dollar Privatvermögens in der Schweiz nicht gemeldet ist und somit riskiert von den Steuerbehörden entdeckt zu werden.

Zeno Staub von der Vontobel Holding AG geht davon aus, dass rund 100 Schweizer Banken im Zuge dessen verschwinden werden. In den nächsten fünf Jahren werde fast jede dritte Bank verschwinden oder mit anderen Firmen fusionieren. Sie werden daran scheitern, mittels die Gebühren die steigenden regulatorischen Kosten und die schwierigen Marktbedingungen auszugleichen. Ähnlich sieht es Francois Reyl von der in Genf ansässigen Reyl-Gruppe: „Es wird kein Big Bang sein, aber es wird eine Erosion geben“. Die Banken, „ die sich nicht anpassen, werden einen langsamen Tod sterben“.

Im vergangenen Jahr fiel auch die Zahl der ausländischen Banken in der Schweiz von 154 auf 145, so der Verband der Auslandsbanken in der Schweiz. 312 Banken gab es der Schweizerischen Bankenvereinigung zufolge Ende 2011 in der Schweiz. Die neuen Steuerabkommen und die abfließenden ausländischen Geldern werden, so Nicolas Pictet von Pictet & Cie, zu einem Verlust von bis zu 30 Prozent der Arbeitsplätze im Bereich der Schweizer Vermögensverwaltung verloren gehen.

Die Schweizer Banken hoffen nun, die kommenden Abflüsse aus den traditionellen Offshore-Märkten mit dem Aufbau von Netzwerke in ganz Asien und dem Mittleren Osten sowie Lateinamerika auszugleichen. Aber es sei reines Wunschdenken, anzunehmen, dass die Industrie tatsächlich die ganzen Abflüsse damit kompensieren könne, erklärt Beat Bernet, Professor für Bankwirtschaft an der Universität St. Gallen der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Die Banken sollten endlich der Situation ins Auge sehen, dass die Rentabilität schrumpfen wird und sie ihre Geschäftsmodelle anpassen müssen, um die geringeren Gewinnmargen zu bewältigen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hitzestress am Arbeitsplatz: Mehr Krankmeldungen bei Extremtemperaturen
02.07.2025

Extreme Sommerhitze belastet nicht nur das Wohlbefinden, sondern wirkt sich zunehmend auf die Arbeitsfähigkeit aus. Bei Hitzewellen...

DWN
Politik
Politik Europa vor dem Zerfall? Ex-Premier Letta warnt vor fatalem Fehler der EU
02.07.2025

Europa droht, zum Museum zu verkommen – oder zum Spielball von Trump und China. Italiens Ex-Premier Letta rechnet ab und warnt vor dem...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...