Unternehmen

Regierung kürzt Auszahlungen von Lebens-Versicherungen

Die Bundesregierung will die Ausschüttungen auslaufender Lebensversicherungen deutlich reduzieren. Dabei geht es für die Kunden um Tausende Euro. So sollen die Versicherer vor dem Bankrott gerettet werden. Denn aufgrund der niedrigen Rendite auf Staatsanleihen sind sie nicht mehr in der Lage, ihren Kunden die versprochenen Zinsen zu zahlen.
28.05.2014 03:04
Lesezeit: 3 min

Die Bundesregierung plant umfassende Gesetzesänderungen, um die deutschen Lebensversicherer vor dem Bankrott zu bewahren. Denn aufgrund der Niedrigzinspolitik sind deren Renditen aus Staatsanleihen stark gesunken. Nach den aktuell geltenden Regeln könnten sie ihren Kunden die versprochenen Beträge bald nicht mehr auszahlen.

Bis zur Sommerpause wolle das Kabinett ein Gesetz auf den Weg bringen, hieß es am Dienstag in der Regierung. Dabei geht es angeblich darum, die Garantieversprechen an die fast 90 Millionen Versicherten zu sichern. Entscheidend ist jedoch, dass die Ausschüttung von Buchgewinnen auf Wertpapiere beschränkt werden kann.

Das trifft jene Kunden, deren Verträge jetzt enden und die von derzeit hohen Bewertungsreserven profitieren würden. Für manche geht es dabei um Tausende Euro. Es soll den Versicherungsunternehmen praktisch erlaubt werden, ihre Garantieversprechen eben nicht einzuhalten, weil dies aufgrund des Niedrigzinses auch mathematisch nicht möglich wäre.

Versicherer wie die Allianz oder die Münchener Rück legen ihre milliardenschweren Beitragseinnahmen am Kapitalmarkt an, zum großen Teil in Staatsanleihen. Diese werfen jedoch im Fall Europas wegen der Zins-Entscheidungen der EZB keine attraktive Rendite ab oder sind, wie in einigen Schwellenländern zu riskant.

Daher fällt es den Versicherern immer schwerer, mit ihren Investments das Geld einzuspielen, um den Kunden die zugesagten Renditen auf Lebensversicherungspolicen auch zukommen zu lassen. So lag die Durchschnittsrendite von Bundesanleihen 2013 lediglich bei 1,6 Prozent. Genau doppelt so hoch war allerdings der von der Branche im Schnitt zugesagte Zins.

Je mehr Altanleihen auslaufen, die durch weniger attraktivere Papiere ersetzt werden müssen, desto gravierender wird das Problem. Die Bundesbank hat deshalb schon gewarnt, bis 2023 drohe ein Drittel der Versicherer, die Eigenkapital-Hürden zu reißen.

Damit es erst gar nicht so weit kommt und das beliebteste Finanzprodukt der Deutschen keinen Schaden nimmt, setzt die große Koalition auf ein ganzes Bündel von Einzelmaßnahmen. So wird der Garantiezins, den die Unternehmen ihren Kunden maximal für die gesamte Vertragslaufzeit zusagen dürfen, zum Januar 2015 auf 1,25 von 1,75 Prozent abgesenkt. Das macht den Abschluss neuer Lebensversicherungen unattraktiver.

Sind die Garantiezusagen einer Versicherung in Gefahr, erhält die Aufsichtsbehörde BaFin nun weitreichende Eingriffsrechte. So kann sie festlegen, dass zunächst alle Renditezusagen an die Versicherten abgesichert sein müssen, bevor Dividenden an die Aktionäre gezahlt werden dürfen.

Zudem werden die Kunden künftig zu 90 Prozent am sogenannten Risikogewinn ihres Versicherers beteiligt. Bisher durften die Unternehmen ein Viertel dieses Ergebnisanteils ausschütten oder zurücklegen.

Der Risikogewinn entsteht zum Beispiel dadurch, dass Kunden früher sterben als gedacht und dann weniger Rente beziehen. Schließlich dürfen die Unternehmen die Abschlusskosten nur noch zu einem geringeren Teil zulasten der Versicherten bilanzieren.

Damit alle Versicherten ihre Renditen bekommen, müssen künftig im Zweifel auch ausscheidende Kunden zurückstehen. Bisher bekommen Versicherte, deren Verträge enden, die Hälfte der Bewertungsreserven von festverzinslichen Anlagen ausbezahlt.

Dabei handelt es sich um Buchgewinne. Sie entstehen, weil in der aktuellen Niedrigzinsphase ältere Wertpapiere mit einem höheren Zins vorübergehend wertvoller werden. 2012 summierten sich diese Bewertungsreserven auf rund 2,9 Milliarden Euro, die auf 6,6 Millionen auslaufende Verträge verteilt wurden. Für die verbliebenen 88 Millionen Versicherten wird der Kuchen dadurch allerdings kleiner.

Künftig kann die Beteiligung an Bewertungsreserven gekürzt werden, wenn nicht zuvor die Garantiezusagen der Versicherung an alle Kunden gesichert sind.

Für ausscheidende Kunden kann diese Neuregelung gravierende finanzielle Folgen haben. Würde man die nun geplante Neuregelung auf 2012 anwenden, hätte die Kürzung theoretisch im Schnitt etwa 440 Euro betragen. An diesem heiklen Punkt war ein erster Reformversuch der alten schwarz-gelben Bundesregierung letztlich gescheitert.

Zu dem Maßnahmenbündel zählen noch eine Reihe anderer Punkte wie die Offenlegung der Provisionen von Versicherungsmaklern. Die Assekuranzen müssen der Aufsicht außerdem mehrjährige Prognosen und - für den Ernstfall - Sanierungspläne vorlegen.

Der Branche entgegenkommen will die Regierung dadurch, langfristige Investitionen von Prämiengeldern in Infrastrukturprojekte zu erleichtern. Dadurch würde die Abhängigkeit von Staatsanleihen etwas verringert.

Den Gesetzentwurf will die Regierung noch vor der Sommerpause des Bundestages Mitte Juli ins Gesetzblatt bringen. In Kraft treten sollen die meisten Regelungen kurz danach.

Der Branchenverband GdV kritisierte, es sei für die Versicherer unmöglich, alle Änderungen bis Anfang 2015 umzusetzen. Außerdem schieße eine generelle Ausschüttungssperre an die Aktionäre völlig über das Ziel hinaus. Die höhere Beteiligung der Versicherten am Risikogewinn schränke zudem den Spielraum der Unternehmen ein, Reserven zu bilden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Politik
Politik Rentenversicherung: Warum Bärbel Bas' Beamten-Vorschlag 20 Milliarden Euro im Jahr kosten würde
13.05.2025

Geht es nach Arbeitsministerin Bärbel Bas, sollen künftig auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden. Eine neue...

DWN
Panorama
Panorama Reichsbürger-Verbot: Dobrindt zerschlägt "Königreich Deutschland"
13.05.2025

Sie erkennen den Staat nicht an, verbreiten Verschwörungstheorien und zahlen häufig keine Steuern. Die Szene der Reichsbürger war...

DWN
Politik
Politik Geopolitischer Showdown in der Türkei: Selenskyj, Putin – und Trump im Anflug
13.05.2025

Ein historisches Treffen bahnt sich an: Während Selenski den russischen Präsidenten zu direkten Friedensgesprächen nach Istanbul...

DWN
Panorama
Panorama Umwelt? Mir doch egal: Klimaschutz verliert an Bedeutung
13.05.2025

Klimaschutz galt lange als gesellschaftlicher Konsens – doch das Umweltbewusstsein in Deutschland bröckelt. Eine neue Studie zeigt, dass...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohntraum wird Luxus: Preise schießen in Städten durch die Decke
13.05.2025

Die Preise für Häuser und Wohnungen in Deutschland ziehen wieder deutlich an – vor allem in den größten Städten. Im ersten Quartal...

DWN
Finanzen
Finanzen Wird die Grundsteuer erhöht? Zu viele Ausgaben, zu wenig Einnahmen: Deutsche Kommunen vorm finanziellen Kollaps
13.05.2025

Marode Straßen, Bäder und Schulen: Fast neun von zehn Städten und Gemeinden in Deutschland droht in absehbarer Zeit die Pleite. Bereits...

DWN
Politik
Politik EU im Abseits: Trump bevorzugt London und Peking – Brüssel droht der strategische Bedeutungsverlust
12.05.2025

Während Washington und London Handelsabkommen schließen und die USA gegenüber China überraschend Konzessionen zeigen, steht die EU ohne...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona nie wieder gesund? Die stille Epidemie der Erschöpfung
12.05.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der ME/CFS-Betroffenen in Deutschland nahezu verdoppelt. Rund 600.000 Menschen leiden inzwischen...