Dem jetzigen Schritt ging ein Urteil des türkischen Verfassungsgerichts voraus. Die Richter vertraten die Ansicht, dass die Blockade von YouTubesowohl gegen die Rechte der Nutzer als auch die Freiheit der Rede verstoße. Eine ähnliche Einschätzung ließ das Gericht schon zuvor im Zusammenhang mit der Twitter-Blockade in der Türkei verlauten.
Am 3. Juni beugte sich die TİB schließlich dem Verfassungsgericht. Ein entsprechender Hinweis auf der Webseite wurde entfernt. Das berichtet die türkische Zeitung Hürriyet. Das Oberste Gericht der Türkei hatte die landesweite You-Tube-Sperre bereits vor fünf Tagen als gesetzteswidrig eingestuft. Die Sperre sei unverzüglich aufzuheben. Die Entscheidung der Richter war bindend.
Schon Anfang April hatte YouTube Beschwerde beim Verfassungsgericht eingereicht. Daneben übte das US-Unternehmen Druck an anderen Stellen aus, um eine Aufhebung der Sperre zu erwirken. Ohne Erfolg. Gleich mehrere einschlägige Urteile niederer Instanzen wurden ignoriert.
Zuvor hatte die türkische Telekommunikationsbehörde (TİB) das Twitter-Verbot im Zuge eines entsprechenden Urteilsspruchs vom Verfassungsgericht aufgehoben. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die Maßnahme die Rechte der User verletzt. Damals reagierte die Behörde allerdings zügiger: Nur 24 Stunden später hob die TİB die Blockade auf.
Schon jenes Urteil zeigte jedoch die Kluft zwischen Verfassungsgericht und Regierung. Kurz nach dem entscheidenden Twitter-Urteil Anfang April setzte das oberste Gericht des Landes auf Signalwirkung und legte sich kurzerhand selbst einen Account beim Microblogging-Dienst zu.
Die Telekommunikationsbehörde machte mit ihrer YouTube-Sperre am 27. März zum ersten Mal von ihren neuen Befugnissen Gebrauch und agiert ohne Gerichtsbeschluss. Möglich wurde das durch die Anfang Februar verabschiedete verschärfte Internet-Gesetzgebung. Nur Stunden zuvor waren sensible Gesprächsmitschnitte aus dem türkischen Außenministerium ins Netz gelangt.