Unternehmen

Ausbeutung: SPD beschäftigt Praktikanten für 80 Euro in der Woche

Lesezeit: 3 min
13.06.2014 02:16
Arbeitsministerin Andrea Nahles will mit der Ausbeutung von Praktikanten aufräumen. Da kann sie am besten im eignen Haus beginnen: Praktikanten im Dienst der SPD können nicht immer auf eine ordentliche Bezahlung hoffen. Die Vergütungen auf Bundes- und Landesebene reichen oft nur für Mittagessen und Busticket. Erwartet wird jedoch meist ein Vollzeiteinsatz von 39 Stunden pro Woche. Wer keinen privaten Mäzen hat, kommt als junger Mensch in Diensten der SPD nicht über die Runden.
Ausbeutung: SPD beschäftigt Praktikanten für 80 Euro in der Woche

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) meldete sich kürzlich mit einer Ansage zu Wort gemeldet, die man nur voll und ganz unterschreiben kann. „Ich werde das Modell der 'Generation Praktikum' beenden“, kündigte die Ministerin in einem Zeitungsinterview an. Wer eine Ausbildung oder ein Studium absolviert habe, werde nicht mehr „monatelang für lau ausgenutzt“ werden.

Das ist löblich und sollte so geschehen.

Nahles kann auch konkret mit der Umsetzung beginnen: Wie eine Recherche der Deutschen Wirtschafts Nachrichten zeigt, gibt es bei Nahles' eigener Partei eine weit verbreitete Praxis, dass Mitarbeiter „monatelang für lau ausgenutzt werden“.

Die SPD war schon vor einigen Jahren in die Schlagzeilen geraten, als herauskam, dass bei Aushilfskellner bei einer SPD-Veranstaltung lausig bezahlt wurden und die SPD-Granden auch alles andere als spendierfreudig waren, als es um das Trinkgeld ging (lesen Sie hier den „Bericht des Aushilfskellners Kotte von einem SPD-Abend“).

Doch auch das „Modell der 'Generation Praktikum'“ scheint in der SPD weit verbreitet zu sein.

Wer sich beispielsweise im Rahmen seines Studiums für ein Praktikum bei der SPD-Bundestagsfraktion entscheidet, muss irgendwo im Hintergrund einen privaten Mäzen haben, wenn er bei der Arbeiterpartei anheuert. Auf Bundesebene sind Praktika für Studenten in höheren Semestern möglich. Eingesetzt werden die jungen Leute vorzugsweise ab dem vierten oder fünften Fachsemester vor allem in den Arbeitsgruppen der Fraktion in Vollzeit. Außerdem können Praktika in den Büros der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden durchgeführt werden.

Das heißt, sie arbeiten 39 Stunden pro Woche und das für eine Dauer von mindestens vier bis maximal acht Wochen. Gezahlt wird aber nur eine wöchentliche Aufwandsentschädigung von 80 Euro. Diese ist „als Beitrag zu den Fahrt- oder Verpflegungskosten anzusehen“, heißt es in einem Schreiben der SPD-Bundestagsfraktion.

Lediglich einen kleinen Obolus gibt es auch bei einigen Landesverbänden. So können Praktikanten im SPD-Landesverband Berlin ebenfalls mit 80 Euro pro Woche rechnen. Eingestellt werden die Interessenten für höchstens drei Monate. Ihre Aufgaben erfüllen sie Vollzeit.

Nicht ganz so konkret klingen die Ausschreibungsprofile in anderen Bundesländern. Der SPD-Landesverband Sachsen stellt Praktikanten etwa für einen Zeitraum von zwei bis sechs Monaten ein. Zur Vergütung finden sich lediglich folgende Informationen: „Für Deine Arbeit erhältst Du eine Aufwandsentschädigung sowie ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr.“ Zwölf Wochen hinter die Kulissen blicken können Studenten auch beim Landesverband Hessen sowie bei der Landesorganisation Hamburg. Bezahlt wird auch hier. Wie viel, bleibt unklar: „Du erhältst selbstverständlich einen eigenen PC-Arbeitsplatz und eine Aufwandentschädigung.“ Ähnlich klingt das bei der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag: „(...) ein Praktikum in der SPD-Fraktionn wird angemessen vergütet.“ Angemessen bedeutet im Fall einer sechs- bis achtwöchigen Tätigkeit im SPD-Landtag von Baden-Württemberg übrigens 450 Euro pro Monat.

Geld gibt es auch bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. In der Regel sind es 400 Euro im Monat. Wer jedoch nur bis zu vier Wochen bleibt, geht leer aus. Wie es sich bei den zur SPD Medien Holding (ddvg) gehörenden Verlagshäusern verhält, ist unbekannt. Hinweise auf die Höhe einer Praktikumsvergütung finden sich nicht. Gleiches gilt für eine Praktikumstätigkeit beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). FSJler, Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst und Soziale Praktikanten erhalten zumindest ein Taschengeld. Bei einem Auslandseinsatz gibt es 400 Euro pro Monat plus Zulagen. Deutlich sagt hingegen das SPD nahe August-Bebel-Institut: „Leider keine“ Bezahlung.

Dass auch ein kleiner Beitrag nicht immer selbstverständlich ist, zeigt der Fall der parlamentarischen Staatssekretärin Brigitte Zypries, der kürzlich bekannt wurde. Einem Studenten wurde hier ein zugesicherter Praktikumsplatz wieder abgesagt. Er hatte zu sehr in Sachen Vergütung nachgebohrt. Wie aus ihrem Büro bekannt wurde, erhielten Praktikantenim Normalfall kein Entgelt. Lediglich in „Ausnahmefällen (…) vor allem bei finanziellen Notlagen“ gebe es ein Gehalt. Und das, obwohl Abgeordneten pro Monat 16.019 Euro für Mitarbeiter zur Verfügung stehen.

Dabei heißt es nicht nur in einem Juso-Beschluss vom 21. März 2013: „Als regierende Partei im Land Baden-Württemberg darf die SPD den Missbrauch von Praktika nicht akzeptieren und ist angehalten, dagegen politisch vorzugehen.“ Langzeit-Praktikanten sollen künftig ebenfalls 8,50 Euro die Stunde erhalten. Für einen 39-Stunden-Einsatz wären das immerhin 331,50 Euro pro Woche, also 1326 Euro im Monat.

Gefruchtet hat der Druck der Jusos zumindest im Kultusministerium Baden-Württemberg: Bei Andreas Stoch (SPD) gab es für Praktikanten bislang weder eine Vergütung noch Fahrtkostenersatz. Das Argument: Das gab es schließlich auch nicht unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Jetzt soll sich das jedoch ändern und künftig zwischen 300 und 500 Euro bezahlt werden.

Wie eine kleine Anfrage der Grünen vor Kurzem ergab, sind kleine Gehälter oder überhaupt kein Lohn auch in den Ministerien verbreitet. Keine Vergütung und keine Aufwandsentschädigung zahlen insgesamt sechs von 14 Ministerien. Jene, die sich vollständig drückten, boten in den vergangenen Jahren nur Pflichtpraktika im Rahmen einer Studienordnung oder sehr kurze Schnupperpraktika an, die sich außerhalb der Richtlinien bewegen.

Die Praktikantenrichtlinie des Bundes sagt aber ganz klar: „Für Praktika von Schülerinnen und Schülern, Berufsschülerinnen und Berufsschülern sowie Studierenden sind mindestens 300,- Euro monatlich zu zahlen.“ Für Pflichtpraktika gilt allerdings: Die Praktikanten „besitzen keinen gesetzlichen Vergütungsanspruch. Es kann ihnen jedoch auf der Grundlage einer vertraglichen Regelung zum Ausgleich der entstehenden finanziellen Belastungen eine steuerpflichtige Aufwandsentschädigung gezahlt werden.“

Viel Arbeit also für die Arbeitsministerin im eigenen Haus.

Sie kann nun den schönen Worten konkrete Taten folgen lassen.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Robert Habeck sollte endlich die Kehrtwende vollziehen - im Heizungskeller Deutschlands
03.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirtschaftsstandort in der Kritik: Deutsche Ökonomen fordern Reformen
03.05.2024

Deutschlands Wirtschaftskraft schwächelt: Volkswirte geben alarmierend schlechte Noten. Erfahren Sie, welche Reformen jetzt dringend...

DWN
Politik
Politik Rheinmetall-Chef: Deutschland muss Militärausgaben um 30 Milliarden Euro erhöhen
03.05.2024

Armin Papperger, der CEO von Rheinmetall, drängt darauf, dass Deutschland seine Militärausgaben um mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Indische Arbeitskräfte im Fokus: Deutschland öffnet die Türen für Fachkräfte
03.05.2024

Die Bundesregierung strebt an, einen bedeutenden Anteil der indischen Bevölkerung nach Deutschland zu holen, um hier zu arbeiten. Viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie lege ich mein Geld an – wichtige Tipps für Anfänger
03.05.2024

Die Tipps zur Geldanlage können wirklich spannend sein, besonders wenn es darum geht, die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen und eine...

DWN
Politik
Politik Die Bundesregierung macht Russland für den Cyberangriff auf SPD verantwortlich
03.05.2024

Im Januar des Vorjahres wurden die E-Mail-Konten der SPD von Hackern attackiert. Die Bundesregierung gibt nun "eindeutig" Russland die...

DWN
Finanzen
Finanzen Der komplette Guide zur Bankvollmacht: Sicherheit und Flexibilität im Finanzmanagement
03.05.2024

Eine Bankvollmacht kann entscheidend dafür sein, Sicherheit und Flexibilität in Ihren finanziellen Angelegenheiten zu gewährleisten....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fleischersatz auf dem Vormarsch: Deutschland erlebt Produktionsboom
03.05.2024

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte gewinnen in Deutschland an Beliebtheit: Produktion verdoppelt sich seit 2019. Fleischkonsum...