Politik

Bürgerkrieg im Irak: Islamische Gruppen kämpfen um die Vorherrschaft

Der Irak steht vor einem Bürgerkrieg. In mehreren Städten gibt es Zusammenstöße zwischen Sunniten und Schiiten. Der Iran und die Türkei buhlen um Einfluss im Land. Doch die unterschiedlichen Strömungen des Islam erscheinen unversöhnlich.
14.06.2014 02:01
Lesezeit: 2 min

Der Irak könnte in einen Konfessions-Krieg zwischen Schiiten und Sunniten schlittern. Beim Freitagsgebet hatte einer der einflussreichsten schiitischen Geistlichen im Irak, Großajatollah Ali al-Sistani, dazu aufgerufen, das Land mit Waffengewalt gegen Aufständische zu verteidigen.

Bei den Aufständischen handelt es sich hauptsächlich um die sunnitische Islamisten-Gruppe „Der Islamische Staat im Irak und der Levante“ (ISIL). Doch die Worte des Geistlichen sorgten bei allen irakischen Sunniten für Unruhe.

Die Sunniten bilden innerhalb der islamischen Welt die größte Glaubensrichtung - außer im Iran, Bahrain, Oman, Aserbaidschan, Libanon und Irak. Die Schiiten sind in der Minderheit. Beide Gruppen unterscheiden sich durch verschiedene Auslegungen der islamischen Geschichte und Religionslehre.

Nach Angaben von CIA - The World Factbook sind 60 bis 65 Prozent der irakischen Bevölkerung Schiiten. Etwa 32 bis 37 Prozent sind Sunniten. Im Irak leben insgesamt etwa 32,6 Millionen Menschen.

Alte Schuld erzeugt neue Schuld

Unter dem Saddam-Regime wurden die Schiiten massiv unterdrückt. Denn die irakischen Schiiten gelten als mehrheitlich pro-iranisch, obwohl sie Araber sind. Die Konfession ist an dieser Stelle wichtiger als die Ethnie.

Nach dem Sturz Saddam Husseins etablierten sich die Schiiten im neuen Irak. Aktuell sind sie tonangebend in Bagdad. Für die restliche Bevölkerung gelten sie immer noch als Handlanger des Irans. Deshalb fürchten sich die restlichen Gruppen vor ihnen.

Die Brookings Institute-Analystin Geneive Abdo zitiert den Ex-Medienberater der bahrainischen Botschaft in Washington D.C, Saqer Al Khalifa:

„Seit der islamischen Revolution im Jahr 1979 weiss der Geheimdienst Bahrains, dass es eine schiitische Ideologie gibt (...) Nach Saddams Abgang hat das Sektierertum im Irak zugenommen. Sie [die Schiiten] zielten auf Wissenschaftler und religiöse Führer ab (...) Dasselbe passierte urplötzlich in Bahrain.“

Stratfor-Analyst Kamran Bokhari sagt, dass die Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten im Irak auch eine regionale Bedeutung haben. Denn der Iran sieht sich als der natürliche Schutzpatron der Schiiten.

Saudi Arabien steht auf Seiten der irakischen Sunniten. Der weitgehende Abzug der US-Truppen aus dem Irak im Jahr 2011 hat ein Machtvakuum im Land geschaffen. Dieses Vakuum wollen die beiden religiösen Parteien ausfüllen und stehen in Konkurrenz.

Künstliche Staaten und Grenzen

Doch die heutigen Grenzen des Irak und der Arabischen Welt sind nach dem Ersten Weltkrieg hauptsächlich von den Briten künstlich geschaffen worden, schreibt O'Brien Browne im Christian Science Monitor. Die Grundlage hierfür lässt sich im Sykes-Picot-Abkommen finden. Der wurde 1916 zwischen Frankreich und Großbritannien geschlossen und sah die Aufteilung des Nahen Ostens vor.

Das jene alte Ordnung zerfällt wird auch in der Türkei weitgehend akzeptiert. Der türkische Journalist Ardan Zentürk schreibt in einem Artikel der Zeitung Stargazete:

„Die Zentralregierungen Syriens und des Irak, sind nicht mehr fähig ihre Territorien zu kontrollieren. Der Irak ist nach dem Einmarsch der Amerikaner rechtlich in drei Teile zerfallen. Die Paradigmen der Region verändern sich.“

Zentürk erkennt zudem eine Feindseligkeit der Schiiten im Irak. Die seien darauf aus, die Sunniten und Kurden in Ihren Rechten zu beschränken. Die aktuellen Ereignisse in Mossul bestünden nicht aus reinen Aggressionen der ISIL-Extremisten.

Dahinter stecke vielmehr ein kollektiver Aufstand der Sunniten, die seit elf Jahren massiv unterdrückt werden, so Zentürk. Deshalb müsse die Türkei insbesondere die Kurden unterstützen.

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