„Es könnte schneller passieren als die Märkte es derzeit erwarten“, sagte Carney. Bisher war der Gouverneur der Bank von England von einer automatischen Abkühlung der brummenden britischen Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte ausgegangen. Die Erhöhung werde schrittweise und begrenzt erfolgen, so der Währungshüter. Vieles spricht für eine Erhöhung von 0,5 auf 0,75 Prozent im kommenden Herbst. Carneys richtiger Abschied von der ultralockeren Geldpolitik beflügelte die Phantasie der Devisenhändler: Das Pfund Sterling verzeichnete einen kräftigen Kursauftrieb und stieg zum Euro auf den höchsten Stand seit September 2012.
Carneys Wandel reflektiert die wirtschaftliche Realität und ist ein begrüßenswerter Kurswechsel hin zu einem sich normalisierenden Zinsniveau und einem solideren Wachstum. Die drittgrößte Volkswirtschaft Europas ist weiterhin auf rasantem Wachstumskurs. Im ersten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt um 0,8 Prozent zum Vorquartal, im Gesamtjahr 2013 um 1,8 Prozent. Keine andere Industriennation legt derzeit ein solches Wachstumstempo vor. Das Risiko einer Überhitzung mit beschleunigter Inflation und steigenden Preisen ist groß. Carneys Kehrwende wird den Konjunkturmotor gedämpfter laufen lassen und die Lage auf der Insel insgesamt entspannen, während die Eurozone weiter abschmieren wird.
Mit dem Abschied vom billigen Geld will der oberste Währungshüter des Vereinigten Königreichs auch den langsam heiß laufenden Häusermarkt abkühlen. Im Mai waren die Preise um 11, 1 Prozent gestiegen – so stark wie seit sieben Jahren nicht mehr. Schatzkanzler Osbourne will Carney nun „alle notwendigen Waffen“ gestatten, um den Immobilienmarkt vor drohenden Blasen zu schützen. Schon in wenigen Tagen könnte Carney neue Kontrollen der Hypothekendarlehen ankündigen.
Und: Der Gouverneur will die Briten auch aus Gründen des Selbstschutzes bereits in diesem Jahr an allmählich steigende Zinsen gewöhnen. Eine Zinswende zu Beginn 2015 hätte ihn mit dem Vorwurf konfrontiert, die Wahlen im Mai beeinflussen zu wollen.