Lesezeit: 1 min
19.06.2014 16:05
Polens Premier Donald Tusk gerät nach Bekanntwerden der Abhör-Affäre unter Druck. Bei dem Gespräch zwischen seinem Innenminister und dem Notenbank-Chef wurden Konjunkturhilfen versprochen. Im Gegenzug wurde der Finanzminister entlassen. Nun werden vorgezogenen Neuwahlen immer wahrscheinlicher.
Abhör-Skandal: Polen vor Neuwahlen

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Polen steuert immer stärker auf Neuwahlen zu. Nach der Abhöraffäre um den Innenminister und den Notenbankchef durchsuchten die Behörden bei einer nächtlichen Razzia am Donnerstag Redaktionsräume des Nachrichtenmagazins, das die heimlichen Aufnahmen veröffentlicht hatte.

Kritiker sprachen von einem Angriff auf die Pressefreiheit, wie es ihn seit dem Ende des Kommunismus in Polen vor 25 Jahren nicht mehr gegeben habe. Neuwahlen könnten die einzige Lösung sein, wenn das Vertrauen so sehr erschüttert sei, räumte Ministerpräsident Donald Tusk daraufhin am Donnerstag vor der Presse ein.

Als Regierungschef fühle er sich verantwortlich, sagte Tusk. Die Regierung werde für die Vorgänge einen politischen Preis zahlen müssen und er schließe nicht aus, dass sie von den Wählern abgestraft werde.

Auch Polens Präsident Bronislaw Komorowski plädierte für Neuwahlen für den Fall, dass die Abhöraffäre von der Regierung mit den üblichen Mitteln nicht aufgeklärt werden könne. Nächster regulärer Wahltermin für das Parlament wäre im Herbst 2015.

Auslöser der Krise sind Mitschnitte eines Gesprächs zwischen Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz und Notenbankchef Marek Belka, die das Magazin Wprost in Auszügen veröffentlicht hatte. Belka bot demnach im Juli vorigen Jahres in einem Warschauer Restaurant Konjunkturhilfen der Zentralbank an und verlangte im Gegenzug die Entlassung des damaligen Finanzministers Jacek Rostowski. Dieser verlor tatsächlich seinen Posten im November 2013 bei einer Kabinettsumbildung.

Nach Angaben der Zentralbank sind die Mitschnitte zwar aus dem Kontext gerissen. Doch seit der Veröffentlichung am vergangenen Samstag steigt der Druck auf die Beteiligten, vor allem seit der Durchsuchung der Wprost-Redaktionsräume. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter waren Fotos zu sehen, die zeigen, wie Behördenvertreter versuchen, Chefredakteur Sylwester Latkowski einen Laptop aus den Händen zu entreißen. Er erklärte später, dass es ihm gelungen sei, den Computer zu behalten sowie ein Speichermedium, auf dem sich weitere Aufzeichnungen befänden, die das Magazin am Montag veröffentlichen wolle.

„Ich weiß von keinem anderen demokratischen Staat, in dem der Inlandsgeheimdienst und die Staatsanwaltschaft irgendwo unter Anwendung von Gewalt eindringen würden“, sagte eine der bekanntesten Journalistinnen Polens, Monika Olejnik, auf Tusks Pressekonferenz. „Es ist so weit gekommen, dass die ganze Journalistenbranche gegen Sie ist, Herr Ministerpräsident. Es tut mir leid.“

 

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Sichere Mobilgeräte für Ihr Business: Das Samsung Security Ecosystem

In vielen Unternehmen sind Smartphones und Tablets längst zum unverzichtbaren Arbeitsmittel geworden. Je nach Einsatzgebiet sind die...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Es geht schlicht um die Neuordnung Europas
23.09.2023

Bei Friedensverhandlungen zwischen Brüssel, wo die Zentralen der EU und der NATO stehen, und Moskau geht es unweigerlich um eine...

DWN
Politik
Politik Kommunen unter Druck: Ampel ändert Strategie bei der Migration
23.09.2023

Kehrtwende in der Migrationsfrage: Die Innenministerin lehnt stationäre Grenzkontrollen nicht mehr ab, der Kanzler ist für schnellere...

DWN
Politik
Politik Arbeit unterbewertet? Das Bürgergeld 2.0: Ein visionärer Ansatz für Deutschland?
23.09.2023

Zahlt sich Arbeit noch aus? Gerade Geringverdiener behalten oft weniger im Portemonnaie als Sozialleistungsempfänger. Könnte ein...

DWN
Politik
Politik Zweifler überzeugt? Ein Jahr Giorgia Meloni
23.09.2023

Ein Jahr ist es her, dass Giorgia Meloni in Italien die Wahl gewann. Im Ausland waren die Sorgen groß, dass das EU-Gründungsmitglied weit...

DWN
Politik
Politik Wohnungsnot: Bauministerin Geywitz will Energie-Vorschriften aufweichen
23.09.2023

Die Bundesregierung ist von ihrer Zielvorgabe von 400.000 Neubauten meilenweit entfernt. Jetzt sollen die Energiesparstandards einkassiert...

DWN
Immobilien
Immobilien DWN-Interview: „Verstöße gegen die Mietpreisbremse werden leider gar nicht kontrolliert“
23.09.2023

Im DWN-Interview spricht der Präsident des Deutscher Mieterbundes (DMB) Lukas Siebenkotten über die Krise auf dem deutschen Mietmarkt. Er...

DWN
Finanzen
Finanzen Fondskosten: „Die TER liefert kein vollständiges Bild“
23.09.2023

Anleger schauen auf die TER, um die Kosten eines Fonds abzuschätzen. Doch Experten sehen das Kostenmaß kritisch.

DWN
Technologie
Technologie Wessen KI-Revolution?
23.09.2023

Der Fortschritt in der Entwicklung Künstlicher Intelligenz bringt weitgehende gesellschaftliche Herausforderungen und Risiken mit sich....