Eine neue EU-Richtlinie (ESVG 2010a) sieht vor, dass ab September 2014 auch Einnahmen der Staaten aus Schmuggel, Drogenhandel, Sex und Militärgütern in das Brutto-„Sozialprodukt“ (auch als Brutto-Inlandsprodukt bezeichnet) in die Statistik als „nationale Wertschöpfungen“ einfließen sollen.
Selbst wenn der Handel mit Sex in Deutschland legalisiert ist – in den meistens europäischen Ländern ist dies nicht der Fall. Gleichwohl fließen offenbar auch hierzu Schätzungen in die neuen Brutto-Inlandsprodukt-Berechnungen mit ein.
Der Vorteil der neue Richtlinie: je höher das Brutto-Inlandsprodukt des jeweiligen Staates, desto niedriger nehmen sich dazu im Verhältnis die offiziellen Staatsschulden aus.
Eine Statistik von börse.de zeigt, dass die Neuberechnungen nur marginale Auswirkungen haben dürften.
Bereits seit 2013 wenden die Vereinigten Staaten derartig neue Berechnungsmethoden an. Weltweit gibt es hierzu das „System of National Accounts“ (SNA) der Vereinten Nationen.
Die Gesamt-Verschuldung der 18 Euroländer dürfte nach Schätzungen demnach von derzeit 96,3 Prozent auf 94,0 Prozent fallen, der Schuldenstand Deutschlands von 79,9 auf 77,4 Prozent, Italiens von 133,6 auf 131,0 Prozent und Frankreichs von 93,8 auf 91,1 Prozent, Spaniens von 94,6 auf 92,8 Prozent und Portugals von 129,2 auf 125,7 Prozent. Für Griechenland, Zypern und Malta liegen keine Schätzungen vor.
Nach einer interaktiven Grafik des Handelsblatts ermittelte Eurostat in einer Modellrechnung, wie sich die Schuldenquotennach der Umsetzung der Richtlinie aus Brüssel mit Einberechnung der Umsätze aus Drogen- und Waffenhandel, Sex und Schmuggel neu darstellen.
Demnach sinkt die Schuldenquote für Deutschland um 2,3 Prozent, Italiens um 2,4 Prozent, Frankreichs um 2,5 Prozent, Spanien steht mit 1,4 Prozent weniger Schulden da und Portugal um 2,1 Prozent.
Offizielle Zahlen werden ab September 2014 verfügbar sein.
Um die Umsätze für das Brutto-Sozialprodukt aus Schmuggel – wie etwa beim Zigarettenschmuggel –hochzurechnen, wühlen Ermittler für ihre Datensätze sogar im Müll, wie das Handelsblatt berichtet.
Auch bei den sogenannten Militärgütern gibt es Änderungen. Militärische Ausgaben, etwa für neue Waffensysteme, fielen bisher unter „Konsumausgaben“. Ab Herbst werden sie, wie das Handelsblatt meldet, als Anlagegüter umgebucht. Sie zählen somit zu den Investitionen und führen zur Erhöhung des Brutto-Inlandsprodukts.
Fast sechs Milliarden Euro waren die 2013 von der alten Regierung genehmigten Ausfuhren von Rüstungsgütern wert. In 2012 waren es 4,7 Milliarden Euro, mithin eine Zunahme von etwa 25 Prozent. Deutsche Maschinengewehre, Panzer und andere Tötungsmaschinen wurden 2013 erneut nach Saudi-Arabien oder Katar geliefert, die regelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen am Pranger stehen.
Die Koalition will laut offiziellen Bekundungen zurückhaltender agieren. Neue Rekorde sind dennoch möglich. Denn die Regierung möchte künftig lediglich nach „Einzelfällen“ prüfen. Denn Waffenexporte erhöhen das Brutto-Sozialprodukt und drücken die Schuldenquote nach unten.