Die Zahl der Selbstmorde ist in den vergangenen zwei Jahren in Italien deutlich gestiegen. Erst vor eineinhalb Wochen zündete sich ein 54-jähriger Italiener vor dem italienischen Parlament an, berichtete Reuters. Angelo di Carlo war arbeitslos und fand nur vorübergehend ab und an Arbeit. Bevor die Polizei die Flammen löschen konnten, waren 85 Prozent seines Körpers verbrannt. Er starb später im Krankenhaus an den Folgen seiner Verletzungen. Die Polizei geht davon aus, dass er mit dieser Tat auf seine finanziellen und sozialen Schwierigkeiten aufmerksam machen wollte.
Bereits im Mai hatten Witwen vor den Finanzämtern in Bologna protestiert und behaupteten , die Strenge der Sparmaßnahmen und die Steuererhebungen hätten ihre Männer in den Selbstmord getrieben. In Griechenland werden aufgrund von finanziellen Mitteln zunehmend auch mehr Kinder ausgesetzt (mehr hier). Dies war der Beweggrund für eine Studie, die ein Team von Forschern um den Professor Roberto De Vogli von der University of Michigan School of Public Health durchführte. Mittels der Daten des italienischen Statistikamtes hatten sie mit einem Regressionmodell festgestellt, dass die gestiegene Zahl der Selbstmorde in Italien tatsächlich im Zusammenhang mit der Finanzkrise zu sehen ist. Ein Vergleich der zeitlichen Trends der Krisenjahre 2008 bis 2010 mit den Jahren vor der Krise (2000 bis 2007) zeigte, dass es zwischen 2008 und 2010 290 mehr Suizide und Suizidversuche aus wirtschaftlichen Gründen gab als zuvor.
Diese „vorläufigen Ergebnisse“ weisen darauf hin, dass, wie es auch in anderen europäischen Ländern wie etwa Griechenland zu sehen ist, die große Rezession und die Sparmaßnahmen (…) erhebliches, menschliches Leid in der allgemeinen Bevölkerung verursacht haben“, wird Professor Roberto De Vogli in der Pressemitteilung der Universität zitiert. „Natürlich müssen diese Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden.“ Mehr Forschung auf besseren Daten sei notwendig, um die konkreten Auswirkung der Krise auf die Selbstmorde zu untersuchen. „Allerdings sind die Tendenzen bei den Selbstmorden in Italien im Einklang mit denen in anderen europäischen Ländern zu sehen, in denen die Selbstmorde vor der Krise zurückgingen und nach dem Beginn des Jahres 2008 rapide anstiegen“, so Roberto De Vogli.
Er und sein Forscherteam unterstützen daher Forderungen nach stärkerer politischer Intervention, um die sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Familien und Einzelpersonen, die ihre Arbeitsplätze, Wohnung oder Geschäfte aufgrund der Finanzkrise verloren haben, zu erleichtern.