Die Probleme der portugiesischen Krisenbank Espírito-Santo waren lange vorher bekannt. Die Zentralbank Portugals hat bei der Aufsicht komplett versagt. Wenn die Espírito-Santo-Bank ihre Schulden nicht mehr begleichen kann, muss erneut der Steuerzahler einspringen. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten sprachen mit dem portugiesischen Wirtschafts-Experten Camilo Lourenço.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wo kommen die Probleme der Banco Espírito Santo her?
Camilo Lourenço: Die Probleme der Espírito-Santo-Bank wurden vor allem durch die zur Espírito-Santo-Gruppe gehörenden Unternehmen verursacht. Diese haben Schulden in Höhe von mindestens 7 Milliarden Euro angehäuft. Zur Espírito-Santo-Holding gehören ja neben der Banken- und Versicherungssparte, auch viele Unternehmen des Immobilien-, Tourismus-, Landwirtschafts-, Energie- und Gesundheitsbereichs. All dieses Unternehmen haben die genannte Summe an Schulden angehäuft.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Hat die portugiesische Zentralbank ihre Aufsichtspflicht verletzt?
Camilo Lourenço: Auf jeden Fall. Es gab eine Reihe von Unregelmäßigkeiten, die auf jeden Fall viel früher hätten erkannt werden und den Sturz des Vorstands hätten nach sich ziehen müssen. Man hätte viel früher die Reißleine ziehen müssen. Stattdessen hat die Zentralbank abgewartet, gezögert, mit dem Vorstand der Espírito-Santo-Gruppe gekungelt...
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was hat man sich unter ‚Unregelmäßigkeiten“ vorzustellen? Inkompetenz? Korruption?
Camilo Lourenço: Es wird jetzt in mehreren Fällen ermittelt. Ich gehe stark davon aus, dass es eine Menge kriminellen Materials und Inhalts ans Licht kommen wird. Man weiß, dass die Buchhaltung - zum Beispiel der Holding in Luxemburg - voller Unregelmäßigkeiten und Fehler ist! Auch hier hat das oberste Aufsichtsorgan – die portugiesische Zentralbank - komplett versagt.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Kürzlich kam ein Skandal der Banco Espírito Santo Angola (BESA) ans Licht, an der die Espírito Santo Gruppe mit 60 % beteiligt ist…
Camilo Lourenço: Ja, es sollen circa 5,7 Milliarden Dollar verschwunden sein. Unglaublich! Allerdings hat der Ex-Vorstand Ricardo Salgado betont, der angolanische Staat habe eine Bürgschaft hinterlegt, die 70 Prozent der fehlenden Summe abdecken würde. Die Lage ist unübersichtlich. Daraus könnte sich für die Espírito-Santo-Gruppe noch ein großes Problem ergeben.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wird der portugiesische Staat die Bank mit Steuergeldern stützen müssen?
Camilo Lourenço: Auszuschließen ist das nicht. Wenn die Bank die Schulden nicht mehr bedienen kann wird sie – wie schon vorher die pleite gegangene Banco BPN – auf die Hilfe des Staates zurückgreifen. Der staatliche Rettungsfonds steht ja noch und verfügt über 6,4 Milliarden Euro. Die portugiesische Regierung hat schon betont, dass die Staatshilfe ausschließlich der Bank und nicht der den anderen Sektoren der Espírito-Santo-Gruppe zur Verfügung steht.
Camilo Lourenço ist einer der angesehensten Wirtschafts-Journalisten und -Kommentatoren Portugals. Regelmäßig bewertet er Finanz- und wirtschaftspolitische Zusammenhänge für Fernsehen, Radio und Printmedien. Er studierte Wirtschaft an den Universitäten Lissabon, Columbia University sowie an der University of Michigan. Er verfasste mehrere Bücher zum Thema Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa.