Politik

Geheimplan: Ex-EU-Kommissar soll griechischer Ministerpräsident werden

Weil es in Griechenland nach den Wahlen am 6. Mai keine stabile Mehrheit geben wird, versucht die EU-Kommission offensichtlich, einen guten alten Bekannten als neuen Ministerpräsidenten zu lancieren. Der Jurist Stavros Dimas war 2004 bis 2010 EU-Kommissar für Umweltfragen. Dimas kandidiert nicht, und soll bei einem unübersichtlichen Wahlergebnis als Kompromiss-Kandidat aus dem Hut gezogen werden.
16.04.2012 22:36
Lesezeit: 2 min

Die Griechenland-Wahlen werden eine weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft nach sich ziehen (hier). Dadurch entsteht die Gefahr, dass die Sparvorgaben aus Brüssel nicht weiter umgesetzt werden (hier). Die Griechen lehnen die Troika-Ideen mit großer Mehrheit ab und wollen daher Parteien wählen, die einen eigenen Weg für Griechenland wollen (hier).

Dieses Szenario sorgt in Brüssel für große Nervosität. Denn eben erst hat EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begonnen, für seine Task-Force ein Büro in Athen zu errichten. Die sich abzeichnenden unklaren Machtverhältnisse haben auch den vermutlichen Wahlverlierer mobilisiert: der neue PASOK-Chef Evangelos Venizelos soll verschiedenen Quellen zufolge gemeinsam mit Brüssel an einem Plan B arbeiten.

Die Umfragen zeigen, dass die sozialistische PASOK nur den zweiten Platz hinter der Nea Dimokratia (ND) einnehmen wird. Daher wollen Barroso und Venizelos gemeinsam den ehemaligen EU-Umweltkommissar Stavros Dimas als Ministerpräsidenten aus dem Hut zaubern, wenn es bei den Koalitionsverhandlungen eng wird. Dimas war Jurist bei einer New Yorker Anwaltskanzlei und arbeitete für die Weltbank. Seit dem Sturz von Georgios Papandreou ist Dimas Außenminister im Kabinett Papademos. Der Chef der Nea Dimokratia, Antonis Samaras, hatte bereits angekündigt, dass er erwarte, dass die Partei mit den meisten Stimmen auch den Ministerpräsidenten stellt.

Mit Dimas könnte Venizelos der Gesichtsverlust erspart bleiben, dass sein schärfster politischer Widersacher Ministerpräsident wird. Vor allem aber würde Dimas die Interessen aller wichtigen Player bedienen: Die EU hätte einen Mann in Athen, der wie Papademos, ohne großes Wenn und Aber den harten Sparkurs weiterführt. PASOK und ND könnten weiter auf Geld aus Brüssel setzen. Dadurch wäre es ihnen möglich, ihre Partikularinteressen weiter zu vertreten. Wie ernst die Parteien das meinen, zeigt der eben gefasste Beschluss, mit dem sich die Parteien fast 30 Millionen Euro an Parteienfinanzierung genehmigt haben.

Die verschiedenen kleinen Parteien hätten in dieser Konstellation erneut das Nachsehen. Das Kalkül von PASOK und ND: Je nach Wahlergebnis soll eine oder zwei kleine Parteien mit üppigen Versprechungen in die Regierung gelockt werden. Damit könnten die Brüsseler Sparpläne weiter umgesetzt werden. Zu bezahlen haben dann jene, die dafür vorgesehen sind: Das griechische Volk und die deutschen Steuerzahler. Dass Dimas nicht direkt kandidiert, passt in das Drehbuch von Brüssel: Man will kein Risiko eingehen. Im Fall einer Niederlage wäre auch Dimas beschädigt. Die Begründung von Dimas, warum er sich nicht einfach der Wahl stellt, lautete: Weil sein Sohn kandidiere, fände er es nicht passend, ebenfalls anzutreten. So sieht die griechische Parteienlogik aus. Dimas will den Wählern offenbar einreden, dass er nur als nicht-gewählter Premier über jeden Verdacht der Vetternwirtschaft erhaben wäre.

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