Politik

IWF will Pleite-Staaten nach internationalem Recht pfänden lassen

Die harte Politik der argentinischen Präsidentin Kirchner gegen die amerikanischen „Geierfonds“ macht sie trotz Wirtschaftskrise im Lande populär. Im Ausland gibt es dagegen Überlegungen, ähnliche Konflikte künftig durch ein internationales Insolvenzrecht zu verhindern. Das soll auch die Zwangsvollstreckung von Staatsbesitz bis hin zur Verpfändung nationalen Territoriums beinhalten.
31.08.2014 00:28
Lesezeit: 2 min

Christina Fernandez de Kirchner will das Urteil des New Yorker Richters Griesa durch eine juristische Finte (mehr hier) umgehen. Das Urteil hatte zu dem technischen Staatsbankrott Argentiniens geführt. Es verbietet Argentinien, Schuldendienst für die nicht-klagenden Gläubiger zu leisten, solange es nicht auch die klagenden Gläubiger zufriedenstellt.

Die klagenden Gläubiger, die „Geierfonds“, die 600% Rendite auf ihre Anleihen eintreiben wollen, kritisierten die geplanten juristischen Tricks der argentinische Präsidentin. Argentiniens Führer hätten den Weg der Gesetzlosen gewählt, heißt es dort. Auch der New Yorker Richter Griesa nannte Kirchners Pläne „illegal“.

Gegenüber der Financial Times zeigten sich zudem Ökonomen darüber besorgt, dass die Pläne Argentiniens das Land weiter von den internationalen Kapitalmärkten isolieren werden. Angesichts der großen wirtschaftlichen Probleme des Landes könnte diese Isolierung des Landes langfristig dramatische Folgen haben.

Die Devisenreserven des Landes sind bereits von ihrem Höchststand 2011 von über 50 Milliarden Dollar auf nun unter 30 Milliarden Dollar geschrumpft. Die Verbraucherpreise sind allein von Dezember bis Juli um über 16% gestiegen. Auch dem argentinischen Peso droht die zweite offizielle Abwertung in diesem Jahr. Die Schwarzmarktkurse liegen bereits bei 14 Peso pro Dollar, während offiziell nur 8,4 Peso bezahlt werden.

Der Kampf gegen die Geierfonds lenkt aber von den wirtschaftlichen Problemen des Landes ab und verschafft Kirchner neue Popularität im Lande.

In der nördlichen Hemisphäre hat dagegen das Vorgehen Kirchners eine andere Debatte in Gang gesetzt: Sollten Staaten einfach so ihre Zahlungsunfähigkeit erklären können oder sollte es dafür nicht internationale Regeln geben? Das Ziel dieser Debatte ist ein internationaler Gerichtshof, der darüber entscheidet, wann ein Staat seine Zahlungen einstellen darf und welche Rechte die Gläubiger in einem solchen Falle haben. Ein solcher Gerichtshof, so die Idee, könnte dann auch Staaten verpflichten, Vermögenswerte, etwa seine Immobilien, an die Gläubiger abzutreten.

So bedeutet es ja im aktuellen Streit für die „Geierfonds“ ein Problem, dass sie keine Möglichkeit haben, argentinische Vermögenswerte zu pfänden. In Argentinien selbst erhalten sie dafür keine Rechtstitel, aber auch im Ausland nicht, denn das Vermögen eines Staates im Ausland ist gemäß dem Völkerrecht weitgehend immun.

So ist der Versuch der amerikanischen Hedgefondsgruppe Elliott Associates im Jahr 2012, ein in Ghana liegendes argentinisches Segelschulschiff zu pfänden, letztlich gescheitert. Ein Richter in dem westafrikanischen Staat ordnete zwar zunächst die Beschlagnahme des Dreimasters an, vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg wurde Ghana aber verpflichtet, das Schiff der argentinischen Kriegsmarine wieder frei zu geben.

Die Überlegungen zu einem internationalen Insolvenzrecht für Staaten mit internationaler Zwangsvollstreckung sind allerdings nicht neu. Im Gegenteil sind sie innerhalb des in Washington sitzenden Internationalen Währungsfonds schon weit gediehen. Die Stellvertretende Generaldirektorin des IWFs, Anne Krueger, entwickelte bereits 2002 (nach der ersten Staatspleite Argentiniens) einen Vorschlag, „um Gläubiger und Schuldner zusammenzubringen, bevor kontrollierbare Probleme zu ausgewachsenen Krisen werden“. Vorbild für Krueger und ihre IWF-Truppe war allerdings das amerikanische Privatinsolvenzrecht („chapter 11“). Die Ideen wurden in der einflussreichen amerikanischen Fachzeitschrift „Foreign Affairs“ veröffentlicht.

Der argentinische Fernsehmoderator Adrian Salbuchi (der auch für Russia Today schreibt) ist sich inzwischen sicher: Die internationale Finanzwelt habe es auf argentinisches Territorium abgesehen, vor allem auf das dünn besiedelte Patagonien im Süden. Ziel sei „eine neue globale Rechtsarchitektur, die die reguläre Liquidierung bankrotter Staaten wie Argentinien erlaubt. Insbesondere, wenn Staatsterritorium als Sicherheit für solche Schulden dienen würden.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen DAX aktuell auf Höhenflug trotz drohender US-Handelszölle
07.07.2025

Der DAX überrascht mit einem starken Anstieg über 24.000 Punkte – und das trotz drohender US-Zölle. Wie reagieren Investoren auf die...

DWN
Politik
Politik Tesla-Aktie: Riskiert Musk mit seinen Parteiplänen die Zukunft des Elektro-Autobauers?
07.07.2025

Elon Musk will angeblich eine eigene Partei gründen – doch Experten warnen: Sollte er seine politischen Machtspielchen ernst meinen,...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Hält die Rallye noch ein paar Wochen?
07.07.2025

Die Wall Street feiert Rekorde, doch Experten warnen: Die Rallye steht auf wackeligen Beinen. Wie lange die Märkte noch steigen und warum...

DWN
Panorama
Panorama Regierung ohne Klarheit über Zahl der Zivilschutz-Helfer
07.07.2025

Bei Katastrophenlagen sind Zivilschutz-Helfer unersetzlich. Doch wie viele tatsächlich einsatzbereit wären, bleibt unklar. Die...

DWN
Politik
Politik Trump über Musk-Partei: "lächerlich"
07.07.2025

Elon Musk plant eine eigene Partei – und sorgt damit für politische Sprengkraft in den USA. Ex-Präsident Trump hält wenig von der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rüstungsindustrie-Verband meldet massiven Mitgliederzuwachs
07.07.2025

Die deutsche Rüstungsindustrie erlebt einen beispiellosen Zulauf – insbesondere bei einem zentralen Verband. Doch hinter dem rasanten...

DWN
Finanzen
Finanzen Höchster Zuwachs fauler Bankkredite in Deutschland
07.07.2025

Deutschlands Banken sehen sich mit einem alarmierenden Anstieg fauler Bankkredite konfrontiert – deutlich stärker als ihre europäischen...

DWN
Panorama
Panorama Digitales B2B-Marketing: Teuer, ineffizient – und oft falsch gemacht
07.07.2025

Viele B2B-Unternehmen verbrennen im Digitalmarketing stillschweigend tausende Euro – mit Copy-Paste-Inhalten, die niemand sehen will....