Politik

Obama fürchtet Putin: Die Russen beherrschen den modernen Krieg perfekt

Lesezeit: 2 min
30.08.2014 00:29
Westliche Geheimdienst-Kreise sind besorgt. Russland ist in der modernen Kriegsführung erfolgreicher als der Westen. Dieser Krieg beruht auf Desinformation, Täuschung und auf dem Einsatz von geheimen Armeen. Der britische Finanz-Club Chatham House fordert eine „neue Form der Abschreckung“ gegen Russland. Doch auch das ist ein traditioneller Reflex, der in einem asymmetrischen Krieg nicht mehr funktioniert.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Russland setzt auf unkonventionelle Strategien bei der Auseinandersetzung mit dem Westen. Die Nato hingegen tut sich schwer, diesen Strategien etwas entgegen zu halten. Die Strategien des transatlantischen Bündnisses beruhen auf der konventionellen Kriegsführung. Das klägliche Scheitern von Obama in Syrien und der entsprechende Triumph Putins sind für viele Beobachter ein Beweis für eine taktische Unterlegenheit des Westens. Die Kehrtwende Obamas in Richtung Assad wirkt hilflos. Und auch verbal ist der Präsident nicht gerade überzeugend. Am Freitag sagte Obama, die USA haben noch keinen Plan für das weitere Vorgehen gegen die IS-Terroristen. Im Kreml dürfte man sich über dieses Eingeständnis die Hände gerieben haben.

Putin führt derzeit einen fast perfekten Hybrid-Krieg. Diese Art des Krieges setzt sich aus einer Kombination von konventioneller und verdeckter Kriegsführung, Cyber-Angriffen, energiepolitischem und wirtschaftlichem Druck sowie Desinformation zusammen. Russland beherrscht den Hybrid-Krieg besser als die Nato. Die USA und ihre Partner befürchten, dass Moskau diese Strategie auch in Europa massiv einsetzen könnte. Besondere Sorge bereitet der Nato das Baltikum und Osteuropa.

Im März verhängte Russland einen Einfuhrstopp für alle litauischen Lebensmittel, die über den Hafen von Klaipeda verschifft werden. Die Russen haben in den vergangenen Monaten den sozialen und politischen Druck auf Estland, Lettland und Litauen massiv hochgeschraubt. „Sie schaffen psychologische Enklaven im Baltikum“, zitiert die FT den Direktor des Royal United Services Institute in London, Jonathan Eyal. Hinzu kommt, dass etwa 25 Prozent der Bürger Estlands ethnische Russen sind. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Moskau sie wie die russische Bevölkerung auf der Krim aktivieren könnte.

In Bulgarien profitiert Russland von der Korruption. Hochrangige Staatsbeamte sind relativ leicht gefügig zu machen. Nach Angaben der EU-Kommission ist die bulgarische Regierung, die korrupteste Regierung in Europa. Der russische Energie-Riese Gazprom hat den Bulgaren kürzlich ein Energie-Gesetz regelrecht diktiert. Das Gesetz dient dem Bau der South Stream Erdgas-Pipeline. Im Juni wurde das Bauvorhaben von der EU ausgebremst. Doch Bulgarien möchte an dem Erdgasprojekt festhalten. Gazprom hat einen großen Einfluss in Sofia.

Der ehemalige Beamte des britischen Militärgeheimdiensts, Chris Donnelly, sagte der FT:

„Geld ist entscheidend. Sie kaufen Politiker und geben ihnen Berater-Posten. Sie kaufen Unternehmen und bieten Bänkern Arbeitsplätze in Moskau an. Russland nutzt das organisierte Verbrechen als ein Werkzeug, um seine Ziele zu erreichen.“

Im Zuge des Hybrid-Kriegs habe Russland zahlreiche EU-Institutionen schon längst durchdrungen. Dieser Form des Kriegs liegt ein klares Konzept zugrunde.

Der Generalstabschef der russischen Streitkräfte, Waleri Gerassimow, hat im Februar im russischen Militärjournal VPK einen Artikel veröffentlicht. Demnach seien weitgehende „politische, ökonomische, informationelle, humanitäre und weitere nicht-militärische Maßnahmen“ als „Konflikt-Methoden“ zu nutzen. All diese Methoden seien durch die Aktivierung der „lokalen Bevölkerung“ unter Einsatz „verdeckter Streitkräfte“ anzuwenden. In diesem Zusammenhang zitierte Gerassimow den sowjetischen Militär-Historiker Georgii Isserson. Isserson sagt, dass die Mobilisierung nicht nach Ausbruch eines Kriegs stattfindet. Sie verlaufe „unbemerkt“ vor Ausbruch eines Kriegs. So ist offenbar auch die Annektierung der Halbinsel Krim verlaufen.

Westliche Geheimdienst-Kreise sind überzeugt davon, dass Russland schon lange vor Ausbruch der Ukraine-Krise alle Maßnahmen getroffen hatte. Ab 2010 wurden zahlreiche Computer-Systeme ukrainischer Behörden mit dem Snake-Virus infiziert. Dieser Virus verschaffte Moskau einen ungehinderten Zugang zu Geheiminformationen der Kiewer Regierung. Seit 2008 spielt Russland auch die Erdgas-Karte gegen die Ukraine aus.

Die meisten der Methoden des Hybrid-Kriegs sind nicht neu. „Die Hälfte der weltweiten Kriegsgeschichte beruht auf derartigen Methoden“, sagt Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington D.C.

Doch Cordesman und anderen westlichen Geheimdienst-Analysten fällt auf, dass Russland erfolgreicher als der Westen agiert. Moskau betreibe eine massive „Desinformations-Kampagne“ im In- und Ausland. Die staatliche Kontrolle der russischen Medien habe seit Beginn der Ukraine-Krise einen Höhepunkt erreicht. Der Westen tut sich in dieser Hinsicht viel schwerer: Offenkundig schwache Beweise wie die von der Nato vorgelegten Satellitenbilder von einem angeblichen russischen Einmarsch in der Ukraine können von der freien Presse entlarvt werden.

Für den Chef der britischen Denkfabrik Chatham House, Robin Niblett, bietet sich ein klares Bild. Es gebe nur ein Mittel gegen Russland. „Wir brauchen eine neue Form der Abschreckung“, sagt er.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifstreit: Harte Verhandlungen bei Bund und Kommunen kündigen sich an - Beamte wollen mehr Geld
10.10.2024

Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen steuern auf harte Tarifverhandlungen zu. Die...

DWN
Politik
Politik Brandmauer in Sachsen bröckelt: CDU-Mitglieder fordern Gespräche mit der AfD
10.10.2024

Sächsische CDU-Politiker fordern einen Monat nach der Landtagswahl in einem offenen Brief: Die Brandmauer muss weg. Darunter ein...

DWN
Politik
Politik Die Rezession ist da: Bankrotterklärung Deutschlands?
09.10.2024

Schlechter als erhofft: Die Bundesregierung erwartet für 2024 eine Abnahme der Wirtschaftsleistung. Wie sollen wir da wieder herauskommen?

DWN
Panorama
Panorama Häufigste Ängste der Deutschen: höhere Preise und Migration
09.10.2024

Manche Menschen fürchten um ihren Job, andere machen sich Sorgen wegen steigender Kriminalität oder wachsenden islamistischen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt: Fast jeder Zweite nur noch befristet angestellt. Sind Jobs auf Lebenszeit ein Auslaufmodell?
09.10.2024

Immer kürzer, immer schneller: Befristete Arbeitsverträge sind auch nach der Corona-Pandemie traurige Realität bei deutschen...

DWN
Panorama
Panorama Fußballchef bei Red Bull: Jürgen Klopp als Konzernstratege - kann er das?
09.10.2024

Es gibt verschiedene Management-Typen. Strategen, die von langer Hand planen und sich weder aus der Ruhe bringen noch in die Karten schauen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft US-Wahl: Trump fordert Importzölle - Kanada und Mexiko wären stark betroffen
09.10.2024

Die von Donald Trump geforderten Importzölle der USA könnten Kanada und Mexiko besonders stark treffen. Ihre weltweiten Exporte würden...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Selenskyj-Treffen wegen Bidens Absage in der Schwebe - ändert sich die Ukraine-Strategie?
09.10.2024

Der Hurrikan "Milton" in den USA und die Verschiebung des Deutschlandbesuchs von US-Präsident Joe Biden wirbeln die westlichen...