Finanzen

China öffnet seine Festland-Assets für Ausländer

Lesezeit: 4 min
01.10.2014 00:16
Die Unruhen in Hongkong kommen für Chinas Regierung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Das Land will endlich ein wichtiger Player an den globalen Finanzmärkten werden. Hongkong spielt dabei die entscheidende Rolle. Denn Anfang Oktober werden sich die Finanzplätze in Hongkong und Shanghai miteinander verlinken. Dann haben auch Ausländer Zugang zu Assets vom chinesischen Festland.

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Bislang können Ausländer nur Assets in Hongkong (H-Aktien) kaufen. Mit der Verlinkung erhalten die Anleger dann auch Zugang zu Aktien und Anleihen in Shanghai, also faktisch zum chinesischen Festland. Die Folge wird sein, dass westliches Kapital nach China strömt – auf der Suche nach Renditen, die es im Westen aufgrund der Nullzinspolitik eben nicht mehr gibt. Mittelfristig bedeutet das, dass etwa ein amerikanischer Hedgefond verbriefte Kredite von chinesischen Lokalregierungen kauft - und nicht nur Aktien erwirbt, die in Shanghai gehandelt werden.

Das bedeutet konkret: China wird seine gigantische Verschuldung in den Westen exportieren.

Wir stehen faktisch also vor einer neuen, gigantischen Welle neuer Derivate und Produkte, die Kredite bündeln – nur dass diesmal nicht die USA der Verkäufer sind, sondern China. Faktisch geht damit dann China den Weg, den die USA als Exportweltmeister von Schulden gegangen sind. Und die Wall-Street-Elite steht schon parat: wer hätte mehr Expertise beim Schnüren von komplexen Schuldpapieren? Der von Nullrenditen geplagte Westen aber wird beherzt zugreifen – und so denselben Fehler wie vor der Finanzkrise noch einmal machen.

Das Angebot an Schulden in China ist gigantisch. Der Westen blickt meist nur auf die Staatsverschuldung (die gleichwohl bei weit über 20 Prozent des BIP liegt) und verweist auf die sehr hohen Devisenreserven des Landes. Schön. Das eigentliche Problem aber sind die hoch verschuldeten Provinzen, vor allem aber die Unternehmen Chinas, die in Relation zum BIP des Landes die mit Abstand höchste Verschuldung der Welt aufweisen (ca. 150 Prozent zum BIP). Um hier einen Dominoeffekt zu vermeiden, fängt die Regierung in den letzten Monaten immer wieder Unternehmen auf, die ihre Anleihe-Schulden nicht mehr bedienen können – entgegen ihrer ursprünglichen Absicht, nicht überlebensfähige Unternehmen pleitegehen zu lassen. Aber die Angst ist zu groß, dass dann ein Dominoeffekt entstünde, der die Märkte in Panik versetzt.

Hinzu kommt der Abschwung am chinesischen Immobilienmarkt. Seit Juni fallen die Preise, seit August (-1,1 Prozent) beschleunigt sich die Talfahrt. Um den Abwärtstrend zu stoppen, haben fast alle Städte Chinas die Beschränkungen zum Immobilienkauf wieder aufgehoben (mit Ausnahme der sogenannten „Tier1-Städte“ Peking, Shanghai, Guangzhou und Shenzhen). In einem Statement ermunterte Chinas Notenbank (People´s Bank of China) heute die Banken des Landes, die Verdienst-Schwelle für die Genehmigung von Hypothekenkrediten zu senken – und stellte Chinesen einmal mehr in Aussicht, die Zinsbelastung für Immobilienkredite um bis zu 30 Prozent zu senken.

Der Immobilienmarkt aber ist die Achillesferse des Landes. An ihm hängt nicht nur der völlig überdimensionierte Immobiliensektor, sondern auch die verschuldeten Provinzen. In China müssen Immobilienentwickler den Lokalregierungen schon vorab die Verkaufspreise der zu errichtenden Immobilien angeben – und die Provinzen kalkulieren dann die zu erwartenden Steuererlöse in ihre Budgets ein. Nun haben aber die Immobilienentwickler aufgrund des Überangebots die Verkaufspreise teils drastisch gesenkt – die Lokalregierungen versuchten dies zu verhindern, mussten aber auf Anweisung Pekings ihren Widerstand zähneknirschend aufgeben. Das reißt Löcher in die Budgets, zumal die auch Verkäufe von Baugrundstücken eine zentrale Einnahmequelle der Lokalregierungen sind. Fallen die Immobilienpreise und sinkt die zugleich Nachfrage nach Neubauten und Baugrundstücken, werden die Löcher in den Bilanzen immer größer.

Um den Preisverfall zu stoppen, haben erste Immobilienentwickler begonnen, potentiellen Käufern Preisgarantien zu geben: wer heute eine Immobilie kauft, bekommt die Garantie, sie zu 140 Prozent des Kaufpreises wieder an den Immobilienentwickler zurück verkaufen zu können. Zur Finanzierung der Garantie wurden Fonds aufgelegt – eben für den Fall, dass die Käufer von der Garantie auch wirklich Gebrauch machen. Das ist ein Schneeballsystem, das selbst die in dieser Hinsicht nicht zimperlichen Amerikaner vor Neid erblassen lassen dürfte: fallen die Immobilienpreise etwa um 10 Prozent weiter, entsteht so eine dramatische Unterdeckung von 50 Prozent, die die Immobilienentwickler den Käufern erstatten müssen – die Fond-Investoren wären in diesem Fall übervorteilt.

Also was tun? Es braucht, das ist der Pekinger Regierung seit längerer Zeit klar, eine Alternative. Und diese Alternative ist der Aktienmarkt – oder eben der Export der chinesischen Schulden nach amerikanischem Vorbild. Über den „Hub“ Hongkong soll das westliche Kapital einströmen, um auf dem Festland Aktien, aber auch strukturierte Schuldpapiere zu kaufen – etwa die Schulden der Provinzregierungen, die den Investoren eine staatliche Rendite abwerfen dürfte.

Im Fokus aber steht zunächst der Aktienmarkt. Seit Anfang August läuft in China eine breit gestreute Medienkampagne: ob Fernsehen, Print oder Online - auf allen Kanälen wird den Chinesen eingebläut, dass Aktien derzeit das beste Invest sind. Das Motto der Kampagne: China braucht einen starken, gesunden Aktienmarkt!

In dieser Situation hat die Regierung ein starkes Interesse, dass die Aktienmärkte sich weiter gut entwickeln. Die Message an die Chinesen ist daher: seid schon drin im Markt, bevor die Ausländer kommen und die Preise nach oben gehen. Es ist also eine Art Wohlfahrtsprogramm für die vom Wirtschaftsabschwung verunsicherten Chinesen. Es ist das Versprechen auf das schnelle Geld, das von den Ausländern ab Oktober geliefert werden soll.

Daher kommen nun die Ereignisse aus Hongkong zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt für Chinas Regierung: Geschlossene Banken, eine lahm gelegte Stadt – nicht gerade der perfekte Startschuss für die Verlinkung der Finanzplätze Hongkong und Shanghai. Die Regierung ist eher besorgt über den Eindruck der Bilder auf westliche Investoren, als über die mögliche Signalwirkung der Demokratiebewegung für die Festlands-Chinesen: dort hält man die Hongkonger für verweichlicht und maßlos, der Protest wird in weiten Teilen der Öffentlichkeit (sofern sie überhaupt von ihm erfährt) nicht unterstützt.

Die Gefahr für Chinas Regierung ist, dass ihr ökonomischer Masterplan in sich zusammen fallen könnte. Vermutlich werden die Herrschenden daher einen Kompromiss mit den Demonstranten schließen, um das wichtigere, größere Ziel nicht zu gefährden.

Gelingt es Chinas Regierung, das Hongkong-Problem zu lösen, stehen die globalen Finanzmärkte vor der nächsten gigantischen Derivate-Bombe, wird die Party an den Aktienmärkten zu Exzessen führen, gegenüber denen die Blase am amerikanischen Aktienmarkt ein Kinderspiel war. Das große globale Casino der Finanzmärkte hat dann einen neuen, gigantisch großen Player. Und daran hat vor allem die westliche Finanzindustrie ein großes Interesse.

Es ist daher wohl kein Zufall, dass von Seiten westlicher Regierungschefs bisher wenig verlautet worden ist über die Hongkonger Demokratiebewegung. Damals, auf dem Maidan, hagelte es schließlich schon wenigen Stunden nach den Ereignissen in Kiew Solidaritätsbezeugungen des Westens. Sehr wahrscheinlich, dass die Demokratiebewegung in Hongkong durch die Politiker des Westens deutlich weniger Unterstützung erfahren wird.

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