Politik

EU treibt Aufnahme von Albanien voran

Lesezeit: 5 min
18.04.2018 00:53
Die EU will Albanien als neuen Mitgliedsstaat aufnehmen. Entsprechende Beitritts-Verhandlungen sollen in Kürze beginnen.
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Die EU-Kommission sprach sich am Dienstag für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien aus. Bei der Veröffentlichung ihrer Bewertung von Beitrittskandidaten stellte sie gleichzeitig der Türkei ein miserables Zeugnis aus.

"Beide Länder haben viel in den letzten Monaten getan", sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn in Straßburg mit Blick auf Reformen Albaniens und Mazedoniens. "Und das sollte anerkannt werden."

Von den sechs Westbalkan-Staaten gibt es bisher nur Beitrittsverhandlungen mit Serbien und Montenegro. Die Kommission sieht diese bisher als Favoriten für einen Beitritt bis zum Jahr 2025. Voraussetzung dafür ist jedoch auch, dass die Länder bis dahin alle ihre Grenzkonflikte aus der Zeit des ehemaligen Jugoslawiens lösen.

Albanien und Mazedonien sind bisher nur Kandidaten ohne Verhandlungen. Bei Albanien sieht Brüssel noch Defizite im Justizsystem. Korruption bleibe zudem "ein ernsthaftes Problem". Bei Mazedonien muss vor Beitrittsverhandlungen auch erst noch der Namensstreit mit Griechenland gelöst werden. Athen fürchtet wegen seiner Region Mazedonien Gebietsansprüche des nördlichen Nachbarn. Unter UN-Vermittlung wird hier intensiv nach einer Lösung gesucht.

Nun liege es an den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, ob sie der Empfehlung zu Albanien und Mazedonien folgen wollten, sagte Hahn. Er räumte ein, dass es Widerstände gebe. Auch in seiner Heimat Österreich sei die Mehrheit der Bevölkerung gegen neue Erweiterungen. Und Beschlüsse zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen müssen einstimmig fallen.

Hahn betonte aber auch, bei der Erweiterung gehe es nicht darum, "unseren Partnern einen Gefallen zu erweisen". Die Stabilisierung und Zusammenarbeit mit den Westbalkan-Staaten liege auch "im ureigenen Interesse" der EU.

Albanien bereitet sich bereits seit dem Jahr 2014 auf einen EU-Beitritt vor. Die am Dienstag beginnenden Beitrittsverhandlungen mit der EU-Kommission sind für das Land die ersten Gespräche zu diesem Thema überhaupt. Bis zum Jahr 2025 könnte das Land gemeinsam mit den Westbalkan-Staaten Mazedonien, Serbien und Montenegro in die Union aufgenommen werden, so der EU-Plan.

Voraussetzung für einen Beitritt ist jedoch, dass Albanien gegen die organisierte Kriminalität vorgeht. Nach dem EU-Vertrag kann eine Aufnahme in die EU nur dann erfolgen, wenn im Beitrittsstaat die Umsetzung und Akzeptanz europäischer Werte sichergestellt wird, insbesondere Rechtsstaatlichkeitsprinzipien und die Anerkennung von Menschenrechten müssen gewährleistet sein.

Auf Bestreben von Ministerpräsident Edi Rama wurde im August 2016 eine entsprechende Reform der Justizbehörden im Land umgesetzt. Der Beitritt zur EU ist ein Kernpunkt Ramas Regierungspolitik. Unmittelbar nach den Parlamentswahlen im Jahr 2013 setzte Ramas sozialistische Regierungspartei hierzu weitreichende Verfassungsänderungen und eine Neuordnung von Gerichten und Staatsanwaltschaften. Bis dahin war Korruption im Justizapparat weit verbreitet. Unter anderem war es laut einer Untersuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung üblich, Ämter nicht nach Eignung, sondern nach Beziehungen und nach Höhe gezahlter Bestechungsgelder zu besetzen.

Nach einem Europol-Bericht zählte Albanien im vergangenen Jahr innerhalb Osteuropas zu den Ländern mit der höchsten Kriminalität: Unter anderem hat sich die italienische Mafia in dem Land angesiedelt und nutzt die geografische Lage des Landes als Hauptumschlagsplatz für Drogenverkäufe nach Westeuropa. Albanien ist mittlerweile der Hauptkorridor für Drogen wie Cannabis, Heroin und Kokain aus Südamerika und dem Nahen Osten. Im vergangenen Jahr wurden geschätzte Umsätze von rund 24 Milliarden Euro erzielt.

Im internationalen Vergleich belegte das Land auf dem Index der Korruptionswahrnehmung gemeinsam mit Bosnien und Herzegowina Platz 91 von 180, Kosovo lag auf Platz 85.

Albanien gehört zu den ärmsten Ländern Europas. Das Bruttoinlandprodukt betrug im Jahr 2016 nach Angaben des Finanzministeriums rund 10,5 Milliarden Euro. Ungefähr sieben Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze und haben damit weniger als 2 Euro täglich zum Leben. Das monatliche Bruttodurchschnittseinkommen liegt bei 315 Euro. Die Arbeitslosenquote lag im vergangenen Jahr bei 15 Prozent.  Dagegen floriert die Schattenwirtschaft. Sie macht laut Europol ungefähr 36 Prozent des BIP aus. Wichtigste Wirtschaftssektoren sind der Tourismus und die Landwirtschaft. Sie generieren jeweils 26 Prozent beziehungsweise 22 Prozent der Wirtschaftskraft.

Im Februar dieses Jahres gab EU-Erweiterungsminister Johannes Hahn jedoch bekannt, dass sich Albanien durch die Umsetzung seiner Justizreform als EU-Beitrittsland qualifiziert hat. Insbesondere habe Albanien entscheidende Schritte im Kampf gegen die organisierte Kriminalität im Land unternommen.

Finanziert wurde die umgesetzte Justizreform mit EU-Geldern. Seit 2014 erhält Albanien europäische Heranführungshilfen aus Brüssel für die Umsetzung nationaler Entwicklungsstrategien, durch die im Land die für einen Beitritt erforderliche Rechtsstaatlichkeit schaffen soll. Bis 2020 stellt die EU hierfür rund 649,5 Millionen bereit.

Daneben erhielt das Land für den Aufbau von Institutionen im Bereich Justiz, Handel und Landwirtschaft im Zeitraum 2011 bis 2013 rund 288,8 Millionen Euro. Ziel der Gelder ist es, insbesondere staatliche Investitionen und die öffentliche Auftragsvergabe im Justizbereich zu fördern und so eine schrittweise Angleichung an die EU-Politik zu erreichen. Seit Januar vergangenen Jahres unterzieht die Kommission Albanien einer Leistungskontrolle hinsichtlich der umgesetzten Entwicklungsmaßnahmen.

Die Heranführungshilfen (Instrument for Pre-Accesion) werden seit 2007 an Staaten mit einer Beitrittsperspektive gezahlt. Die Höhe der Zahlungen richtet sich nach dem jeweiligen EU-Entwicklungsstand im Empfängerland. Seit 2007 wurden finanzielle Hilfen an Island, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien, die Türkei, Albanien, Bosnien und Herzegowina sowie an den Kosovo entrichtet.

Neben Albanien bewirbt sich auch der Kosovo um einen EU-Beitritt. Anders als Albanien hat das Land jedoch keinen gefestigten Bewerberstatus. Voraussetzung für eine Aufnahme in die EU ist die rechtliche Anerkennung des Staates und eine Aussöhnung mit dem Mutterstaat Serbien.

Im Jahr 2008 hatte sich der Kosovo nach einem Volksreferendum von Serbien, dessen Teilrepublik er seit 2003 war, abgespalten und die Gründung einer unabhängigen Republik Kosovo erklärt. Bislang wird die völkerrechtliche Unabhängigkeit des Balkanlandes von lediglich von 112 der 193 UN-Mitgliedsstaaten anerkannt. Die serbische Regierung betrachtet den Kosovo weiterhin als Teilrepublik ihres Landes und ist der Ansicht, dass die Unabhängigkeitserklärung gegen das UN-Völkerrecht verstoße. Nach Resolution 1244/99 des UN-Völkerrechts ist die Republik Serbien Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien. Auf dessen Gebiet liegt auch die Balkanhalbinsel Kosovo. Im Jahr 2010 urteilte der Internationale Gerichtshof in einem nicht bindenden Gutachten, dass die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo kein Verstoß gegen die Resolution 1244/99 ist. Über eine rechtliche Einstufung des Kosovo äußerste sich das Gericht nicht.

Seit 2009 ist der Kosovo Mitglied im Internationalen Währungsfonds und der Weltbankgruppe. Seit 2012 ist es Mitglied der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

Im Hinblick auf einem möglichen EU-Beitritt hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Staaten zu Aussöhnung aufgerufen. Wie Euraktiv berichtet, lehnen serbische Politiker eine solche offizielle Anerkennung jedoch ab. Außenminister Ivica Dačić warf Brüssel Heuchelei vor. So erwarte Brüssel, dass Serbien für die Zukunft der EU historischen Selbstmord begehe, während es innerhalb der EU keine einheitliche Haltung in der Kosovo-Frage gebe.

Bislang haben fünf EU-Mitgliedsstaaten den Kosovo nicht anerkannt. Zu ihnen zählen Spanien, die Slowakei, Zypern, Rumänien und Griechenland.

Jüngst hatte das spanische Außenministerium in einem informellen Papier zur Nichtanerkennung des Kosovo durch Serbien gemahnt, dass eine EU-Erweiterung kein Instrument zur Konfliktprävention sei. Vielmehr müsse die Kommission eine klare Unterscheidung zwischen dem Erweiterungsprozess und einer umfassenden politischen Strategie für die Region treffen.

Die künftige Politik der EU-Kommission für den Westbalkan lässt Serbien die Aussicht auf einen EU-Beitritt bis 2025, wenn das Land zunächst die Beziehungen zum Kosovo normalisiert.

Ähnlich Albanien erhält der Kosovo bis 2020 rund 645,5 Millionen Euro Heranführungshilfen aus Brüssel. Voraussetzung hierfür war aufgrund seines unklaren Rechtsstatus ein mit der EU-Kommission in 2014 geschlossenes Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen. Hauptverwendungszwecke der Heranführungshilfen sind neben der Korruptionsbekämpfung die Entwicklung einer politischen Strategie im Serbienkonflikt.

Beitrittskandidat Serbien erhält bis 2020 Heranführungshilfen in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro. Rund 543 Millionen erhält das Land allein für den Aufbau eines unabhängigen Rechtssystems und die Entwicklung politischer Anbahnungsstrategien mit Kosovo.

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