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Asylbewerber in Deutschland: Von einem Ansturm kann keine Rede sein

Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland steigt zwar, liegt jedoch noch weit von den einstigen Höchstwerten aus den neunziger Jahren zurück. Von einer Flut kann auch bei den aktuellen Zahlen keine Rede sein. Ein Problem haben die Asylämter, die offenbar für die Entwicklung nicht ausreichend ausgestattet wurden. Würden die Steuergelder in Deutschland effizienter eingesetzt, dürfte es für das reiche Land eigentlich kein Problem sein, die Asylberechtigten angemessen zu versorgen und in der Folge auch zu integrieren.
28.10.2014 01:03
Lesezeit: 2 min

In Deutschland gab es bis Ende September 136.000 Asylanträge. Diese Zahl wird in der Öffentlichkeit mitunter als besonders dramatisch beschrieben. Doch tatsächlich ist die Zahl weit von den Spitzen entfernt, die in den neunziger Jahren zu verzeichnen waren - damals vor allem als Folge des Zerfalls von Jugoslawien.

Rechnet man die bisherigen Zahlen hoch, so sind im Extrem-Fall über 180.000 Asylanträge erwarten. Und das ist einerseits deutlich mehr als zum Tiefstpunkt 2008, damals waren es nur 28.000 - andererseits aber signifikant weniger als Anfang der 90er Jahre. In den Jahre 1990 und 1991 lagen die Zahlen über den Werten von 2014, im Rekordjahr 1992 wurden gar 438.000 Asylanträge gestellt. Danach wurde als Konsequenz das Asylrecht drastisch verschärft.

Vor allem durch den Bürgerkrieg in Syrien haben die Fallzahlen ab dem Juli zugenommen. So gab es im September über 19.000 Asylanträge.

Wie steht Deutschland im europäischen und internationalen Vergleich da? Eine Auswertung der Daten kann man bereits für das erste Halbjahr 2014 machen.

Von den 239.000 neuen Asylbewerbern in der EU von Januar bis Juni entfielen 75.000 auf Deutschland, das sind 31%. Deutschland steht damit auf Platz 1 in der EU vor Schweden, Frankreich und Italien. In Frankreich stellten nur 31.000 Personen einen Asylantrag, in Italien waren es lediglich 25.000 Menschen. Auch im Vergleich zu den Vereinigten Staaten, die eine viermal so große Bevölkerung haben, nimmt Deutschland sehr viele Asylbewerber auf. Im ersten Halbjahr 2014 gab es in den USA lediglich 31.000 Asylanträge.

Woher kommen die Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl suchen? Betrachten wir die Erstanträge, so stellte im Zeitraum Januar bis September das bürgerkriegsgeplagte Syrien die größte Herkunftsgruppe. Es gab 23.600 Erstanträge von Syrern und damit dreimal so viel wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Nehmen wir allerdings alle Republiken Ex-Jugoslawiens zusammen, so ergeben sich fast so viele Asylbewerber wie aus Syrien. Den höchsten prozentualen Zuwachs gab es wiederum bei Asylanträgen von Albanern. Mit 5.500 haben sie sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzehnfacht. Mehr als eine Verdoppelung kann man auch bei Asylanträgen aus Bosnien registrieren.

Immerhin gibt es auch eine wichtige Gruppe, aus denen die Zahl der Asylanträge stark gesunken ist. Nur noch 3.400 russische Staatsbürger suchten 2014 (Januar bis September) Asyl in Deutschland. Das ist nur noch etwa ein Viertel der Zahl von 2013.

Den aktuell gestiegenen Zahlen nicht gewachsen sind die Asylämter. Sie haben dieses Jahr bisher lediglich rund 87.000 Asylentscheidungen gefällt. Das heißt also bei 136.000 neuen Asylanträgen, dass die Halde unerledigter Anträge seit Anfang des Jahres um 59.000 gestiegen ist. Allein im September stieg der Berg der noch zu entscheidender Anträge um 10.400.

Nur die wenigsten Asylbewerber werden als politisch Verfolgte anerkannt. Dieses Jahr waren es bisher nur knapp 1.500, was einer Quote von 1,7% entspricht. Immerhin weitere 24.000 bekamen den Status als Flüchtlinge oder als aus anderem Grund Schutzbedürftige und dürfen somit auch offiziell in Deutschland bleiben. Die „Gesamtschutzquote“ beträgt demnach 29,5%.

Insbesondere von den Asylbewerbern aus Serbien, Mazedonien und Bosnien bekommt kaum einer einen Aufenthaltstitel. Die Quoten liegen unter 0,4%. Auch bei den Albanern sind es nur 2,3%.

Tatsächlich könnte Deutschland diese Zahlen bei einem zielgerichteten Einsatz der Steuereinnahmen relativ leicht verkraften. Die Millionen, die für gescheiterte Großprojekte wie den Berliner Großflughafen, die Hamburger Elbphilharmonie oder Stuttgart21 verschwendet wurden, könnte man auch für Asylanten sorgen. Statt Milliarden in unsichere Staaten wie die Ukraine, nach Ägypten oder zu korrupten Behörden wie die Palästinenser-Verwaltung zu pumpen, könnte Deutschland den Asylbewerbern ein menschenwürdiges Leben bieten. Mit einer gezielten Einwanderungspolitik und aktiven Integrationsmaßnahmen könnte Deutschland auch der Überalterung entgegenwirken.

Tatsächlich haben sich die politisch Verantwortlichen jedoch von einer Welle der Abneigung gegen Ausländer hinwegschwemmen lassen, in denen die Asylanten als die Schwächsten in der Kette in eine Sündenbock-Rolle gedrängt werden. Die täglichen Horror-Meldungen über den Ansturm der Asylanten sind angesichts der realen Zahlen nicht begründet. Wie der Bildblog verdienstvollerweise aufgeschlüsselt hat, sind die in der Öffentlichkeit kolportierten Darstellungen eine Verzerrung. Auch das Jahr 2014 wird demnach mit einer falschen Zahl als besonderer Ausreißer gekennzeichnet: In einer Grafik der dpa schägt das laufende Jahr demnach mit einer Prognose von "200.000" zu Buche, was bei einer nüchternen Hochrechnung schon mathematisch nicht möglich ist.

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