In der Debatte über den angemessenen Umfang der Geldspritzen der Europäischen Zentralbank hat EZB-Chef Mario Draghi am Donnerstag den EZB-Rat hinter sich gebracht. Er setzte sich mit dem Ziel durch, die Bilanz der Notenbank im Kampf gegen die unerwünscht niedrige Inflation und die hartnäckige Konjunkturflaute in der Euro-Zone um eine Billion Euro aufzublähen. In einer gemeinsamen Erklärung nickte der Rat einstimmig eine entsprechende Formel ab, mit der Draghi im September vorgeprescht war. Demnach soll das Bilanzvolumen das Niveau von Anfang 2012 wieder erreichen. Zugleich werden die dafür nötigen unkonventionellen Maßnahmen der EZB bereits vorsorglich in Stellung gebracht - dazu dürften am Ende womöglich auch Firmen- oder Staatsanleihenkäufe zählen. Draghi betonte, dass die Zustimmung zu der Formel einstimmig erfolgt sei - also auch mit Zustimmung von Bundesbank-Chef Jens Weidmann, der im Vorfeld noch deutlich gegen die neue Geldschwemme aufgetreten war.
Draghi wies Kritik an ihm und Unstimmigkeiten im Rat der Notenbank zurück: "Es ist normal, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann. Das passiert überall." Bei Bedarf müssten weitere geldpolitische Instrumente eingesetzt werden, darin sei sich der Rat aber einig. Staatsanleihenkäufe, die vor allem in Deutschland umstritten sind, gelten dabei als letztes Mittel zur Abwehr einer Deflation - also eines konjunkturschädlichen Preisverfalls. In einer solchen Situation halten sich Konsumenten zurück, weil sie erwarten, Produkte bald noch günstiger zu bekommen. Bei Unternehmen bricht dann der Gewinn ein und sie schieben Investitionen auf.
Der Euro fiel während der Pressekonferenz Draghis zwischenzeitlich auf 1,2396 Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Am Frankfurter Aktienmarkt stieg der Dax dagegen sprunghaft an. Nach Ansicht von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, lag das vor allem an der Deutlichkeit, mit der Draghi mehrfach betonte, dass er weitere Maßnahmen ergreifen wolle, sollte dies notwendig werden: "Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass dies der berühmte Wink mit dem Zaunpfahl ist. Die EZB scheint für den letzten Schritt bereit zu sein, was konkret bedeutet, dass die Währungshüter im kommenden Jahr auch Staatsanleihen kaufen könnten."
Die Notenbanker hatten im September den Leitzins auf das Rekordtief von 0,05 Prozent gesenkt und bestätigten dieses Niveau am Donnerstag. In den vergangenen Monaten hat die EZB zudem ein ganzes Maßnahmenbündel beschlossen, um mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Dazu gehören unter anderem spezielle Geldspritzen für Banken und der Aufkauf von Pfandbriefen sowie Kreditverbriefungen. Experten schätzen das mögliche Kaufvolumen hier auf etwa 300 Milliarden Euro - es wird also nicht reichen, um die von Draghi angepeilte Billion zu erreichen.
Draghi erklärte, Debatten im 24-köpfigen EZB-Rat - dem für die Geldpolitik in der Währungsunion entscheidenden Gremium - seien nichts Ungewöhnliches. Über den richtigen Kurs sei auch in den USA, Großbritannien und Japan in den zurückliegenden Jahren intensiv diskutiert worden. Einen Konflikt zwischen den nördlichen und südlichen Ländern der Währungsunion gebe es nicht, so der Italiener. Dass der EZB-Rat gemeinsam hinter der Geldpolitik stehe, zeige sich daran, dass alle Zentralbanker das von ihm während der Pressekonferenz verlesene Eingangsstatement abgezeichnet und damit genehmigt hätten.
Nach Informationen von Reuters war die Kritik an Draghis Stil und manchen Alleingängen zuletzt lauter geworden. Einige Mitglieder wollten demnach beim traditionellen Abendessen vor dem Ratstreffen ihre Kritik äußern. Draghi erklärte, die Debatte am Mittwochabend sei "eine der besten gewesen, die wir je hatten". Man sei vor allem bei der geplanten Veröffentlichung von Mitschriften der EZB-Ratssitzungen deutlich vorangekommen. Die abschließende Entscheidung darüber erwartet Draghi im Dezember. "Das Dinner lief besser als erwartet." Er habe keine Beschwerden wahrgenommen. Es sei ehrlich gesprochen worden. Allerdings: "Ich bin nicht überall. Ich weiß nicht, was die anderen sagen würden. Mir ist nichts aufgefallen."