„Die Behandlung wirkt!“ – mit der Nachricht wird Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zum Treffen des Internationalen Währungsfonds nach Tokio fahren. „Dieses Jahr werden meine europäischen Kollegen und ich als Überbringer besserer Nachrichten zum IWF-Gipfel kommen“, schreibt er in einem Gastbeitrag für das Wall Street Journal. Zu dieser Überzeugung brächten ihn erste Erfolge und Tendenzen, die sich bereits jetzt, zwei Jahre nach Einsatz der europaweiten Reformen, abgezeichnet hätten.
So betrüge das Haushaltsdefizit der Eurozone dieses Jahr mit 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nur noch die Hälfte vom Stand 2009. Damit läge die Eurozone weit unter den Vereinigten Staaten, Großbritannien oder Japan. Innerhalb der letzten drei Jahre sei das strukturelle Defizit immerhin von 4,6 auf 2,1 Prozent gesunken, so Schäuble. Wichtiger aber sei der Rückgang des wirtschaftlichen Ungleichgewichts innerhalb der Eurozone. Nachdem jahrelang die Leistungsbilanzdefizite von Spanien, Portugal und Griechenland gewachsen seien, wären diese nun rapide gefallen. Dies beruhe nicht nur auf wachsenden Konsum und Importen, sondern auch auf zunehmenden Exporten. „Deutschland trägt seinen Teil dazu bei, in dem es immer stärker für seine europäischen Partner im Exportmarkt agiert“, schreibt Wolfgang Schäuble.
Schäuble sieht die Gründe für die Entstehung der Krise in wenigen Ursachen: So etwa in einer Dekade rückläufiger Wettbewerbsfähigkeit und in dem Rückgang der Staatsfinanzen einiger Mitgliedsländer. Möglich wäre dies durch die Spekulationsblase und ihr leicht verdientes Geld auf den zu wenig regulierten Finanzmärkten gewesen. Die Gegenstrategie dazu würde vier Punkte erfassen: Zum einen ein Reformprogramm auf Staatenebene zum Wiedererlangen der Wettbewerbsfähigkeit und der Aufstockung der Staatsgelder. Zum anderen durch Reformen in der Eurozone, wie die straffe Regulierung des Finanzsektors und die Errichtung von Rettungsfonds, um den Ländern kurzfristig bei Finanzschwierigkeiten auszuhelfen.
Die Staatsfinanzen in Europa würden sich quantitativ und qualitativ verbessern. Langfristig wären sie gekräftigt und nachhaltiger, argumentiert er. Dabei stützt er sich auf den letzten „Going for Growth“. Wenn die Krise aber durchgestanden sei, werden die Wirtschaften stärker daraus hervorgehen und neue Arbeitsplätze generieren. „Nach zwei Jahren gemeinsamer Anstrengungen wird deutlich, dass die Strategie aufgeht und trotz Gegenwind erste Früchte trägt“, konstatiert der Bundesfinanzminister. Der Bundesverband der Deutschen Industrie sieht das allerdings ganz anders: BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber sagt im Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Die Staaten sind finanziell faktisch nicht mehr handlungsfähig.“ (das ganze realistische Interview - hier).
Kurz geht er auch auf die Krisenopfer ein: „Die großen Opfer die überall in Europa gebracht wurden, sind nicht zu überschätzen. Aber diese Opfer wären hinfällig, wenn wir jetzt wanken und zu den Wundermitteln zurückfallen würden. Schuldenumschichtung, leicht verdientes Geld und Konjunkturpakete sind Beruhigungsmittel, aber giftig.“
Zum Schluss zieht er das Fazit: „Die Krise bedeutet nicht nur eine Lehrstunde für uns Europäer. Wie die physikalischen Gesetze gelten Wirtschaftsgesetze für uns alle.“ Die allgemeingültige Lehre „unserer Krise“ sei es, dass das Vertrauen, insbesondere das Vertrauen in Märkte, „nicht dehnbar ist und zurückschnellt. Es kann brechen.“ Und wenn es das tut, ist es schwer zu reparieren, warnt Schäuble. „Die Krise sollte ein Weckruf für die amerikanischen und asiatischen Regierungen sein, wo die Staatsschulden unerhörte Ausmaße angenommen haben. Sie müssen einen sicheren Weg finden und diesen dann verfolgen.“