Politik

Obama und Merkel: Ratlos, machtlos und voller Widersprüche

Das Treffen von Angela Merkel und Barack Obama hat gezeigt: Die Welt wird niemals zu jenem Zentral-Staat werden, wie ihn sich die Lobbyisten aus Politik und Wirtschaft wünschen. Die Phrasen verfangen nicht mehr, weil mittlerweile jedes Kind weiß: Kredite sind keine „Hilfe“. Eine statische „Friedensordnung“ kann das Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht unterdrücken. Politische „Koalitionen“ sind so brüchig wie moderne Ehen. Die Kaiser sind nackt und beginnen zu frösteln.
10.02.2015 03:40
Lesezeit: 3 min

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Bei ihrer sehenswerten Pressekonferenz in Washington haben Angela Merkel und Barack Obama einen eher traurigen Eindruck hinterlassen. Beobachter führen die Müdigkeit der Kanzlerin auf ihren Verhandlungs-Marathon in Sachen Ukraine zurück. Die resignative Unentschlossenheit Obamas soll mit dem sich abzeichnenden Ende seiner Amtszeit zu tun haben.

Tatsächlich liegen die Gründe für die bemerkenswerte Ratlosigkeit zweier der vermeintlich „mächtigsten“ politischen Führer der Welt viel tiefer: Die globalen Bestrebungen von Lobbyisten aus Politik und Wirtschaft, aus der Welt einen Zentralstaat zu machen, in dem Größe alles und Vielfalt nichts ist, sind gescheitert. Die Welt-Politik, die sich anmaßt, alle regionalen Konflikte lösen zu können, findet sich im luftleeren Raum wieder: Bürger und Völker gehorchen nicht mehr und lassen sich die Spielregeln nicht mehr von jenen oktroyieren, die sich selbst durch vielfachen Rechtsbruch diskreditiert haben. Die rücksichtslose Interessens-Politik ist an ihre Grenzen gestoßen. Die politische PR verfängt nicht mehr. Die Inszenierung des Machbaren ist zur Farce geworden: Zu oft haben die Untertanen erlebt, dass die schönen Märchen nichts anderes waren als eine Ouvertüre zu Krieg, Leid und Ausbeutung.

Obama hatte der Presse Merkel als die Frau angekündigt, die Auskunft geben könne in der Frage, wie Griechenland innerhalb der Euro-Zone zu wirtschaftlichem Aufschwung finden könne. Hätte nicht ein Journalist nachgefragt, wäre die Ankündigung ohne Ausführung im Nichts verhallt. Merkels Ausführungen zeigten: Sie weiß nicht, wie es mit Griechenland weitergeht. Sie sagte, dass es nun an den Griechen liege, einen Plan auf den Tisch zu legen. Für die Euro-Zone sei klar, dass eine „Hilfe“ für Griechenland nur möglich sei, wenn die „Programme“ der Troika erfüllt würden.

Tatsächlich ist Griechenland nicht mit der Medizin zu kurieren, die die Euro-Ärzte dem Land bisher verschrieben haben; die bisherige Therapie hat 240 Milliarden Euro gekostet. Doch der teure Tropf hat die korrupten Eliten in Athen ernährt und die Banken „gerettet“. Denn die „Hilfen“ sind nicht bei den Griechen angekommen, sondern in den feudalen Systemen aus Banken und politischen Netzwerken versickert. Deshalb haben die Griechen die Syriza gewählt. Und die Linkspartei stellt sich nun auf den Standpunkt des gesunden Menschenverstandes und sagt: Mit neuen „Krediten“ ist den Griechen genauso wenig geholfen wie mit den schon geflossenen 240 Milliarden Euro. Die Regierung Tsipras will aus dem Schneeballsystem aussteigen. Es ist bekannt, dass ein solches System kollabiert, wenn der erste aussteigt.

In der Ukraine-Krise klammerten sich Merkel und Obama, sichtlich verunsichert, an ihre eigene Lebenslüge: Man müsse gegenüber Russland Härte zeigen, weil man nicht zulassen könne, dass jemand die „Friedensordnung“ in Europa in Frage stelle. Diese manifestiere sich in der bedingungslosen Anerkennung der territorialen Integrität aller existierenden Staaten. Dieses System habe in den vergangenen 70 Jahren den Frieden in Europa gesichert. Ohne den kolossalen Widerspruch ihrer Argumentation zu bemerken, sagten Obama und Merkel, die Deutschen seien durch die Wiedervereinigung besonders qualifiziert, diese Friedensordnung zu sichern.

Doch ist nicht die deutsche Einheit gerade deswegen möglich geworden, weil sich die Russen nicht dogmatisch auf eine statische Nachkriegsordnung versteift, sondern dem von der UN garantierten „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ Raum gegeben haben? Nach der aktuellen Friedensordnungs-Logik müsste es die DDR heute immer noch geben, weil die territoriale Integrität von bestehenden Staaten eine heilige Kuh sein soll. Auch Staaten wie Slowenien, Kroatien, die Slowakei, Estland, Litauen usw. dürfte es demnach nicht geben. Slobodan Milosevic hat nicht anders agiert als die ukrainische Führung – und er wurde von der Nato gezwungen, seinen Zentralstaat aufzugeben, unter aktiver militärischer Beteiligung Deutschlands. Damals war das Gegenteil heilig, und den ethnischen Russen im Donbass und auf der Krim wird jedes Recht abgesprochen, selbst zu bestimmen, in welchem Staat sie leben wollen.

Das selbe Dilemma erleben wir in Syrien, im Irak, bei den Kurden: Staaten sind nicht für die Ewigkeit gemacht. Schotten und Katalanen wollen sich lossagen von ihren Zentralregierungen. Wo immer neue Grenzen diskutiert werden, reagieren die Bewahrer des Status Quo mit Drohungen, seien sie wirtschaftlicher oder militärischer Art. Warum eigentlich? Man kann nicht jedes regionales Problem auf der Welt mit Bomben lösen (außer man lebt in John McCains Welt).

Das Griechenland-Dilemma hat Obama und Merkel gezeigt, dass die Demokratie gerade deshalb eine so interessante Gesellschaftsform ist, weil sie in der Lage ist, radikale Veränderungen herbeizuführen. Will man den Griechen daraus einen Vorwurf machen?

Die Ukraine-Krise hat den politischen Welt-Mächten vor Augen geführt, dass die politische Intervention von außen – sei es von Victoria Nuland und Joe Biden oder Wladimir Putin – zu einem Flächenbrand führt, wenn das Selbstbestimmungsrecht der Völker und der garantierte Schutz von ethnischen Minderheiten als anachronistische Hindernisse abgetan werden.

Ratlos, machtlos und voller Widersprüche standen Merkel und Obama vor der Weltöffentlichkeit und beschworen die Einheit der transatlantischen Freundschaft so auffällig oft, dass man wirklich Sorgen um die Tragfähigkeit dieser Partnerschaft bekommen konnte.

Tatsächlich geht ein tiefer Riss durch diese Partnerschaft. Denn diese Allianz war so lange ein Segen für die Welt, so lange sie als Anwalt für Demokratie, Selbstbestimmung und Minderheitenschutz auftrat. Das ist heute nicht mehr der Fall: Durch die ständige Verquickung von politischen und wirtschaftlichen Lobbyinteressen hat diese Partnerschaft ihre Autorität als unbestechlicher Schiedsrichter eingebüßt. Der Versuch, den Verlust der eignen Integrität durch immer neue „Koalitionen“ zu kompensieren, ist zum Scheitern verurteilt.

Weltmacht kann nur sein, wer sich selbst an Recht und Gesetz hält. Angela Merkel fiel zur NSA nichts anderes ein als zu sagen, dass die unkontrollierten Geheimdienst-Aktivitäten Deutschland geholfen hätten, Terror-Anschläge zu verhindern. Obama bat die Deutschen um einen Vertrauensvorschuss, sie mögen nicht immer gleich das Schlechteste von den Aktivitäten der Geheimdienste denken.

Viel deutlicher kann man das eigene politische Versagen nicht zum Ausdruck bringen. Die Pressekonferenz von Washington war ein Offenbarungseid. Die Kaiser sind nackt und beginnen zu frösteln.

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